Rainer Wieland ist seit 1993 Kreisvorsitzender der CDU Ludwigsburg. Foto: Felix Kindermann

Rainer Wieland nimmt in seinem Vortrag im Rahmen des Marbacher Forum Zeitgeschehen ganz aktuell Bezug zur neuen Regierung in Deutschland.

Marbach - Für den Vortrag des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Rainer Wieland, könnte der Zeitpunkt nicht besser gewählt sein: Endlich kommt die Regierungsbildung in Deutschland in Gang, die Parteien haben der Großen Koalition zugestimmt. „Ja, ich werde bei meinem Vortrag auch den neuen Koalitionsvertrag in diese Richtung abklopfen“, bestätigt der engagierte Politiker, „und auch die Regierungserklärung, die zwei Tage vor der Veranstaltung von der neu gewählten Bundeskanzlerin verlesen wird“.

Der Vortrag des engagierten Europapolitikers findet im Rahmen des Marbacher Forums Zeitgeschehen unter dem Motto „Europa – wohin?“ in der Marbacher Stadthalle statt, sozusagen als Schlussvortrag einer ganzen Reihe von Veranstaltungen rund um dieses Thema. Organisiert hat diese informative Reihe ein ehrenamtliches Planungsteam zusammen mit der Schiller-Volkshochschule.

Rainer Wieland hat Rechtswissenschaften studiert und ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Stuttgart. Seit 1993 ist er auch Kreisvorsitzender der CDU Ludwigsburg und darüber hinaus in etlichen Ausschüssen und Vereinen vertreten. Dass ihm das Thema Europa besonders am Herzen liegt, ist daran erkennbar, dass er seit 2011 auch Präsident der überparteilichen Europa-Union Deutschland ist. „Frau Merkel wird in Europa als Anker begriffen“, sagt er weiter. Und zwar unabhängig davon, wie man finde, was sie macht. „Wenn alles immer unsicherer wird, aktuell verstärkt durch die Wahlen in Italien, ist es vielen wichtig, eine berechenbare und verlässliche Kraft zu haben.“ Und diese Verlässlichkeit sei schon ein Wert an sich. Die meisten Leute würden sich gerne an langen Linien orientieren. Zusätzlichen Rückenwind sieht Rainer Wieland auch in den „Szenarien für die Zukunft Europas“, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im vergangenen Jahr veröffentlicht habe.

„Erst habe ich diesen Aufschlag als mutlos empfunden“, erinnert sich der EU-Experte. „Doch nach einer Weile und anhand verschiedener Resonanzen habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, über solch verschiedene Szenarien nachzudenken.“ Insgesamt fünf verschiedene Szenarien habe Juncker darin aufgezeigt. Und hier sei Wieland ein Anhänger des „Fünf plus drei“. Denn zum fünften Szenario namens „Mehr Europa“, dürften seiner Meinung nach nicht alle Partner auf allen Feldern bereit sein. In diesen Fällen biete das dritte Szenario solchen Ländern, die gemeinsam mehr machen möchten, die Möglichkeit, auch genau das zu tun. „Das bedeutet ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, fasst Wieland zusammen. Aber das sei nichts „furchterregend Neues“, denn auch der Euro oder „Schengen“ seien ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Die einen Länder hätten bereits den Euro als Landeswährung, oder gehören zum Schengen-Raum und die anderen eben nicht. Ein Problem der EU sei: „Wenn die Sonne scheint, klopfen sich die ‚local heroes’ gerne auf die Schulter.“ Wenn sie in Krisen jedoch daran erinnert werden, dass manche Probleme nicht allein gelöst werden können, wird der Schwarze Peter gerne nach Europa geschoben.

„Deshalb sind Brexit oder ähnliche Entwicklungen eher Zeiten des Aufbruchs in der EU“, sagt Rainer Wieland. Und: „Reformunfähigkeit führt zu Stillstand, den der Volksmund völlig richtig als Rückschritt bezeichnet.“