Rettungskräfte im Einsatz haben stets Vorfahrt. Doch auch sie müssen einige Regeln beachten.
Marbach/Bottwartal - Der Vorfall am Fußgängerüberweg Cottaplatz Montag vergangener Woche scheint geklärt zu sein. Ein „wenige Meter vor mir ohrenbetäubend lautes Martinshorn“ habe sie so sehr erschreckt, schrieb Elke R. Evert in einem Leserbrief, dass sie in Panik auf dem Fußgängerüberweg, den sie bei Grün überqueren wollte, wieder umdrehte.
Der Bereichsleiter Rotkreuz-Dienste beim DRK-Kreisverband Steffen Schassberger hat sich des Vorfalls angenommen. „Der Rettungswagen war unterwegs zum Brand in der Ölmühle.“ Die Besatzung des Rettungswagens habe bereits vor dem Einfahren in die Ochsen-Kreuzung das Martinshorn aktiviert gehabt. „Sonst hätten wir die Sonder- und Wegerechte gar nicht gehabt und hätten uns wie jeder andere Verkehrsteilnehmer verhalten müssen“, stellt der erfahrene DRKler fest.
Das Fahren eines Einsatzfahrzeuges bedeutet Stress
Fahrer und Assistent haben den Vorfall nicht so wahrgenommen, wie von der Leserbriefschreiberin geschildert. „Wenn ein falscher Eindruck entstanden sein sollte, tut es den Einsatzkräften leid“, betont Schassberger, der im persönlichen Gespräch einiges aufklären konnte. Insbesondere der Vorwurf, man habe das Martinshorn absichtlich spät eingeschaltet und sei „feixend“ an der erschrockenen Fußgängerin vorbeigefahren, weist Schassberger klar zurück. „Sowas läuft nicht, dazu sind meine Kollegen viel zu professionell. Das Fahren eines Einsatzfahrzeuges ist kein Spaß, sondern purer Stress.“ Nur bei Gefahr für Leib und Leben sei es erlaubt, mit Blaulicht und Signalhorn zum Einsatz zu fahren. „Im Prinzip könnten wir schon ab der Rettungswache mit vollem Signal fahren, es ist also eher Rücksichtnahme, das Martinshorn nicht immer anzuhaben.“ In der Regel schalten die Fahrer das Horn vor jeder Kreuzung an, um die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen.
Das Wegerecht beim Blaulicht und Martinshorn, das neben den Rettungsdiensten auch Polizei, Feuerwehren und der Katastrophenschutz haben, bedeute, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn schaffen müssen. Laute Musik im Auto oder Ohrstöpsel beim Radfahren oder Joggen sollte man daher möglichst vermeiden, um ein Einsatzfahrzeug orten zu können. Der Bereichsleiter appelliert auch bei Stau, eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge frei zu halten. Sollte trotz aller Umsicht etwas passieren, greift die Amtshaftung, weil das Fahren eines Rettungsfahrzeuges im Einsatz eine hoheitliche Aufgabe ist. Der Fahrer haftet nicht persönlich, nur falls grobe Fahrlässigkeit vorliegen sollte.
Verständnis für den Unmut mancher Anwohner
Von brenzligen Situationen weiß der Benninger Feuerwehrkommandant Alexander Esssig bei den Einsätzen im dicht bebauten Ortskern zu berichten. „Wir erleben regelmäßig, dass es trotz Blaulicht und Martinshorn schwierig ist, die Verkehrsteilnehmer vorzuwarnen. Die Sirene geht kaum um die Ecke rum.“ Dabei hat die Umsicht immer Vorrang. „Wir fahren auch im Einsatzfall langsam über die Kreuzung, aber es ist wichtig, dass man uns Platz macht und nicht den Fahrweg vor lauter Panik blockiert.“ Essig hat gewisses Verständnis für den Unmut mancher Anwohner, die sich immer wieder über nächtliches Sirenengeheul beschweren. „Aber es geht halt um Menschenleben, da kann ich nicht das Signalhorn auslassen oder einen Umweg fahren.“ Nähert sich ein Einsatzfahrzeug, rät Essig, solle man möglichst schnell rechts ranfahren, aber nicht abrupt abbremsen. „Wir erleben manchmal aberwitzige Reaktionen. Da fahren wir mit 14 Tonnen den Dengelberg rauf, und die Autofahrer halten schlagartig an. Da steigen wir erst mal in die Eisen und müssen schauen, dass wir wieder in Schwung kommen.“