Wer sitzt künftig auf dem Stuhl im Landratsamt? Foto: factum/Andreas Weise

Was den Posten eines Kreischefs so mächtig macht, ist wenig bekannt.

Ludwigsburg - Er ist der Vertreter von 545 000 Einwohnern, der Chef von rund 2000 Mitarbeitern, Anführer des Kreistags und als Manager in diversen Verbänden gefragt: der Landrat. Sein Bekanntheitsgrad entspricht allerdings in keiner Weise seiner Bedeutung. Viele wissen gar nicht, was ein Landrat genau macht. Bevor an diesem Freitag der neue Chef des Landkreis Ludwigsburg gewählt wird, hier Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was schafft ein Landrat?

Im Gegensatz zu einem Bürger- oder Oberbürgermeister ist der Landrat viel weniger bei den Bürgern des Kreises bekannt. Was daran liegt, dass er in der Regel keine öffentlichen Auftritte in den Kommunen hat. Am bekanntesten dürfte der amtierende Landrat Rainer Haas in Markgröningen sein: Dort eröffnet der Landrat jedes Jahr – mit einem ziemlich langen Gedicht – den Schäferlauf. Aber natürlich schafft ein Landrat sehr viel mehr: Er ist zum einen der gesetzliche Vertreter des Landkreises und zum anderen der Chef der unteren Verwaltungsbehörde. Was extrem trocken klingt, ist extrem vielschichtig: In dieser Doppelfunktion ist der Landrat der verlängerte Arm der Kommunen, für die er Aufgaben übernimmt, die nicht jeder Ort selbst vorhalten kann. Und der Landrat ist der verlängerte Arm des Staates, wenn der Aufgaben an die Kreise delegiert. Ein Landrat wird deshalb auch als Januskopf bezeichnet. Allerdings schaut er nicht nach vorn und hinten, sondern nach oben und unten.

Warum braucht es das Amt?

Wenn es das Landratsamt nicht gäbe und damit auch keinen Landrat, wäre vieles sehr viel komplizierter, wenn nicht sogar unmöglich. Der öffentliche Personennahverkehr zum Beispiel: Busse – und im Kreis Ludwigsburg irgendwann vielleicht auch mal eine Stadtbahn – verkehren über Gemeindegrenzen hinweg. Da braucht es eine Instanz, die den ÖPNV verantwortet. Auch Krankenhäuser sind nur sinnvoll, wenn sie für Patienten aus mehr als einer Kommune zuständig sein können; dasselbe Prinzip bei Berufsschulen oder der Abfallentsorgung. Bei solchen Aufgaben erweist sich das Landratsamt als der große Bruder der Kommunen – die sich über die Kreisumlage an der Finanzierung beteiligen.Wenn der Staat wiederum in jedem Ort eines Kreises eine Führerscheinstelle unterhalten müsste oder ein Sozialamt oder ein Gesundheitsamt, wäre das reichlich ineffizient. Für Aufgaben wie diese erweist sich das Landratsamt als der kleine Bruder des Staates.

Kann ein Landrat etwas bewirken?

Außenstehende glauben oft, der Posten des Landrats sei die eines Verwalters. Der Chef des Landkreises kann zum Beispiel nicht einfach Immobilien bauen lassen, um die Wohnungsnot zu lindern, oder anordnen, dass eine Biogasanlage zu entstehen hat. Abgesehen davon, dass der Kreistag solchen Vorhaben zustimmen müsste, kann der Landrat nicht Kommunen ins Handwerk pfuschen. Trotzdem: Der Landrat kann ein großer Gestalter sein. Er kann maßgeblich beeinflussen, wie das Gesundheitswesen im Kreis aussieht: Wie viele Kliniken gibt es? Was bieten sie? Wie sind sie ausgestattet? Oder die Digitalisierung: Auf Initiative des Landrats wurde Anfang dieses Jahres der Zweckverband Kreisbreitband gegründet. Dieser soll den flächendeckenden Ausbau mit Glasfaserverbindungen organisieren. Auch bei den Preisen für Bus-und Bahnfahrten im VVS spricht der Landrat mit. Aktuell zum Beispiel streiten sich Rainer Haas und seine Amtskollegen in der Region mit dem Land um die Erhöhung der Fahrpreise im nächsten April. Und dies sind nur ein paar Beispiele von vielen möglichen. „Die Kompetenzfülle ist einzigartig“, sagt Alexis Komorowski, der Hauptgeschäftsführer des baden-württembergisches Landkreistages über die Position des Landrats.

Wie sollte ein Landrat sein?

Der Noch-Landrat Rainer Haas hat die Antwort darauf mal so formuliert: „Man darf eben nicht mimosenhaft sein.“ Tatsächlich kann es, wenn ein Landrat richtig öffentlich in Erscheinung tritt, ziemlich ungemütlich werden – für ihn. Für Haas war das zuletzt der Fall, als es 2015 um die Schließung der Klinik in Vaihingen ging – und viele Bürger protestierten. Sein Esslinger Kollege Heinz Eininger wiederum hatte 2014 einen bundesweit beachteten Rüffel von Ministerpräsident Kretschmann auszuhalten, weil Eininger eine für seine Asylstelle schier nicht bewältigbare Zahl an Flüchtlingen beklagt hatte. Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts verloren – das aber ist leichter gesagt als getan. Im Oktober erst trat der Landrat von Hameln-Pyrmont zurück. Bei Tjark Bartels hatte der Missbrauchsfall von Lüdge ein Burn-Out ausgelöst. Wegen der Fehler seines Jugendamts war der Landrat heftig kritisiert worden.

Wer kann Landrat werden?

Die formalen Voraussetzungen, die in der Landkreisordnung für Baden-Württemberg geregelt sind, klingen schlicht: Bewerber müssen Deutsche sein, am Wahltag das 30., aber noch nicht das 68. Lebensjahr vollendet haben und das Grundgesetz vertreten. De facto scheint ein Jurastudium eine gute Voraussetzung für das Amt zu sein: 26 der 35 Landräte in Baden-Württemberg haben eine juristische Ausbildung. Außerdem scheint es von Vorteil, CDU-Mitglied zu sein und männlich: 18 der 35 Kreischefs stellt die Union (drei die Freien Wähler, 14 sind parteilos); und nur drei Landratsämter haben eine Frau als Chefin. Daran wird sich mit der Wahl am morgigen Freitag nichts ändern: Um die Nachfolge des parteilosen Juristen Rainer Haas bewerben sich vier Männer.

Was verdient ein Landrat?

Die Höhe der Besoldung richtet sich nach der Einwohnerzahl des Landkreises. In Ludwigsburg ist das Amt in der Besoldungsgruppe B 8 eingruppiert, das bedeutet ein Grundgehalt von 10 935 Euro. Zusätzlich erhalten Landräte eine steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung von 13,5 Prozent des Grundgehalts.

Wie läuft die Wahl ab?

Anders als in fast allen Bundesländern wird der Landrat in Baden-Württemberg nicht vom Volk gewählt, sondern vom Kreistag. In Ludwigsburg hat er 105 Mitglieder, an diesem Freitag dürfen aber nur 103 abstimmen. Die Kreisräte Dietmar Allgaier (CDU) und Gerd Maisch (Freie Wähler) haben als Bewerber kein Stimmrecht. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigt. Da auch Christoph Erdmenger (Grüne) und der parteilose Heiner Pfrommer kandidieren, gilt die Wahl als sehr spannend, da keiner weiß, wie sich die Stimmen verteilen. Wird die nötige Mehrheit nicht im ersten Wahlgang erreicht, folgt ein zweiter Wahlgang – und gegebenenfalls ein dritter. Dann gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen. Bei einem eventuellen Patt entscheidet das Los.