Seit Jahrzehnten wird bei Rielingshausen Gestein abgebaut. Viele Bürger finden, dass bald ein Schlussstrich gezogen werden müsste. Foto: Werner Kuhnle

Seit langem wird bei Rielingshausen Gestein abgebaut. Zeit für das Ende, keine Erweiterung, finden einige.

Marbach-Rielingshausen - Eine Fläche für die Erweiterung des Steinbruchs wurde der Firma Klöpfer bereits genehmigt. Weitere, derzeit im Raum stehende Expansionspläne will eine Bürgerinitiative aber nicht mehr klaglos hinnehmen. Die Sprecher Carmen Kiesele und Stefan Heß sowie Peter Zeh aus dem Kernteam erläutern, warum ihnen das Vorhaben gegen den Strich geht und was sie dagegen unternehmen wollen.

Vor etwas mehr als einer Woche haben Sie eine Bürgerinitiative gegen die Erweiterung des Steinbruchs in Rielingshausen aus der Taufe gehoben. War das eine eher spontane Entscheidung oder schon lange geplant?
Kiesele: Tatsache ist zunächst einmal, dass wir hier im Gebiet östlich der Kirchberger Straße und im alten Teil von Rielingshausen die Auswirkungen am intensivsten spüren. Wir sind mit am nächsten dran. Der Staub, der ganz Rielingshausen betrifft, ist nicht immer direkt wahrnehmbar im Gegensatz zu dem, was die Leute bei Sprengungen spüren. In Gesprächen, die wir geführt haben, merkten wir dann schnell, dass die Beeinträchtigungen auch in den übrigen Ortsteilen kritisch wahrgenommen werden. Somit geht es um die Erhaltung der Lebensqualität von ganz Rielingshausen. Die Bürger sind genauso erstaunt wie wir, dass jetzt eine zusätzliche Erweiterung beantragt werden soll.
Heß: Die Initialzündung war dann gewissermaßen, dass wir eine Ankündigung zu der Informationsveranstaltung gelesen haben, die auf den 23. Oktober in der Gemeindehalle terminiert war. Wir haben auf der Homepage des Verbands Region Stuttgart recherchiert. Da war uns klar, dass eine Erweiterung angestrebt wird.
Wann wurde Ihnen bewusst, in welchem Ausmaß der Steinbruch sich ausdehnen soll?
Kiesele: Wenn man sich bei den Leuten umhörte, hieß es: Der Klöpfer will bis zur Kirchberger Straße vor. Das hat sich bei der Infoveranstaltung auch bestätigt.
Der Entschluss, eine Bürgerinitiative zu gründen, stand aber bereits vorher fest?
Heß: Ich bin schon lange Rielingshäuser. Insofern kennt man die Stimmen im Ort und weiß, dass die Beeinträchtigung durch den Steinbruch viele Bürger beschäftigt. Nachdem uns die Dimensionen klar waren und unsere Nachforschungen ergeben hatten, wie konkret das alles schon ist, war uns wichtig, im Vorfeld auf die Infoveranstaltung hinzuweisen, damit möglichst viele Rielingshäuser wissen, was Sache ist. Mit über 300 interessierten Besuchern haben wir aber auch nicht gerechnet.
Kiesele: Und kurz vor dem Abend sind wir zu der Überzeugung gelangt, eine Bürgerinitiative aus der Taufe heben zu wollen. Deshalb haben wir auch eine Liste für E-Mail-Adressen ausgelegt. Dort konnte sich jeder eintragen, der über die anstehende Gründung informiert werden wollte. Das Kernteam, das gesagt hat „wir wollen aktiv werden“, bestand aus 15 Personen.
Heß: Wobei wir auch sagen müssen: Die genehmigte Fläche steht für uns nicht zur Disposition.
Kiesele: Die ist genehmigt, ob uns das gefällt – oder nicht. Die neuerlichen Expansionspläne haben uns verwundert. Jetzt ist es so, dass wir am Anfang eines neuen Verfahrens stehen. Und immer mehr Rielingshäuser wollen die Chance nutzen, in dem Rahmen angehört zu werden.
Was ist denn so schlimm daran, dass der Steinbruch erweitert werden soll?
Heß: Wir befürchten eine steigende Lärmbelastung. Die Belastung ist jetzt schon da und wird in den nächsten Jahren noch zunehmen aufgrund der bereits genehmigten zusätzlichen Abbaufläche. Der Lärm ist morgens ab 6 Uhr hörbar. Und zwar nicht nur hier, sondern auch auf dem Pausenhof der Grundschule und nahe der Kirche.
Was verursacht den Lärm? Die Sprengungen oder die Lastwagen, die die Firma einsetzt? Oder der Vorbrecher, der im Steinbruch benötigt wird?
Heß: Es ist alles drei. Das Rückwärtsfahren der Lastwagen.
Kiesele: Da hört man immer das Piepsen.
Heß: Dann natürlich, wie die Steine auf dem Förderband laufen. Die Lastwagen, die den Abtransport erledigen. Der Vorbrecher, der für die Verkleinerung eingesetzt wird. Dazu kommt der Staub. Das nehmen wir wahr, das nehmen Spaziergänger wahr. Speziell nach Sprengungen ist über dem Steinbruch eine Staubwolke sichtbar. Durch Luftbewegungen wird der Staub auch im Ort verteilt. Durch eine neue Fläche wird das näher Richtung Rielingshausen rücken. Das ist logisch.
Kiesele: Und wenn man sich vorstellt, wie nahe die Grundschule ist, wo die Kinder in jeder Pause draußen sind, sich bewegen und tief einatmen, dann frage ich mich schon: Muss das sein?
Die Verantwortlichen der Firma Klöpfer beteuern, dass keine Gesundheitsgefahren bestehen.
Heß: Staub ist nie gesund. Und er ist da. Jeder weiß, dass Feinstaub Asthma und Allergien begünstigt. An die Tatsache, dass die Möbel auf der Terrasse ständig gesäubert werden müssen, haben wir uns schon gewöhnt.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Sprengungen gemacht?
Kiesele: Manchmal sind die Erschütterungen einmal pro Woche wahrnehmbar, manchmal auch gar nicht. Wobei wir natürlich nicht wissen, ob dann schlicht nicht gesprengt wird oder das Ganze in einer Erdschicht geschieht, die die Erschütterung nicht weiterträgt. Mein Schrank samt Geschirr hat schon oft gewackelt.
Heß: In meiner Kindheit wurde die Hauptstraße nach Marbach wegen Sprengungen gesperrt – keine schöne Erinnerung.
Was ist denn am schlimmsten: der Lärm, der Staub oder die Erschütterungen?
Kiesele: Es ist die Kombination aus all dem. Und wir kriegen ja das eine nicht ohne das andere. Das kommt im Paket. Wenn auf der genehmigten Fläche erst abgebaut wird, wird es noch schlimmer. Und mit besagter Fläche ist die Stadt dem Steinbruch-Betreiber vor Jahren schon entgegengekommen. Wenn von dem Unternehmen jetzt wieder ein Kompromiss gefordert wird, erscheint uns das in Anbetracht der Historie verwunderlich.
Die Frage ist nur: Wie wollen Sie die Pläne stoppen? Das letzte Wort hat die Region.
Kiesele: Wir sprechen von einer anderen, größeren Fläche, die ein anderes Genehmigungsverfahren nach sich zieht. Klöpfer bewegt sich nun über der Zehn-Hektar-Grenze. Hierbei ist es zwingend erforderlich, dass die Öffentlichkeit einbezogen wird. Und wenn der Ortschaftsrat eine entsprechende Stellungnahme abgibt und der Gemeinderat dieser folgt, so ist es absolut realistisch, die Pläne zu stoppen.
Heß: So geschehen zum Beispiel in Weiler zum Stein. Dort ist der Steinbruch nicht mehr aktiv. Auch haben wir eine E-Mail aus Mundelsheim erhalten, die uns Mut zuspricht. Die Bürger haben dort erreicht, dass ein Steinbruch-Projekt verändert wurde.
Kiesele: Und was das Verfahren angeht: Ja, der Verband Region Stuttgart hat das Hoheitsrecht. Aber er hört die Kommune an. Das heißt: Der Ortschaftsrat ist nun am Zug. Und wir finden, dass diese Entscheidung so weitreichend ist, dass sie möglicherweise nicht in einer einzigen Sitzung getroffen werden kann.
Heß: Unser Ansinnen ist, mit dem Ortschaftsrat, aber auch dem Gemeinderat ins Gespräch zu kommen.
Kiesele: Wir sehen durchaus eine Aufgeschlossenheit. Bürgermeister Jan Trost hat uns in Aussicht gestellt, die Gemeinderatssitzung, in der das Thema behandelt werden soll, in Rielingshausen stattfinden zu lassen – sofern das möglich ist. Außerdem hat er einen Runden Tisch zugesagt, für den jetzt nur noch ein Termin gefunden werden muss.
Sie wollen also die Räte davon überzeugen, sich gegen das Projekt auszusprechen?
Heß: Wir wollen schildern, wie die Situation ist. Am Ende herrscht natürlich das Recht auf freie Meinungsbildung.
Kiesele: Tatsache ist jedenfalls, dass wir einen hohen Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren. Fast 200 Leute stehen in direktem Kontakt mit uns.
Heß: Das Spektrum der Mitwirkenden ist groß. Einige leben schon lange hier, andere erst seit kurzem.
Kiesele: Manche leben in der Nähe des Steinbruchs, andere weiter weg. Das ist völlig unterschiedlich und zeigt, wie wichtig den Leuten das Thema ist.
Heß: Die Tragweite für Rielingshausen ist so hoch, dass nichts übers Knie gebrochen werden sollte. Denken Sie beispielsweise an die Werte der Häuser und Grundstücke. Für viele eine Altersvorsorge, die bei einem solchen Projekt schrumpfen wird.
Zeh: Im alten Teil von Rielingshausen gibt es Anwohner, die massive Schäden an ihren Häusern beklagen. Das wurde ja auch bei der Versammlung mehrfach geäußert. Oder denken Sie an das evangelische Gemeindehaus. Das ist gerade einmal zehn Jahre alt und hat schon heftige Risse.
Kiesele: Das Schotterwerk betont, und das glauben wir auch, dass die Grenzwerte eingehalten werden und meist nur zehn Prozent des erlaubten Rahmens tatsächlich ausgeschöpft werden. Ich möchte mir dann aber nicht vorstellen, was passiert, wenn der Steinbruch näher an die Siedlung rückt und vielleicht 90 Prozent des Erlaubten erreicht werden. Ich muss kein Mathematiker oder Physiker sein, um zu wissen, dass dann alles noch intensiver wird. Das passt auch nicht zum Anspruch vieler Bürger, dass Rielingshausen attraktiv und gesund bleiben muss.
Stichwort junge Familien am Ort.
Kiesele: Genau. Es braucht Kinder, damit der Erhalt der Grundschule in Rielingshausen gesichert ist.
Heß: Es braucht auch Nahversorgung. Ob sich hier ein Discounter niederlässt oder nicht, hängt von der Bevölkerungszahl ab. Ein Markt-Betreiber überlegt sich vor einer Ansiedlung ganz genau, wie sich so ein Ort entwickeln wird.
Kiesele: Deshalb habe ich vorher darauf hingewiesen, dass wir vor einer weitreichenden Entscheidung stehen, die gut bedacht sein will. Die Steinbruch-Erweiterung würde Rielingshausen definitiv unattraktiver machen, aber auch eingrenzen, was die Ausweisung möglicher Neubaugebiete anbelangt.
Zeh: Rielingshausen kann sich praktisch nur noch Richtung Steinbruch erweitern. Nach innenörtlichem Potenzial zu suchen, ist gut, reicht aber nicht.
Heß: Nicht umsonst ist im Flächennutzungsplan ein Neubaugebiet an der Kirchberger Straße vorgesehen. Vergessen darf man in der Diskussion auch nicht den Umstand, dass der Bereich um den Steinbruch ein Naherholungsgebiet ist.
Zeh: Eine Krötenwanderung ist schon jetzt praktisch kaum noch existent. Früher haben wir eimerweise Kröten eingesammelt, damit sie nicht überfahren werden. Inzwischen trifft man vielleicht noch auf zwei oder drei Stück. Feuersalamander sind so gut wie nicht mehr sichtbar.
Kiesele: Pflanzen sind mit einer weißen Kalkschicht übertüncht.
Zeh: Viele schneiden ihre Bäume in der Gegend schon gar nicht mehr, weil sie sagen: Die Früchte kannst Du sowieso nicht mehr holen. Teilweise wächst auch gar nichts, weil die Blüten verstaubt sind.
Die Firma Klöpfer hat bei der Infoveranstaltung in der Gemeindehalle jedoch auch darauf hingewiesen, dass sie sich am Ort engagiert, beispielsweise für die Handballer. Sehen Sie die Gefahr, dass dieser Einsatz zurückgefahren werden könnte, wenn sich die Pläne des Unternehmens zerschlagen?
Kiesele: Wir würden es jedenfalls komisch finden, wenn die Firma Klöpfer auf die betreffenden Vereine zugehen und das Sponsoring infrage stellen würde. Das wäre für uns ein Zeichen, dass Herrn Klöpfer bislang weniger das soziale Interesse am Herzen lag, als vielmehr wirtschaftliche Interessen hinter dem Engagement stecken.
Heß: Sagen wir es mal so: Ich denke, darauf ist bei der Versammlung nicht ohne Hintergedanken verwiesen worden.
Wie wollen Sie denn auf all diese Dinge und Ihre Interessen künftig aufmerksam machen?
Heß: Wir haben beantragt, einen Stand auf dem Marbacher Wochenmarkt am Samstag, 11. November, zu bekommen. Ich glaube, es ist wichtig, auch dort zu informieren. Wir werden zudem mit Bannern aufklären.
Kiesele: Zusätzlich haben wir eine Homepage – www.buergergegensteinbruch.de – und sind über buerger.gegen.steinbruch@gmail.com zu erreichen.
Zeh: Die Mitglieder werden darüber hinaus regelmäßig auf dem Laufenden gehalten, denn wir wollen die Lebensqualität von Rielingshausen und den Wert von Häusern und Grund erhalten.