Wer partout in keine Unterkunft will, bekommt Hilfe vom Kältebusteam des Deutschen Roten Kreuzes. Foto: Horst Rudel

Es sind mehr Obdachlose in der Stadt, und schon jetzt müssen Ehrenamtliche häufiger Hilfe leisten, damit die Menschen auf der Straße mit der Kälte fertig werden. Die Stadt hat ausreichende Schlafplätze angeboten.

Stuttgart - Der Winter ist jetzt schon härter als der vergangene, zumindest was die nächtlichen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt angeht: „Wir sind jetzt schon so oft mit dem Kältebus unterwegs gewesen wie in der ganzen Saison 2015/16“, sagt Udo Bangerter, der Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes, das den Bus stellt. Dennoch gelte kein Alarmzustand. Nach wie vor gebe es ausreichend Plätze für Obdachlose, wenn sie die Nacht nicht im Freien verbringen wollen, sagt der Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne).

Bei großer Not stehen Zusatzbetten bereit

Die Bürger sind offenbar aufmerksamer geworden. Das hat der Bezirksbeirat Friedrich Neunhöffer festgestellt, als ihm dieser Tage jemand sagte, auf dem Hoppenlau-friedhof würden Menschen übernachten. Er sei hin und habe sie tatsächlich angetroffen. Als er einigen am Dienstagabend helfen wollte, einen Schlafplatz zu finden, habe es geheißen, die Notunterkünfte seien alle voll belegt, es gebe keinen Platz mehr. „Das war eine falsche Auskunft“, entgegnet der Bürgermeister. „Wir hatten in der Nacht zum Mittwoch 16 Schlafplätze für Männer und sechs für Frauen frei gehabt“, sagt er. Die Nacht davor seien die regulären Plätze so gut wie alle belegt gewesen. Es gebe aber immer noch die Möglichkeit, weitere Matratzen oder Betten hinzuzufügen, wenn die Not groß sei. „Niemand muss draußen schlafen, wenn es kalt ist“, betont Wölfle. Bei Minusgraden stünden die Türen auch Menschen aus Ländern offen, die sonst in Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen hätten, da Erfrierungsgefahr bestehe. In einer Unterkunft in der Hauptstätter Straße gibt es 59 Plätze, in der Villastraße weitere 44. „Die Stadt ist sehr zu loben, sie hat auf den zunehmenden Bedarf reagiert und aufgestockt“, sagt Peter Gericke von der Evangelischen Gesellschaft (Eva), die zusammen mit dem Caritasverband für die Stadt die Unterkünfte betreut und die Organisation übernimmt.

Der Kältebus bringt Tee und warme Kleidung

Wer partout in keine Unterkunft wolle, wird vom Kältebus mit Tee und warmer Kleidung versorgt, den Ehrenamtliche wie zum Beispiel der Verein Helfende Hände unterstützen. Clemens Youngblood von diesem Verein engagiert sich seit vielen Jahren in der Obdachlosenhilfe. „Es ist alles ziemlich voll“, sagt er. Wie jedes Jahr reisten auch jetzt wieder etliche Obdachlose aus anderen Städten an in der Hoffnung, in Stuttgart bessere Bedingungen zu finden. Sein Verein verteile gerade wieder Decken und Schlafsäcke an Obdachlose. Sie werden aus Spenden finanziert, ebenso wie Hygieneartikel, auf die die Bahnhofsmission zurückgreift. Daneben unterstützt der Verein Helfende Hände denKältebus des Deutschen Roten Kreuzes, der seit 1. Dezember zu den Orten unterwegs ist, an denen sich Obdachlose aufhalten. Die Zunahme bestätigt auch der Caritasverband: „Früher hatten wir immer zwischen 30 und 70 Obdachlose in der Stadt, jetzt sind wir bei 100 bis 150, auch bedingt durch die Zuwanderung“, sagt Manfred Blocher, der Bereichsleiter für Armut, Wohnungsnot und Schulden. „Wir fahren mit dem Kältebus mehr Stellen an als früher“, bestätigt der DRK-Sprecher Bangerter. Bürger, Polizei und Facebooknutzer melden die Orte.

Alle Beteiligten beteuern: „Abgewiesen wird niemand.“ Bis jetzt seien in diesem Winter aber weder zusätzliche Betten noch eine weitere Unterkunft gebraucht worden, welche die Stadt zusätzlich vorhalte. „Wichtig ist, dass die Bürger mit offenen Augen durch die Stadt gehen und Hilfe rufen, wenn jemand in Gefahr ist“, sagt Manfred Blocher vom Caritasverband. Sven Lehmann, Lagedienstführer bei der Feuerwehr, erläutert, wann man den Notruf wählen soll: „Wenn jemand medizinische Hilfe braucht, ruft man die 112, ansonsten die Polizei unter 110. Im Zweifelsfall rücken beide an“, sagt er. Besonders groß sei in kalten Nächten die Erfrierungsgefahr für stark alkoholisierte Menschen, da der Alkohol die Gefäße weite und so der Körper schneller auskühle. „Wenn jemand verwirrt wirkt, kann das auch ein Anzeichen von Unterkühlung sein. Dann ist ein Notruf auch richtig“, fügt Lehmann hinzu.