Falk Bittermann ist Mitglied der Steuerungsgruppe und kümmerte sich schon in den Tagen, als die ersten Gerüchte über Schulschließungen die Runde machten, um mögliche Software-Lösungen für Homeschooling. Jana Bittermann beim Vorbereiten des Kunstunterrichts. Foto: privat

Das Lehrer-Ehepaar Jana und Falk Bittermann stand in den vergangenen Wochen vor großen Herausforderungen. Der Online-Unterricht, auf den die Pädagogen umsteigen mussten, hat Vorteile – aber auch Nachteile.

Marbach - Wie unterrichtet man Physik, wenn man den Schülern die Versuche nicht live im Klassenzimmer präsentieren kann? Und wie Kunst, wenn man nicht praktisch zeigen kann, wie bestimmte Materialien zu bearbeiten sind? Vor diesen und anderen Herausforderungen stand in den vergangenen Wochen das Lehrer-Ehepaar Jana und Falk Bittermann vom Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG), an dem wegen der Corona-Pandemie – wie an allen anderen Schulen im Land auch – seit Mitte März kein Präsenzunterricht mehr stattfinden darf. Inzwischen hat sich manches eingespielt.

Dabei war die Ausgangslage am größten Gymnasium des Landes noch vergleichsweise gut: Falk Bittermann, der unter anderem Medienkunde unterrichtet, ist Mitglied der Steuerungsgruppe und kümmerte sich schon in den Tagen, als die ersten Gerüchte über Schulschließungen die Runde machten, um mögliche Software-Lösungen für Homeschooling und schulte später Lehrerkollegen und Schüler. „Dank der Arbeit der Steuerungsgruppe waren wir schon relativ früh am Start“, ist Falk Bittermann zufrieden.

Als das geeignetste Werkzeug für den Online-Unterricht wurde das Software-Paket „G Suite for Education“ von Google ausgewählt. „Dieses Paket umfasst auch Videokonferenzen und Chat-Programme. Um Lernerfolge zu messen, gibt es beispielsweise ein Quiz mit Multiple-Choice-Aufgaben“, erklärt Falk Bittermann, der Mathematik und Physik unterrichtet. Jana Bittermann startete zu Beginn mit relativ einfachen Funktionen und stellte ihren Schülern in Mathematik Aufgaben- und Lösungsblätter online zur Verfügung.

Ihre erste echte Herausforderung war es, eine praktische Aufgabe für den Kunstunterricht in einer sechsten Klasse zu finden. „Das Material dafür sollten die Schüler möglichst zu Hause haben, denn einkaufen war damals nicht möglich“, erinnert sie sich. Sie entschied sich dann, ihre Schüler einen Murmelturm aus Papier bauen zu lassen. Ihre Ergebnisse präsentierten die Sechstklässler dann als Foto oder Video.

Und dabei stellten die beiden Lehrer schon sehr früh Vorteile und Nachteile des Online-Unterrichts fest: „Ich habe auf jede Arbeit mit einem individuellen Kommentar geantwortet. Das ist deutlich zeitaufwändiger als im Klassenzimmer“, sagt Jana Bittermann. Abgesehen davon, dass auf manche Kommentare sehr liebevolle Rückmeldungen der Schüler kamen, wurde dem Lehrer-Ehepaar dabei aber noch ein weiterer Vorteil des Online-Unterrichts klar: „Man kann bei den einzelnen Schülern viel besser einschätzen, wie viel von dem Lernstoff angekommen ist“, sagen beide unisono.

Ein weiterer Pluspunkt des Online-Unterrichts zeigte sich im Kunst-Leistungskurs: Jana Bittermann band in die Theorie-Unterlagen einen Link zu einem Museum in New York ein, wo ihre Schüler auf einen virtuellen Rundgang mitgenommen wurden und die Theorie in der Praxis überprüfen konnten. „Durch die Corona-Pandemie gibt es gerade sehr viele solcher Angebote“, erklärt Jana Bittermann.

Nichtsdestotrotz freut sich das Lehrer-Ehepaar, wenn sie irgendwann wieder ins Klassenzimmer zurückkehren dürfen. „Wir lechzen dem Präsenz-Unterricht entgegen“, räumt die Kunstlehrerin unumwunden ein. Und auch der Physiklehrer weiß, dass keine Online-Simulation den Versuch im Klassenzimmer ersetzen kann. Und diese Sehnsucht nach Normalität ist nicht einseitig, erzählt Falk Bittermann. Das Lehrer-Ehepaar vermisst auch den kollegialen Austausch mit den Kollegen im Lehrerzimmer. „Das ist viel zielgerichteter, als es in Videokonferenzen möglich ist“, sagt Jana Bittermann.

Noch einen weiteren Nachteil des Homeschoolings hat sie entdeckt: „Im Matheunterricht habe ich Zweifel, dass alle Kinder nachfragen, die etwas nicht verstanden haben“, sagt sie. Hier zeige sich die Grenze des Online-Unterrichts. „Im Klassenzimmer sehe ich die gekräuselte Stirn oder den fragenden Blick“, konstatiert sie. Videokonferenzen seien nicht dasselbe. „Viele Schüler verstummen da eher, es sind ihnen wohl zu viele Gesichter auf einmal“, glaubt sie. Sie freut sich aber jedes Mal, wenn Schüler Nachfragen im Einzel-Chat stellen.

Nicht allzu schwierig war es für die Bittermanns, den Homeschooling-Alltag zu organisieren. „Wir haben beide einen Schreibtisch und einen Computer-Arbeitsplatz in unserem Arbeitszimmer“, sagt Falk Bittermann. Wenn beide gleichzeitig eine Videokonferenz gehabt hätten, sei einer ins Wohnzimmer ausgewichen. Auch am Familienalltag mit den drei Kindern habe sich nicht viel geändert: „Wir sind nicht viel später als sonst aufgestanden und haben uns nach dem gemeinsamen Frühstück um 7.30 Uhr alle an unseren Arbeitsplatz verzogen“, erzählt Jana Bittermann. Am Anfang sei noch ein wenig technischer Support bei den Kindern nötig gewesen, doch inzwischen klappe alles reibungslos.

Da eine Benotung der Schüler ohne Präsenz-Unterricht nicht erlaubt ist, halten beide die Aussage von Kultusministerin Susanne Eisenmann, dass in diesem Schuljahr kein Kind sitzenbleiben werde, für die einzig richtige Lösung. Die Pädagogen sind sich aber relativ sicher, dass es viele Zwischenlösungen wie Probeversetzungen geben wird und am Ende des nächsten Halbjahres in Gesprächen entschieden wird, ob die Versetzung nicht rückgängig gemacht werden sollte. „Schüler, die zum Halbjahr versetzungsgefährdet waren, lösen ihre Probleme nicht dadurch, dass es wegen Corona kein Sitzenbleiben gibt“, sagt Jana Bittermann.

Und auch ein vorläufiges Fazit des Homeschoolings können beide ziehen. „Wir konnten dank Corona im Digitalunterricht vieles ausprobieren, was wir uns sonst vielleicht nie getraut hätten“, sagt Falk Bittermann. Wenn das Land den Schulen irgendwann mal eine digitale Umgebung zur Verfügung stelle, müsse sich diese an Googles „G Suite for Education“ messen lassen. „Reinen Digitalunterricht will keiner, aber eine Mischung aus Präsenzunterricht und Homeschooling wäre optimal“, sagt Falk Bittermann.