Immer sonntags hebt seit Dezember eine Maschine mit Egetrans-Fracht von Frankfurt aus ab nach Chicago. Foto: Egetrans

Vor allem im Seefrachtmarkt haben sich die Ereignisse in den letzten Wochen überschlagen. Doch auch die gesunkenen Passagierflugzahlen bereiten Probleme, weil Alternativen für die sonst auf diesem Weg transportierte Fracht gefunden werden müssen.

Marbach - Der globale Logistikmarkt erlebt derzeit turbulente Zeiten – nicht nur pandemiebedingt. Das bekommt auch der Marbacher Logistikdienstleister Egetrans an allen Ecken und Enden zu spüren. „Im Lauf der vergangenen Monate hat sich der Markt sehr stark verändert. Wir schaffen es zwar, unsere Kunden zu bedienen, aber der Aufwand ist brutal gestiegen. Man muss jeden Auftrag mehrfach in die Hand nehmen“, berichtet Geschäftsführer Marcel Steinmüller. Vor allem in den vergangenen Wochen habe sich die Lage zugespitzt. „Und ich sehe keine Entspannung“, sagt Steinmüller.

Eines der Hauptprobleme: Im Seefrachtmarkt haben sich die Ereignisse zuletzt überschlagen. Durch eine extreme Nachfrage nach Exporten der asiatischen Länder sind dort die Frachtraten stark gestiegen und haben die Reedereien veranlasst, jedes verfügbare Equipment – also quasi alle Leercontainer – dorthin zu verschiffen, um an den hohen Erlösen auf den Routen nach Europa und Nordamerika zu partizipieren. Dadurch sind in Europa die Verfügbarkeiten für Leercontainer drastisch gesunken, sodass diverse Carrier jetzt bereits bestätigte Buchungen stornieren und sowohl Spediteure als auch Verlader im Regen stehen.

„Auch die Frachtkapazität für den Seetransport kann nur als äußerst problematisch beschrieben werden. Die Schiffe sind bis Anfang März fast vollständig ausgebucht, kurzfristige Buchungen sind nur selten möglich“, erklärt Marcel Steinmüller. Die Reedereien helfen sich durch Einführung verschiedener Zuschläge, was allerdings nicht zu einer Verbesserung der Situation führt, sondern nur zur Ertragsoptimierung verwendet wird. „Letztlich ist es so: Wer am meisten zahlt, kriegt den Zuschlag. Und dabei sind die Preise eh schon explodiert. Vergangenes Jahr im März hat ein Container aus Asien beispielsweise 2000 US-Dollar gekostet, jetzt sind es 12 000 US-Dollar“, veranschaulicht der Egetrans-Geschäftsführer. Das Problem: Der Marbacher Logistikdienstleister hat zum Teil Verträge mit seinen Kunden geschlossen, die Preisbindungen vorsehen. „Doch nun flattern täglich E-Mails mit Zuschlägen und Preiserhöhungen herein.“ Bei manchen Geschäften lege man nun drauf. „Das ist aktuell wirklich ein Spagat“, so Marcel Steinmüller.

Zu den Problemen auf dem Seefrachtmarkt hinzu kommen wie etwa in den USA – Egetrans hat hier sein Kerngeschäft – die seit Jahren bekannten Engpässe an den Terminals beim Umschlag von Lkw, Bahn oder Binnenschiff auf das Seeschiff – verbunden mit Wartezeiten und dem Verpassen von Schiffsclosings und den geplanten Abfahrten. „Zuletzt hatten wir in den USA auch noch Verzögerungen wegen Unwetter und Schneestürmen. Außerdem gibt es schon immer zu wenig Lkw-Fahrer, was zur Folge hat, dass man nicht so schnell entladen kann, wie man sollte. Momentan stauen sich zum Beispiel um die 30 Containerschiffe vor Los Angeles“, berichtet er von der Lage. Die Container auf diesen wartenden Schiffen würden dann anderswo wiederum fehlen.

Weg vom Schiff, dafür ab in die Luft – auch das ist nicht so einfach wie gedacht. Denn die Flüge von Personenmaschinen, die vor der Pandemie circa 80 Prozent des weltweiten Luftfrachtvolumens transportiert haben, sind drastisch zurückgegangen. Die daraus resultierende Nachfrage nach Frachtmaschinen hat die Raten ebenfalls in die Höhe schnellen lassen. Da sich die Verantwortlichen bei Egetrans sicher sind, dass „die angespannte Lage im Bereich Seefracht in den kommenden Wochen weiteren Druck auf bereits knappe Luftfrachtkapazitäten ausüben wird“, hat man sich für einem ganz neuen Weg entschieden. Das Unternehmen chartert seit Dezember einmal in der Woche Passagiermaschinen vom Typ Airbus A350 oder Ähnliches von Lufthansa Cargo. Die üblicherweise mit bis zu 325 Sitzplätzen ausgestatteten Maschinen transportieren als sogenannte Prachter nun immer sonntags vor allem Guss- und Ersatzteile sowie Schwergut von Frankfurt nach Chicago. Pro Flug können so bis zu 40 Tonnen und 110 Kubikmeter Fracht transportiert werden – gelagert wird auch zwischen den Sitzen oder in den Gepäckfächern. Der erste Flieger hob am 6. Dezember mit 37 Tonnen Ladung ab und landete circa zehn Stunden später in Chicago O’Hare. Des Weiteren setzte Egetrans zuletzt auch noch auf Teilcharter-Flüge. „Alleine letzte Woche haben wir mehr als 200 Tonnen Luftfracht von verschiedenen europäischen Flughäfen aus nach Chicago verschoben“, berichtet Marcel Steinmüller.

Grenzschließungen, erhöhter Verwaltungsaufwand wegen Corona und benötigte Schnelltests für Lkw-Fahrer etwa erschweren die eh schon angespannte Lage immer weiter. „Wir schauen mit Sorge auf das Ganze“, sagt Marcel Steinmüller. Sicher ist: Er und sein Team können sich auf weitere turbulente Zeiten im Logistikmarkt einstellen.