SWR-Intendant Peter Boudgoust. Foto: dpa

Der SWR ist der zweitgrößte ARD-Sender, aber seine Strukturen sind veraltet. Das soll sich ändern. Aber der neue Staatsvertrag, der heute im Landtag vorgelegt wird, löst nicht nur Freude aus.

Stuttgart - Der Ort der Unterzeichnung dürfte mit Bedacht gewählt sein. Wenn die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) – am 3. Juli den neuen Staatsvertrag des Südwestrundfunks (SWR) unterzeichnen, werden sie dies in Baden-Baden tun. Das 36 Seiten starke Dokument ist die neue Basis für die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Senders und ersetzt den Staatsvertrag von 1998, als SDR und SWF zum SWR wurden.

Damals achteten die beiden Landesregierungen fein säuberlich auf eine genaue Austarierung der Gewichte zwischen den drei Hauptstandorten Stuttgart, Baden-Baden und Mainz. Bis hin zur Tatsache, dass festgeschrieben wurde, wo welches Programm zu entstehen hat und welcher Chef wo sitzt. Aber das, sagen Insider, ist nicht mehr zeitgemäß. Denn der Reformdruck auf den SWR als zweitgrößter ARD-Sender, der Ruf nach weiteren Sparrunden wird größer und lauter. Intendant Peter Boudgoust hat wiederholt betont, man müsse zwischen 2010 und 2020 rund 166 Millionen Euro einsparen. Das sind 15 Prozent des Gesamtetats.

Nur wo? Am Programm weniger. Die Hörfunkprogramme stehen ordentlich da, das Fernsehprogramm weniger. Es rangiert im Ranking der ARD-Dritten mal auf dem vorletzten, mal auf dem letzten Platz. Ideen und Investitionen sind also gefragt, und mancher sieht im neuen Fernsehdirektor Christoph Hauser den neuen Hoffnungsträger.

Verkrustete Strukturen

Doch manche Reform in der Zwei-Länder-Anstalt ist in den vergangenen Jahren gescheitert. Oft am Geld, oft auch an verkrusteten Strukturen. „Wir haben zu viele Häuptlinge“, sagt ein Insider. Mit dem neuen Staatsvertrag könnte sich nun manches ändern. Ein Beispiel von vielen: 1998 legten die Regierungen fest, der SWR brauche zwei Fernseh-Chefredakteure, einen in Stuttgart, einen in Mainz. Im neuen Grundlagenpapier des öffentlich-rechtlichen Senders ist davon keine Rede mehr. Der SWR und seine Aufsichtsgremien können bei notwendigen Entscheidungen künftig also frei agieren.

Wo aber hat der eine Chefredakteur dann seinen Sitz? „Das wird man dann in Ruhe beraten“, sagt Rundfunkratsmitglied Wolfgang Drexler (SPD) und wehrt sich gegen die Sorgen mancher Skeptiker, die beiden Landesregierungen von Grünen und SPD hätten mit dem neuen Staatsvertrag ihren Einfluss auf den SWR ausgebaut. Drexler verweist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, dass es im Rundfunkrat (der das Programm kontrolliert) künftig keine Vertreter der Regierung mehr gibt. Im 18-köpfigen Verwaltungsrat ist die Politik hingegen weiter vertreten. „Das ist auch richtig so, weil dort über wichtige Themen wie den Haushalt des Senders entschieden wird“, sagt Drexler.

Sein Kollege Günther-Martin Pauli, Medienexperte der CDU, sieht das anders und verweist auf das anhängige Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, wo es darum geht, ob beim ZDF die Politik ganz aus den Aufsichtsgremien verbannt werden soll. Der neue SWR-Staatsvertrag sei richtig, sagt Pauli, weil „damit fusionsbedingte Dinge entrümpelt werden“ und der Sender flexibler agieren könne. An anderer Stelle übt Pauli aber Kritik. Die Vergrößerung der Aufsichtsgremien, der Ausbau der Bürokratie und die Festlegung, dass bei Personalentscheidungen Frauen und Männer gleichberechtigt berücksichtigt werden müssen, sei „an vielen Stellen vor allem ideologisch motiviert“, so Pauli: „Es hätte nur noch gefehlt, dass man im Staatsvertrag von Fernseherinnen und Fernsehern schreibt.“

Baden-Baden fürchtet, den Kürzeren zu ziehen

Was die Opposition gleichfalls ärgert, ist die Besetzung der Kontrollgremien. Eines seiner Beispiele: Wo einst Freikirchen und Vertriebene einen Sitz im Rundfunkrat hatten, fallen sie jetzt unter den Tisch oder müssen sich mit anderen Organisationen einigen. Stattdessen kämen verstärkt Gewerkschaften, Muslime und Umweltverbände zum Zug. „Das Gleichgewicht ist nicht mehr gewahrt“, sagt Pauli und kritisiert, dass der Ständige Ausschuss des Landtags künftig verstärkt gefordert sein wird – wenn sich manche Organisationen über die Aufteilung eines Sitzes nicht einigen können. „Das trägt aber nicht zur Staatsferne des SWR bei.“

In Baden-Baden dürften das erst einmal keine Rolle spielen. Hier fürchtet man, zwischen Stuttgart und Mainz den Kürzeren zu ziehen. Denn ob auf Dauer in der Kurstadt die Hörfunk- und Fernsehdirektion angesiedelt bleiben, ist unklar. Auch an dieser Stelle lässt der neue Staatsvertrag alle Türen offen. Eines nicht allzu fernen Tages, sagen Insider, sei es gut möglich, dass man beide Posten nicht mehr braucht, „weil Hörfunk, Fernsehen, Internet immer mehr verschmelzen“.