Die Arbeit in einer Kita kann für die Erzieherinnen ein Kraftakt sein. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Bei einem Projekt in den Steinheimer Kitas werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Das Wohlbefinden der Erzieherinnen wird gefördert, wodurch sie sich gestärkt an Körper und Seele mit neuem Elan den Kindern widmen können.

Steinheim - Die Arbeit mit Kindern ist erfüllend, kann aber auch an der Substanz zehren. Vor allem, da sich in den vergangenen Jahren für Erzieherinnen zum eigentlichen Kernjob weitere Aufgaben wie aufwendige Schreibarbeit für Dokumentationen gesellt haben. Der Förderbedarf von Kindern ist ebenfalls gestiegen. Dazu schleppen die Kleinen viele Krankheiten in die Kindergärten, wo sie dann auf das Personal überspringen. Kein Wunder also, dass die turnusmäßige Gefährdungsanalyse in den Steinheimer Kitas vor zwei Jahren einen Handlungsbedarf ergab. „Wir haben die Beurteilung durchgeführt und gedacht: Wir brauchen ein gutes Präventionsprojekt“, sagt die städtische Fachberaterin Martina Fregien. Und das wurde in Form des Starke-Kita-Programms dann auch gefunden.

Wie so oft im Leben spielte auch hier der Zufall eine Rolle. Fregien hielt nach einem passenden Konzept Ausschau. Genau das hatten die Steinheimerinnen Beate Missalek und Christine Breitbach, die jeweils im Gesundheitsmanagement unterwegs sind, an der Hand. Die beiden Freiberuflerinnen haben sich für das Starke-Kita-Projekte zusammengetan, um das Programm im Verbund mit der Techniker Krankenkasse in Kindergärten und Co. zu bringen. Breitbach dachte sich dann: Warum sollte man das Ganze nicht auch in Steinheim initiieren? Sie nahm Kontakt mit Martina Fregien auf, und so fügte sich das eine zum anderen.

Bevor es so richtig in medias res ging, wurde der konkrete Bedarf erhoben. Zudem wurden Ziele definiert. Deshalb seien Missalek und Breitbach mit allen sieben Einrichtungen auf der Gemarkung ins Gespräch gegangen, berichtet Fregien. Es kristallisierten sich auf der Basis ganz individuelle Ansätze heraus, wie die Situation vor Ort optimiert werden könnte. In Höpfigheim habe man sich zum Beispiel vertiefend der Stärkung des Teamgedankens gewidmet, sagt Martina Fregien. In Kleinbottwar gehe es darum, einen Rückzugsraum zu schaffen, in dem man nicht gestört wird. In der Sudetenstraße wurde ein anderer, nahe liegender Akzent gesetzt: Das Team wollte sich wegen der schwierigen Phase der eineinhalb Jahre währenden Sanierung damit beschäftigen, wie man das Beste daraus macht und mit frischer Power als Mannschaft in die herausgeputzte Einrichtung geht. Da weitere Mitarbeiter zum Team gestoßen sind, stehe nun die Integration der neuen Erzieherinnen im Fokus, sagt Martina Fregien.

Bei dem Projekt gibt es aber nicht nur Themen, die maßgeschneidert für einzelne Einrichtungen sind. Einige Punkte sind auch gesetzt. So wurden in jeder Kita Bewegungsscouts ausgebildet. Diese speziell geschulten Mitarbeiterinnen sollen unter anderem erkennen, wenn eine Kollegin verspannt ist und diese dann zu einer körperlichen Übung animieren, erklärt Fregien. Mit den Kids können ebenfalls Bewegungseinheiten eingestreut werden. Zum Standardrepertoire zählt auch ein Resilienzlotse im Haus. Mit diesem Begriff wird derjenige in der Einrichtung bezeichnet, der spezielle Situationen erkennt und mit kleinen Maßnahmen gegensteuert: Wenn jemand zum Beispiel durchhängt und ihm alles zu viel wird, könne es schon helfen, wenn derjenige kurz aus dem Fenster schaut oder tief durchatmet, sich eine mentale Auszeit nimmt, erklärt Martina Fregien. Obligatorisch bei dem Programm ist ferner der Gesundheitscheck für alle Leiterinnen mit Beratung, wie sie ihr Wohlbefinden verbessern können.

„Die Rückmeldungen sind aus allen Einrichtungen sehr positiv. Es ist für alle Erzieherinnen und für die Leitungen ein Gewinn“, zieht die Kita-Fachberaterin ein erstes Zwischenfazit. Doch auch für die Kinder hat die mentale und körperliche Stärkung der Erzieherinnen einen Mehrwert. „Die Erzieherinnen werden ausgeglichener und das Team gestärkt. Davon profitieren auch die Kinder“, betont sie. Weil zudem ein Eltern-Kind-Modul dazugehört, haben auch Mütter und Väter etwas davon. So seien alle Eltern gefragt worden, wo ihre Interessen liegen und wo sie sich mehr einbringen wollen. Ein Ergebnis aus diesem Prozess war die Stadtrallye, die Eltern für die Kinder ausgearbeitet hatten.

Gestartet wurde das Projekt im März 2019, laufen wird es voraussichtlich bis 2023. Gut für die Stadt ist, dass sie dafür keinen Cent ausgeben muss. Die Kosten werden von der Techniker Krankenkasse (TK) getragen. „Die TK fördert das Projekt, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir wollen Kitas dabei unterstützen, die Situation für Kinder, Erzieher und Eltern so zu gestalten, dass eine gesunde Lebens- und Arbeitswelt möglich ist“, erklärt Martin Beck, Berater Lebenswelten bei der TK, der zudem zum Kernteam bei der Umsetzung in Steinheim zählt.