Beständig und bodenständig will der Aufsteiger 1. FC Heidenheim auch in der Fußball-Bundesliga bleiben. Reichen Kampf- und Laufstärke, gepaart mit Zusammenhalt zum Klassenverbleib?
Seit 28 Jahren lenkt Holger Sanwald die Geschicke des 1. FC Heidenheim. Seit 2007 arbeitet der Vorstandsvorsitzende des Aufsteigers in die Fußball-Bundesliga mit Frank Schmidt als Cheftrainer zusammen, der zuvor ab 2003 schon als Kapitän am Ball war. Oft, ja sogar meistens ist dieses kongeniale Duo einer Meinung, aber eben nicht immer. Bei der Frage, ob ein möglicher Klassenverbleib in der kommenden Saison die noch größere Sensation sei, als der am 28. Mai 2023 erreichte Aufstieg, unterscheiden sich die Ansichten.
Traditionsvereine abgehängt
„Frank sagt, ja, wenn wir drin bleiben, sei das die größere Sensation. Ich würde es genau gleich gewichten“, sagt Sanwald – und schiebt die Begründung gleich hinterher: „Wir haben als Meister der zweiten Liga Clubs wie Darmstadt 98, den Hamburger SV, Fortuna Düsseldorf, den FC St.Pauli und einige Traditionsvereine mehr hinter uns gelassen. Das hatte doch auch jeder für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten.“
Was er damit sagen will: Wenn ein Außenseiter so etwas schafft, der kann eine Etage höher auch zwei oder drei Clubs am Ende hinter sich lassen. Wie das in der am 19. August (15.30 Uhr) mit dem Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg beginnenden Saison gelingen soll, darüber gehen die Meinungen der beiden Urgesteine Sanwald und Schmidt dann wiederum überhaupt nicht auseinander. Schmidt nennt Schlüsselfaktoren wie „ausgeprägten Teamgedanken und maximale Gegenwehr“.
Dauerrenner von der Ostalb
Für Sanwald ist das schlicht und ergreifend die „FCH-DNA“. Die werde sich auf gar keinen Fall ändern. Beständig und bodenständig werde man definitiv bleiben. Auf und neben dem Platz. „Unsere Laufleistung auf den Rasen ist ein Alleinstellungsmerkmal“, streicht Sanwald den von Schmidt entwickelten Fußball der Marke „Höchstintensiv“ hervor. In der zweiten Liga kamen die Dauerrenner von der Ostalb auf eine Laufleistung von 120,5 Kilometern, damit übertraf der Zweitliga-Meister sogar jeden Bundesligisten. Auch mit 236 Sprints pro Partie war der FCH in der zweiten Liga Spitze und wäre damit in der Beletage Sechster geworden.
Zusammenhalt im Verein
Auf die Konkurrenz kommt eine gewachsene, kompakte und erfolgshungrige Einheit zu. Sanwald ist sich sicher: „Wir werden von unserer Geschlossenheit leben. Jeder bringt sich voll ein. Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel, das gilt nicht nur für die Mannschaft, das gilt für den gesamten Verein.“
Ob das alles für den Bundesliga-Novizen reichen wird, um drin zu bleiben? „Wenn wir denken würden, wir hätten eh keine Chance, wäre das der erste Fehler. Wir müssen an unsere Stärken glauben“, betont Sanwald. Neben den angesprochenen Tugenden kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Eingespieltheit. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren musste nach aktuellem Stand (das Transferfenster ist bis 1. September geöffnet) kein Leistungsträger abgegeben werden. Auch Top-Torjäger Tim Kleindienst (25 Saisontore in der vergangenen Zweitligasaison) widerstand allen Verlockungen.
Pieringer passt ins Beuteschema
Er bekommt in dem in Metzingen aufgewachsenen ehemaligen Reutlinger Marvin Pieringer (früher Schalke 04/zuletzt SC Paderborn) einen Sturmpartner, der sehr gut zu ihm passen dürfte. Kleindienst ist ein beweglicher Spieler, der auch mal auf die Außenbahn ausweicht, sich oft anspielen lässt und auch etwas auf eigene Faust probiert. Pieringer dagegen ist eher der Abschlussspieler, der im Strafraum bedient werden möchte. In der Manier eines „Kriegers“ kann er viel einstecken, stürzt sich in jeden Zweikampf und beweist immer wieder seinen guten Torriecher. Vergangene Saison erzielte er in 26 Spielen für Zweitligist SC Paderborn 14 Treffer, hinzu kamen zehn Assists.
Der Mann passt optimal ins Beuteschema des FCH: jung, lernwillig, zweiter Bildungsweg, deutschsprachig. Das gilt weitestgehend auch für die anderen externen Neuzugänge Nikola Dovedan (Austria Wien), Benedikt Gimber (Jahn Regensburg), Omar Haktab Traore (VfL Osnabrück) und Eren Dinkci (Werder Bremen). Hinzu kommen die Eigengewächse Frank Feller, Seedy Jarju und Luka Janes. Für sein Team ohne große Namen und Glamourfaktor gibt Kapitän Patrick Mainka das Motto aus: „Wir werden Punkte hamstern müssen, hamstern, hamstern, hamstern.“
17 Mal ausverkauft
Das gilt vor allem in den Heimspielen. Die Voith-Arena wird mit 15 000 Zuschauern 17 Mal ausverkauft sein. Den Dauerkartenverkauf deckelte der FCH bei 9000 Tickets, um nicht vor einer geschlossenen Gesellschaft anzutreten. Vom Gemeinderat gibt es positive Signale, was den Ausbau des Stadions auf ein Fassungsvermögen von 25 000 Besuchern betrifft. Nach einem möglichen positiven Beschluss im Herbst könnte dann Anfang des Jahres voraussichtlich der Bauantrag gestellt werden.
Das ist Zukunftsmusik. Auf was sich der Vorstandschef in der neuen Saison am meisten freut? „Auf das erste Bundesligaspiel in Wolfsburg“, antwortet er. Aber auch die württembergischen Derbys gegen den VfB Stuttgart hat er im Hinterkopf: „Die Brisanz ist ohnehin groß, durch den Einstieg unseres Trikotsponsors MHP beim VfB ist die Brisanz sogar noch größer.“
Mitaufsteiger
SV Darmstadt 98
Für Heidenheims Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald ist klar: „Für unseren Mitaufsteiger gilt das gleiche wie für uns: Auch Darmstadt kann den Klassenverbleib schaffen. Aber klar sind die Lilien einer der Kandidaten, die wir hinter uns lassen wollen.“ Auf SVD-Trainer Thorsten Lieberknecht wartet eine Herkulesaufgabe. Sein Sportdirektor Carsten Wehlmann sagt ganz offen: „Wir sind finanziell kein Bundesligist, nur sportlich.“ Damit das so bleibt wurde unter anderem Innenverteidiger Matej Maglica vom VfB Stuttgart ausgeliehen. Ebenfalls neu: Der gebürtige Heidenheimer, Ex-Profi Michael Stegmayer als „Leiters Organisation Lizenzspielerabteilung“.