Die Stadt hat alle Vorgaben erfüllt und will sich nun um das Siegel bewerben.

Marbach - Mit Feuereifer und viel Herzblut wurde von verschiedenen Seiten in den vergangenen Monaten in Marbach darauf hingearbeitet, die Voraussetzungen für den Titel einer Fairtrade-Town zu erfüllen. Zuletzt fehlte im Grunde nur noch ein kleiner Baustein, um die Unterlagen einreichen zu können: ein offizieller Beschluss der Bürgervertreter, dieses Siegel tatsächlich anstreben zu wollen. Doch auch dieses Kriterium kann seit Donnerstag so gut wie abgehakt werden. Da empfahl der Verwaltungsausschuss dem Gesamtgemeinderat nämlich, sich um die Auszeichnung zu bewerben.

Trotz des generellen Rückhalts für das Vorhaben mahnten einige in der Runde an, die Sache auch kritisch zu begleiten. „Wir müssen aufpassen, dass Fairtrade zu keinem Wohlfühlthema wird, zum Ablasshandel an der Kasse. Man zahlt da ein paar Cent mehr und schon hat man sich für eine faire Welt engagiert“, betonte Sebastian Engelmann von den Grünen. In den Köpfen der Bürger müsse stattdessen verankert sein, dass wirklich fair gehandelte Ware substanziell teurer ist, damit beim Arbeiter am Ende der Produktionskette auch etwas ankomme. Damit setzte Engelmann zugleich ein dickes Fragezeichen hinter manche Produkte bei Discountern mit einem Fairtrade-Siegel, die günstiger als konventionelle seien.

Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern sah ebenfalls auch die Kehrseite der Medaille. Es fühle sich vielleicht gut an, Schokolade und Co. mit einem entsprechenden Zertifikat in den Einkaufswagen zu legen. Doch stelle sich immer die Frage, was letztendlich bei den Arbeitern hängenbleibe, wenn große, gemeinnützige Organisationen mit ihrem ganzen Verwaltungsapparat dazwischengeschaltet seien. Michael Herzog bezweifelte zudem, dass man mit einem Fair-Trade-Label den Kern des Übels beseitigen und ungerechte Produktionsverhältnisse wird aufheben können. Das müsse auf politischer Ebene angepackt werden. „Vom Grundgedanken ist das aber zweifelsohne eine gute Sache“, betonte er. Überdies sei das Engagement in Marbach für das Thema so groß, dass man der Bewerbung keine Steine in den Weg legen wolle. Auch Sebastian Engelmann gab dem Ansinnen seinen Segen, weil es in den vergangenen Monaten schon „nachweisbar gelungen“ sei, das Bewusstsein für die Angelegenheit zu schärfen.

Heinz Reichert von der SPD betonte in die Richtung von Michael Herzog, dass es doch nicht schaden könne, das Projekt zu unterstützen. „Das kann nur Positives bringen. Und die Grundlagen sind schon geschaffen worden“, sagte er. „Das ist nur positiv zu beurteilen, ohne jede Skepsis“, vertrat Ulrich Frech von der CDU einen ähnlichen Standpunkt. Selbstverständlich könne man mit diesem Schritt nicht den Handel auf der gesamten Welt gerechter machen – aber doch das Bewusstsein dafür im Mikrokosmos Marbach fördern. Zumal die Auszeichnung zur Fairtrade-Town nicht das Ziel, sondern der Startschuss für ein weiterreichendes Engagement sein solle, wie Hendrik Lüdke von Puls hervorhob. Ferner werde man so der „sozialen und ökologischen Verantwortung für die Mitwelt und den Menschen gerecht“.

Mit einer Entscheidung gegen die Beantragung des Labels hätten die Räte vermutlich auch einer ganzen Menge von Menschen vor den Kopf gestoßen, die sich für die Sache engagieren. So berichtete Andrea von Smercek, die das Projekt für die Stadt betreut, dass sich eine zehnköpfige Steuerungsgruppe regelmäßig trifft, um die Fair-Trade-Aktivitäten zu koordinieren. Das Friedrich-Schiller-Gymnasium, die Kirchen und das Elternforum als Vertreter der Zivilgesellschaft würden sich mit eigenen Initiativen beteiligen. Ferner gebe es Händler und Gastronomen in der Stadt, die Produkte aus gerechter Herstellung anbieten. Die einzelnen Aktionen würden von den Medien auch begleitet. All das sind zusammen mit dem Ratsbeschluss zugleich die Vorgaben, die für den Titel einer Fairtrade-Town nachgewiesen werden müssen – und seit der Sitzung am Donnerstag auch nachgewiesen werden können.