Auf das Jubiläum der Stadtkirche samt dem Konzert stießen der Dekan Eckehard Graf, der Orgelvirtuose Jan Doležel und der Kirchenmusikdirektor Hermann Toursel (von links) an. Foto: avanti

Besucher in der Stadtkirche konnten mit Jan Doležel ein Jubiläums-Konzert genießen.

Marbach - Lediglich halb gefüllt haben die Besucher die Stadtkirche, die am frühen Sonntagabend kühlender Ort und akustisches Labsal zugleich war. Denn vor der Hitze entflohen, lud das Kirchenschiff die Zuhörer alsbald zu einem entzückenden Orgelerlebnis mit Jan Doležel ein. Der in Pilsen geborene Organist zeigte in Marbach einmal mehr seine meisterliche Fähigkeit, das Instrument – in diesem Fall die Lieb-Orgel – zum Erstrahlen zu bringen. Schön ist in der Stadtkirche, dass der „Arbeitsplatz“ des Organisten, gut sichtbar für das Publikum, in dessen Blickrichtung liegt und nicht wie so häufig im Rücken und hoch droben. Jan Doležel hat sich in der Schillerstadt bereits einen Namen gemacht, weil er schon mehrfach den Marbacher Orgelsommer durch sein konzertantes Geschick in der Alexanderkirche begleitet hat.

In der Stadtkirche hüpfte der Tastenmagier – kompositorisch betrachtet – durch sieben Jahrhunderte und spiegelte dadurch das 700-Jahr-Jubiläum des Gotteshauses auch musikalisch wieder. Dem Anlass entsprechend hatte sich der Musiker zum Programmeinstieg für ein flott-akzentuiertes Stück entschieden, das gute Laune machte. Robertsbridge Codes „Estampie“ aus dem Jahr 1330 lud mit seiner fröhlich-hüpfenden Musiksprache quasi zum mittelalterlichen Tanz ein und machte Appetit auf mehr. Und schon mit dem zweiten Stück, dem „Praeambulum super“ von Adam Ileborgh von Stendal, wurde Doležel seinem Ruf erneut gerecht: nämlich sich bei seinen Auftritten besonders gern „Aufführungen von aussagekräftigen und wenig gespielten Kompositionen“ zuzuwenden. Sowohl die Namen der Komponisten als auch die Werke selbst dürften bei den meisten Zuhörern zum ersten Mal ins Ohr gedrungen sein. Ebenfalls ein charakteristisches Markenzeichen: die stimmungsvolle Dramaturgie bei der Auswahl der Werke. So konnten sich die Zuhörer mit Werken von Johann Ulrich Steigleders „Tabulator Buch“, Bach, Mendelssohn-Bartholdy, Heinrich Kaminski oder Codex Faenzas „Kyrie“ ganz tief in den Genuss des faszinierenden Orgelklanges, der sich durch das akribisch-sensible Herausarbeiten sämtlicher Farben und Schattierungen kennzeichnet, hineinfallen lassen.

Gut gewählt auch die abschließende Darbietung: Thomas Tallis „Felix namque“ zeigte sich als berauschender Höhepunkt, der nicht nur die Besucher fasziniert auf das Treiben des Organisten blicken ließ. Doležel selbst machte bei seinem gestaltungsreichen, furiosen Spiel den Eindruck, als verschenke er seine Seele an die triumphal aufspielende Orgel.

Um sich über das Erlebte austauschen zu können und das Jubiläum zu würdigen, wurden die Besucher im Anschluss an das Konzert zum Sektempfang gebeten. Die passenden Jubiläums-Sektgläser hat – wie auch den neuen Kirchenführer, der viel Interessantes und Wissenswertes über die Stadtkirche bereithält – Dr. Albrecht Schick gespendet. Seiner Inspiration und der tatkräftigen Umsetzung von Eberhard Hubrig ist es zu verdanken, dass die Gästeschar auch eine liebevoll bestückte Präsentation über „Kräuter und Gewürze in der Bibel“ zu sehen bekam.