Prozess am Amtsgericht Foto: picture alliance/dpa/Arne Dedert

Eine Seniorin hatte bei einem Autounfall einen Motorradfahrer verletzt.

Pattonville - Mit ihrem Einspruch gegen einen Strafbefehl ist eine 76-jährige Autofahrerin ihr dreimonatiges Fahrverbot wieder losgeworden. Ihr Verfahren wurde gegen Zahlung von 1200 Euro an die Kreisverkehrswacht eingestellt. Ihre Gerichtsverhandlung war allerdings keine einfache Angelegenheit, weil sie in Kornwestheim beim Abbiegen einen Motorradfahrer verletzt hatte.

Der Zusammenstoß des Wagens der Seniorin aus Remseck mit dem Motorrad eines 23-jährigen Fahrers aus Pattonville passierte am 5. Februar dieses Jahres gegen 16.51 Uhr. Die Rentnerin wollte in der John-F.-Kennedy-Allee auf einen Parkplatz abbiegen. Kurz vorher war der Motorradfahrer aus der Tiefgarage seiner Wohnung heraus gefahren. Die Rentnerin brachte den Motorradfahrer mit ihrem Auto zu Fall. Der Mann erlitt einen komplizierten Schulterbruch und eine Quetschung am linken Schienbein.

Nach dem Unfall flatterte der 76-Jährigen ein Strafbefehl ins Haus: 1200 Euro Bußgeld und drei Monate Fahrverbot wegen fahrlässiger Körperverletzung. Den Strafbefehl akzeptierte sie nicht, sie legte Einspruch ein, um eine öffentliche Gerichtsverhandlung zu erreichen. Eines ihrer Hauptargumente dabei war, dass der Motorradfahrer, welcher an der Schulter operiert werden musste, sie ja gar nicht angezeigt hätte.

„Die Situation war sehr unglücklich“, sagte der Verteidiger der Frau, Thomas Butterstein. Er forderte die Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldauflage und erklärte, seine Mandantin habe den Motorradfahrer schlicht nicht wahrgenommen. Da die Frau ein paarmal anmerkte, sie verstehe die Richterin akustisch nicht, fragte sich diese, ob die Angeklagte schlecht höre, zumal ein Motorrad ja nicht gerade zu den geräuschärmsten Fahrzeugen gehöre. Beim Ohrenarzt sei alles in Ordnung gewesen und eine neue Brille habe sie auch, teilte die Angeklagte mit.

Der Anwalt bemerkte, der Motorradfahrer habe schon vor Beginn der Verhandlung vor der Türe des Gerichtssaals gemeint, er könne „nicht verstehen, warum die Staatsanwaltschaft noch eins drauf setzt“, da er die Frau doch gar nicht angezeigt habe. Seine Mandantin habe sich mehrmals erkundigt, wie es dem Kornwestheimer im Krankenhaus geht und sich auch bei diesem entschuldigt. „Ich habe 1966 den Führerschein gemacht, fahre seitdem unfallfrei und jetzt so was“, sagte die 76-jährige Frau aus Remseck, die um ihre Fahrerlaubnis bangte.

Der Motorradfahrer wusste nicht mehr viel von dem Unfall, als er als Zeuge vor Gericht auftrat. Er habe unter Schock gestanden. Als der Motorradfahrer zu seinem Tempo in der 30er-Zone keine Angaben machte, stellte der Verteidiger in den Raum, dass dieser auf den höchstens 100 Metern von der Tiefgarage bis zum Unfall zu schnell gefahren sein könnte. „Ich komme mir vor wie eine Schwerverbrecherin“, sagte die Autofahrerin. Sie sei auf ihr Auto angewiesen, denn ihre Ärzte zum Beispiel befänden sich alle in Stuttgart. Und sie habe durchaus das Gefühl, dass sie in ihrem Alter noch gut Autofahren könne. Sie benutze ihren Wagen so oft sie könne und 3000 Kilometer fahre sie mindestens im Jahr. Außerdem werde sie von anderen Leuten viel jünger geschätzt, als sie in Wirklichkeit sei.

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