Die Räte wünschen für das am Ortsrand geplante Neubaugebiet eine klimafreundliche Energieversorgung. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Das Rielingshäuser Neubaugebiet könnte über eine ultramoderne Technik beheizt werden. Zumindest theoretisch. Praktisch müssen schon noch Hürden überwunden werden. Vor allem ein Problem ist nicht gelöst.

Marbach-Rielingshausen - In Rielingshausen könnte schon bald ein Neubaugebiet entstehen, auf das vermutlich auch größere Gemeinden mit Interesse blicken werden. Denn es verdichten sich mehr und mehr die Anzeichen, dass der Keltergrund, in dem zwischen 65 und 90 Wohneinheiten geplant sind, in Sachen Energieversorgung Vorbildcharakter einnehmen wird. Es scheint nämlich darauf hinauszulaufen, dass die Häuser in dem Areal in Zukunft über ein CO2-neutrales kaltes Nahwärmenetz versorgt werden.

Die Grundzüge des Konzepts, bei dem ein Kollektorenfeld im Erdreich die Basis bildet, waren dem Ortschaftsrat schon einmal präsentiert worden und seinerzeit auf ein positives Echo gestoßen. Unklar war aber, ob sich dieses Modell, auf das man im hessischen Bad Nauheim bereits setzt, tatsächlich auch auf das Neubaugebiet in Rielingshausen übertragen lässt. Mit dieser Frage hat sich nun Sascha Rieß vom Büro cascad.e netzwerk GmbH im Auftrag der Stadt Marbach beschäftigt. Das Ergebnis seiner Untersuchung hat der Fachmann nun im Ortschaftsrat vorgestellt. Sein Fazit: „Es ist machbar.“

Zukunftssichere Technologie

Rieß betonte, dass mit dem System einige Vorteile verbunden wären. So handele es sich um eine nachhaltige und zukunftssichere Technologie. Das Netz habe wegen seiner niedrigen Ausgangs-Temperaturen, die erst im Haus via Wärmepumpe nach oben getrieben werden, keinerlei Wärmeverluste. Die Kommune könne zudem selbst etwas zur Energiewende beitragen. Für die Kunden kämen in etwa ähnliche Kosten wie beim Einsatz einer klassischen Luft-Wärme-Pumpe zu. „Nur mit dem Unterschied, dass sie die bessere Technologie hätten“, sagte Rieß.

Langsame Aufsiedlung scheidet aus

Der Ingenieur machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass die ganze Sache verschiedene Haken hat. Der erste Wermutstropfen sei, dass sich das Netz nur bedingt wirtschaftlich betreiben lässt. Ins Plus rutscht man nur, wenn das Vorhaben bezuschusst wird. Und inwieweit Fördermittel bewilligt werden, lasse sich nur schwer im Vorfeld sagen, betonte Rieß. Das Defizit, das beim Aufbau des Leitungsnetzes entsteht, könne allerdings auf die Anwohner über den Baukostenzuschuss umgelegt werden. Fließen dann je Zuschüsse, könnten die Finanzmittel an die Kunden wieder ausgeschüttet werden. Völlig unwirtschaftlich würde das Netz aber, wenn man das Gebiet in mehr als zwei Abschnitten aufsiedelt. Ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist, da die Stadt den Keltergrund eigentlich sukzessive erschließen wollte, um die Infrastruktur wie Kindergärten und Schule nicht zu überfordern. Bedeutet im Grunde: Soll die kalte Nahwärme kommen, muss man sich wohl von dem Plan verabschieden, das Gebiet behutsam zu entwickeln.

Fläche unter Spielplatz reicht nicht aus

Ein weiteres Manko sei, dass das Herzstück des Energiesystems, das Kollektorenfeld, eine Menge Platz beansprucht. Platz, den es eigentlich im Neubaugebiet nicht gibt. Um die Häuser in dem Areal mit Wärme zu versorgen, brauche man eine Fläche von 9000 Quadratmetern, in der die Kollektoren vergraben werden, sagte Rieß.

Der Spielplatz, der dafür ausgeguckt worden war, reiche mit seinen 2300 Quadratmetern nicht aus. Das gilt selbst dann, wenn man mit einer doppelten Lage bei dem Kollektorenfeld arbeitet, was laut Rieß denkbar wäre. Daran soll das Projekt aber ebenso wenig scheitern wie an der finanziellen Seite. „Wir begeben uns auf die Suche nach einer Fläche“, sagt Bauamtsleiter Dieter Wanner auf Nachfrage. Ein städtisches Grundstück habe man dafür nicht. Denkbar wäre, das Vorhaben unter einem Acker zu realisieren, wie Ortsvorsteher Jens Knittel vorgeschlagen hatte.

Eher schwierig dürfte es hingegen sein, den Vorschlag von Knittels Fraktionskollege bei den Freien Wählern, Jürgen Stirm, umzusetzen. Stirm hatte angeregt, vielleicht, wo möglich, unter privaten Gärten im Keltergrund die Wärmesammler zu verbuddeln. Aber dann stelle sich unter anderem die Frage, wie man die Grundlast auf die anderen umlege, gibt Wanner zu bedenken. Zudem schränke man die Entfaltungsmöglichkeiten der betroffenen Eigentümer ein. „Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran“, sagt er.

Finanzielle Seite wohl kein Ausschlusskriterium

Was die finanzielle Seite anbelangt, schienen sich die Räte trotz des in Aussicht stehenden Minus nicht von der Umsetzung des Projekts abbringen lassen zu wollen. Auf einen längerem Zeitraum gesehen, seien die Fehlbeträge pro Jahr mit grob überschlagen weniger als 20 000  Euro halbwegs überschaubar, zog Christiane Scheuing-Bartelmess von der SPD ihre Bilanz. „Dafür wären wir aber quasi CO2-neutral“, fügte sie hinzu.

Bliebe als Hürde aber noch die Frage, wer das Netz am Ende betreiben soll. Bei den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim hat man schon vorgefühlt. „Die haben aber relativ schnell abgewunken. Sie sehen dort kein Potenzial, dass sie so etwas in diesem recht kleinen Spektrum betreiben“, so Bürgermeister Jan Trost. In einem nächsten Schritt wolle man aber auch auf andere potenzielle Betreiber zugehen und deren Bereitschaft ausloten, informiert Bauamtsleiter Wanner auf Nachfrage. Darüber hinaus wolle man auf ein Fachbüro zugehen, um sich aufzeigen zu lassen, was in dem Gebiet alternativ in Sachen Energieversorgung möglich wäre.