Die Wasserbüffel baden in vorgefertigten Löchern. Foto: Nature-Life

Seit etwas mehr als einem Jahr grasen vor den Toren Großbottwars Wasserbüffel. Ziel ist unter anderem, dadurch für mehr Artenvielfalt zu sorgen. Für eine Bilanz ist es noch zu früh, doch die ersten Tendenzen sind positiv.

Großbottwar - Kaum ein Naturschutzprojekt rund um Marbach dürfte in den vergangenen Jahren mit so viel Aufwand vorbereitet worden sein und zugleich so hohe Wellen geschlagen haben wie die Idee von Claus-Peter Hutter und Gerhard Fahr, auf den Wiesen zwischen Großbottwar und Kleinbottwar Wasserbüffel anzusiedeln. Die Initiatoren mussten sich mit den Behörden kurzschließen, diverse Auflagen erfüllen, Grundstücke sichern und sich mit Kritikern auseinander setzen, ehe alles in trockenen Tüchern war und die Beweidung im Mai 2019 mit sechs Tieren starten konnte. Und es scheint so, als habe sich seitdem vieles in die richtige Richtung entwickelt. Denn eines kann man zweifelsfrei festhalten: Zwischen den Gräsern kreucht und fleucht es, dass es eine Pracht ist. Hier schwirrt eine Blauflügel-Prachtlibelle vorbei, da flattert ein bläulicher Schmetterling, dort überwältigt eine Wespe eine Heuschrecke.

Claus-Peter Hutter registriert all das natürlich noch viel schneller als jeder Laie. Dennoch sieht er den Zeitpunkt für ein Fazit noch nicht gekommen. „Ein belastbares Zwischenzeugnis kann man erst nach drei bis vier Jahren ausstellen“, sagt der Präsident der Stiftung Nature-Life. Doch gefühlt sei es schon so, dass Flora und Fauna von dem Projekt profitieren. Die Zahl der Sumpfheuschrecken habe beispielsweise zugenommen. Man beobachte mehr Libellen, sehe Zauneidechsen und Ringelnattern. Und darum geht es bei dem Ganzen unterm Strich auch: dass sich auf dem rund zwölf Hektar großen Gelände mehr Arten ansiedeln. Zudem will der eigens für das Projekt gegründete Verein für Landschaftspflege und Naturschutz durch Beweidung im Bottwartal eine „erlebbare Tallandschaft“ schaffen und eine grüne Infrastruktur in einem Ballungsraum wie der Region Stuttgart erhalten – am besten noch mit Modellcharakter für andere Gegenden. „Wir wissen, dass wir damit die Welt nicht retten können, aber wir möchten das Bottwartal ein bisschen besser machen“, erklärt Hutter.

Die entscheidende Rolle bei diesem Unterfangen spielen die Wasserbüffel. Sie sollen auf verschiedene Weise zur Vermehrung der Diversität beitragen. Ein Faktor ist dabei, dass sie das Land überhaupt beweiden. Denn das passiere kaum noch, die traditionelle Landwirtschaft habe sich aus den Talauen zurückgezogen, erläutert Hutter. Die Konsequenz: Die Flächen verbuschen und verschilfen auf Dauer und vielen Tieren wird die Nahrungsgrundlage entzogen. Die Büffel bringen aber nicht nur das Gelände in Form. Auf ihrem Dung siedele sich ein regelrechter Mikrokosmos an, sagt Gerhard Fahr, der wie Claus-Peter Hutter in Benningen lebt. Auf den breiten Fladen krabbeln Fliegen, Käfer und andere Insekten herum, die wiederum bei größeren Tieren wie Staren, der Wasserralle oder anderen Vogelarten auf der Speisekarte stehen. Das wäre natürlich bei der Beweidung mit normalen Kühen grundsätzlich ähnlich, sagt Hutter. Doch im Gegensatz zu den Wasserbüffeln seien die Fladen hier für Kleinstlebewesen nicht mehr so attraktiv, weil die Rinder oftmals mit Medikamenten behandelt würden, „sodass da drin fast nichts mehr lebt“. „Die Büffel kriegen keine Wurmkur, die brauchen das nicht“, ergänzt Gerhard Fahr.

Was die kräftigen, gehörnten Tiere dafür brauchen, sind Kuhlen, in denen sie sich suhlen können. Die Wasserlöcher wurden im Bottwartal von Menschenhand ausgehoben, die Büffel hätten aber auch schon selbst begonnen, in der Erde zu scharren, betont Hutter. So oder so: Es entstehen kleine Feuchtbiotope, die Amphibien anlocken. Spektakuläre Neuansiedlungen kann Hutter in der Hinsicht noch nicht vermelden. Aber generell dauere es seine Zeit, bis sich eine Landschaft verändert, neue Strukturen geschaffen werden und sich Lebensräume wandeln. Zu erkennen ist aber bereits, dass das Gelände je nach Beweidungsgrad und wann die Büffel dort gegrast haben, andere Facetten hat. Einige Bereiche sind für die Tiere auch komplett tabu, sodass sich dort eine ganz eigene kleine Tier- und Pflanzenwelt entwickeln kann. „So entsteht ein Mosaik an unterschiedlichen Grünstrukturen“, erläutert Claus-Peter Hutter. Was sich in den einzelnen Gebieten tut, wird von Fachleuten überprüft. Die Experten knöpfen sich über die Jahre hinweg bestimmte Flächen vor und analysieren, welche Pflanzen und Tiere dort jeweils vorkommen, erklärt Gerhard Fahr. Sogar Satellitenbilder und Drohnenaufnahmen werden regelmäßig ausgewertet, um aus der Luft einen ganzheitlichen Eindruck davon zu bekommen, wie sich die Boden- und Wasserverhältnisse ändern.

Kein spezielles biologisches Wissen muss man besitzen, um zu erkennen, dass sich die Büffelherde seit der Ankunft im Mai 2019 vermehrt hat und auf zehn Tiere angewachsen ist. Das liegt daran, dass mehrere Kühe schon bei ihrer Ankunft trächtig waren und dann eben Nachwuchs wie die junge Habo bekommen haben. Zahlenmäßig etwa ebenso groß wie die Büffelherde ist der Kreis derjenigen, die ehrenamtlich bei dem Projekt mitanpacken. Wie Bernd und Britta Riess aus Marbach, die beispielsweise nach den Zäunen schauen oder das Wasserfass kontrollieren. Und auch dieser Einsatz gehört zu den positiven Seiten des Vorhabens, wie Claus-Peter Hutter hervorhebt: Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen kämen zusammen und setzten sich für eine gemeinsame Sache ein.