Auch ein funktionierendes Trichtergrammophon gehört zu den Exponaten. Foto: Gottfried Stoppel

Edisons legendärer Phonograph, ein Radio, das „Goebbelsschnauze“ genannt wurde und der erste Nachkriegsfernseher gehören zu den Exponaten in einer Rundfunk-Ausstellung im Technikforum Backnang.

„Durch die grüne Heide geht ein Mädchen jung und schön“ schallt es Besuchern beim Betreten der Sonderausstellung „100 Jahre Rundfunk in Süddeutschland“ aus dem gewaltigen Trichter eines Grammophons entgegen. Die Schau, die überwiegend Exponate aus der Sammlung des Radio- und Fernsehtechnikermeisters Werner Pfeiffer zeigt, ist bis auf Weiteres im Technikforum Backnang in der Wilhelmstraße zu sehen.

 

Sie legt einen Schwerpunkt auf Apparate aus der Zeit der 1920er bis 1940er Jahre, zeigt aber auch Geräte aus der Nachkriegszeit – zum Beispiel einen der ersten Fernseher, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa hergestellt wurden. Der Philips TX 400 habe den Spitznamen „Hundehütte“ verpasst bekommen, erzählt Wolfgang Kuebart, der Stücke aus dem Fundus der Stuttgarter Museumswerkstatt für Telekommunikation beigesteuert hat. Bis zum Jahr 2016 war der Physiker deren Kurator, dann musste die Museumswerkstatt ihren Standort in Zuffenhausen verlassen und ist seither zu Wolfgang Kuebarts Bedauern eingelagert.

Backnang und die Nachrichtentechnik – eine lange Geschichte

Nun engagiert er sich mit anderen Ehrenamtlichen in Backnang, einer Stadt, die seit Langem für Nachrichtentechnik bekannt ist. Im Jahr 1947 zog die Firma AEG dorthin, fertigte erst Radioapparate und wurde dann Standort der AEG Fernmeldetechnik Backnang – der Beginn einer wechselvollen Geschichte mit Namen wie Telefunken, Marconi, Ericsson, ANT Bosch und Tesat.

Ohne die vom Österreicher Robert von Lieben entwickelte Lieben-Röhre, die Wolfgang Kuebart „den Urvater der Nachrichtentechnik“ nennt, wäre der Bau kompakter Rundfunk- und Sprechgeräte nicht möglich gewesen. Zwar hatte es schon vorher Fernsprechverbindungen gegeben, doch je größer die Entfernung zwischen den Gesprächspartnern – sprich: je länger die Leitung war – desto leiser waren die Worte und desto lauter das lästige Rauschen. Die Lieben-Röhre verstärkte die Sprachsignale und verbesserte die Tonqualität. In Backnang ist der Nachbau eines Exemplars ausgestellt.

„Teuflischer Blechtrichter“ fand nicht Hesses Zustimmung

Die erste Radiosendung wurde in Deutschland am 29. Oktober 1923 aus Berlin ausgestrahlt, ein gutes halbes Jahr später, am 11. Mai 1924, ging die Süddeutsche Rundfunk AG (SÜRAG) in Stuttgart auf Sendung. Wie die meisten Erfindungen stieß das Radio nicht nur auf Begeisterung. Hermann Hesse etwa schrieb 1927 im „Steppenwolf“ von einem „scheußlichen Apparat“ dessen „teuflischer Blechtrichter eine Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi“ ausspucke. Das Radio sei womöglich „die letzte siegreiche Waffe im Vernichtungskampf gegen die Kunst“ .

Das große Potenzial des Rundfunks als Propagandainstrument erkannten und nutzten die Nationalsozialisten nur wenige Jahre später für ihre Zwecke. „Ihnen war sofort klar, dass man dieses Medium nutzen kann, um ihre Meinung zu verbreiten“, sagt Wolfgang Kuebart. Die Ausstellung zeigt mehrere Volksempfänger: das Modell VE 301, das vergleichsweise günstig für 75 Reichsmark zu haben war, und den Deutschen Kleinempfänger DKE 38, vom Volksmund „Goebbelsschnauze“ genannt.

Auftakt zum Zweiten Weltkrieg

Die Apparate wurden allesamt mit dem Hinweis „Feindsenderhörer sind Volksverräter. Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen“ und der Warnung vor schweren Zuchthausstrafen ausgeliefert. Was wahr war, bestimmte das NS-Regime. Ein besonders geschichtsträchtiges Exponat ist eine mächtige Senderöhre aus der Rundfunkstation Gleiwitz. Diese stürmten SS-Männer, die sich als polnische Angreifer verkleidet hatten, am 31. August 1939 – und lieferten mit diesem inszenierten Überfall den Vorwand zum Angriff auf Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Technikforum Backnang

Ausstellung
Neben der Sonderausstellung „100 Jahre Rundfunk in Süddeutschland“ zeigt das Technikforum Backnang, Wilhelmstraße 32, in seiner Dauerausstellung Exponate aus der Industriegeschichte Backnangs in den Bereichen Gerberei, Spinnerei, Nachrichtentechnik und der Firma Kaelble, die Zugmaschinen, Planierraupen und mehr herstellte.

Öffnungszeiten
Das Technikforum Backnang hat sonntags von 14 bis 17 Uhr und dienstags von 9 bis 12 Uhr geöffnet – allerdings nicht an Feiertagen. Der Eintritt ist frei. Dienstags sind die ehrenamtlichen Experten vor Ort und geben kurze Erläuterungen zu den Exponaten.