Matilda mit ihren Eltern im Ludwigsburger Residenzschloss. Hier fühlte sich die Vierjährige wie eine Prinzessin. Foto: factum/Andreas Weise

Eine kostenfreie Hotline des Bundesverbands Kinderhospiz ist für Familien mit schwerkranken Kindern da. Für eines von ihnen ist gestern ein Traum in Erfüllung gegangen: Die kleine Matilda rauschte als Prinzessin durchs Ludwigsburger Schloss.

Ludwigsburg - Die Tür öffnet sich und heraus stürmt eine kleine Prinzessin. Das Kleid sitzt wie angegossen, die Ärmel sind mit Rüschen besetzt – und ihre königliche Hoheit strahlt. Jetzt gilt es, würdevoll zum Thron im Ludwigsburger Schloss zu schreiten. „Mit Mama“, sagt die kleine Prinzessin leise und schmiegt sich an die Frau neben ihr. Kurz darauf zückt sie einen Fächer. Die Anwesenden unter dem Kronleuchter verneigen sich.

Im Prinzessinnenkleid steckt Matilda. Schelmisch winkt sie ihrer Großmutter zu, während sie auf dem mit rotem Stoff bezogenen Stuhl sitzt. Oma und Eltern freuen sich mit der Vierjährigen. Nicht immer ist ihr Leben unbeschwert. Die Vierjährige leidet an einem seltenen Gendefekt, der ihre Muskulatur schwächt. Ihre Krankheit ist unheilbar.

Anonym geführte, kostenlose Telefonate

„Eine solche Diagnose bringt mit sich, dass man oft an seine Grenzen stößt“, sagt Patricia Hurst, Matildas Mutter. Als sie eines Tages nicht mehr weiterwusste, fand sie Hilfe bei Oskar, dem Sorgentelefon des Bundesverbands Kinderhospiz<. Unter der Telefonnummer 08 00/88 88 47 11 sind professionell ausgebildete Telefonberater rund um die Uhr zu erreichen – für alle, die Sorgen oder Fragen zu lebensverkürzenden Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen haben. Nicht nur Betroffenen steht diese Nummer zur Verfügung, sondern auch Familien, die ein Kind verloren haben oder Fachleute, die sich um Familien in dieser Lage kümmern, wie die Sprecherin des Bundesverbands Kinderhospiz, Anja Bieber, erklärt.

„Ich war am Ende“, beschreibt Hurst die Situation, in der sie sich zu einem Anruf bei Oskar entschloss. Als Sozialpädagogin sei sie es gewohnt, mit schwierigen Situationen umzugehen und die Ängste der anderen Familienmitglieder aufzufangen. Doch als sie dann zusätzlich eine Hiobsbotschaft wegen ihrer eigenen Gesundheit erreichte, sah sie sich am Ende ihrer Kräfte. „Ich brauchte eine neutrale Person, mit der ich mich besprechen konnte“, sagt Hurst. „Ich wollte meine Familie nicht noch zusätzlich belasten.“ Nach dem anonym geführten Telefonat mit der Oskar-Beraterin fühlte sie sich besser. Es habe sie bestärkt, sagt die Mutter – und ihr geholfen, „eine neue Bewältigungsstrategie zu entwickeln“.

Seelsorge und Weitervermittlung

Genau für solche Fälle hat der Bundesverband Kinderhospiz das Sorgentelefon 2015 ins Leben gerufen. „Das Telefon unserer Geschäftsführerin hat davor oft nachts geklingelt“, sagt Monika Friedrich, die das Sorgentelefon koordiniert. „Daran haben wir gemerkt, dass die Nachfrage nach einem solchen Angebot groß ist.“

Die Zahlen geben ihr Recht. Mehr als 8000 Anrufern hat der Bundesverband nach eigenen Angaben seitdem geholfen. Das Angebot von Oskar geht dabei über die Seelsorge hinaus. Die Berater am anderen Ende der Telefonleitung haben Zugriff auf eine Datenbank, mit deren Hilfe sie beispielsweise medizinisches Fachpersonal oder Ansprechpartner vor Ort vermitteln können. „Der berufliche Hintergrund der Berater ist ganz unterschiedlich“, sagt Bieber. Manche seien Psychologen, der Großteil habe Berufserfahrung im Kinderhospizbereich.

Familien fühlen sich oft alleingelassen

„Leider wissen immer noch zu wenige Menschen, dass es die Beratung gibt“, bedauert Bieber. Auch Patricia Hurst stieß erst eineinhalb Jahre nach der Diagnose auf das Sorgentelefon. „Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich den Oskar-Flyer direkt in der Intensivstation bekommen hätte“, sagt sie. Die Mutter aus dem Kreis Leonberg glaubt, dass sie nicht die Einzige ist, die erst spät von dem Angebot erfahren hat. Die Ärzte würden meist nur in medizinischen Fragen helfen. „Was die anderen Dinge angeht, müssen sich alle Familien ihr Netzwerk selbst aufbauen“, sagt Hurst.

Nach Angaben des Bundesverbands Kinderhospiz gibt es in Deutschland mehr als 40 000 Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern. Möglich ist der Betrieb des Sorgentelefons allein durch Spenden wie die der Dietmar Hopp Stiftung, die das Sorgentelefon mit einer Anschubfinanzierung von 200 000 Euro unterstützte. Der Bundesverband Kinderhospiz plant, das Telefonangebot durch eine Mailberatung zu erweitern.

Ein Kaffeekränzchen für die Prinzessin

Während Matildas Mutter von ihren Erfahrungen mit dem Sorgentelefon berichtet, tollt Matilda durch das Ludwigsburger Residenzschloss. Ihr Terminplan ist durchgetaktet an diesem Tag. Direkt nach einer Führung, bei der sie von ihrem Vater und ihrer Großmutter begleitet wird, eilt die Prinzessin zur nächsten Audienz. Jetzt wird’s kulinarisch. Mit dem Fußvolk wird sie ein Stückchen Sahnetorte essen – natürlich ebenfalls im Schloss, wie es sich für eine Prinzessin gehört.