Schön voll: Die Ludwigsburger Fußgängerzone. Normal ist allerdings noch nichts. Die Umsätze sind im Keller, die Stimmung der Unternehmer gedrückt. Foto: factum/Simon Granville

Die Ludwigsburger Einzelhändler umgarnen ihre Kunden, und sie verzichten freiwillig auf verkaufsoffene Sonntage.

Ludwigsburg - Pfingsten ohne Maientag, eine Stadt ohne Blumenschmuck – das darf nicht sein. Und das wird auch nicht sein. Vaihingen verlegt sein Traditionsfest an Pfingsten dieses Jahr ins Internet. Und Ludwigsburg bittet Vereine darum, die Stadt zum Blühen zu bringen. Natürlich, man ahnt es, ist Corona an diesem Notprogramm schuld. Drei Studenten hat das Virus allerdings zu Höchstleistungen getrieben. Und der Ludwigsburger Innenstadtverein lernt seinetwegen auch ständig dazu. Ein Überblick.

Erleichterung für Geschäftsleute

Ein Haarschnitt hat Ugur Deniz auf eine Idee gebracht, die das Potenzial hat, sehr viele Menschen glücklich zu machen. Der 23 Jahre junge angehende Maschinenbauingenieur aus Ludwigsburg musste bei seinem jüngsten Friseurbesuch seine Kontaktdaten hinterlassen. Zur Verfolgung der Infektionskette im Falle eines Falles. Das missfiel Ugur Deniz massiv. Als er am Abend seinen Freunden Firat Susan und Karim Dhifallah davon berichtete, entstand besagte Idee: eine App, die Kundendaten verschlüsselt erfasst und sicher verwahrt – und obendrein Betreiber jedweder Lokalitäten vom Formularwahnsinn befreit. Susan und Dhifallah studieren Informatik, und so konnte aus der Theorie Praxis werden. Eineinhalb Wochen hat das Trio „Tag und Nacht“ programmiert und nun die App fertig. Voraussichtlich kommende Woche soll „KnowMe“ veröffentlicht werden – und so funktionieren:

Der, sagen wir, Friseurbesucher verrät der App Name, Anschrift und Telefonnummer. Diese Daten werden mit einem selbst gewählten Passwort verschlüsselt und erst dann gespeichert, und zwar im eigenen Smartphone. Der Friseur wiederum verfügt über einen von der App generierten QR-Code, den der Kunde beim Betreten des Salons scannt. Dabei wird eine zuvor erzeugte Identifikationsnummer übertragen. Der Friseur, und sonst keiner, hat Einblick in die Daten. Den bekommt im Ernstfall nur das Gesundheitsamt. „Das klingt simpel, ist es aber nicht“, sagt Ugur Deniz, der besonders stolz darauf ist, dass die Daten nicht auf einem Server im Internet gespeichert werden.

Der Student hat viele Tipps von seinem Bruder Onur bekommen, der das Viva in der Ludwigsburger Solitudestraße betreibt. Der freut sich schon, wenn er kein Geld mehr für Papier und Druckerpatronen ausgeben und keine Formularberge mit persönlichen Daten mehr aufbewahren muss. Für Kunden ist die App gratis, für Betreiber jedweder Lokalität kostet sie zehn Euro. „Wir wollen nicht mit der Not Geld verdienen“, sagt Ugur Deniz.

Herzlichkeit in der Innenstadt

Dass sich Ludwigsburg über jeden Besucher freut, ist eigentlich selbstverständlich. Noch dazu, wenn er zum Kunden wird. Doch seit dieser Woche werden die Besucher besonders herzlich begrüßt. Auf riesigen Bannern an den Ortseingängen und an den Brücken der B 27 strahlt es jedermann entgegen: „Wir freuen uns auf Sie! Ihre Ludwigsburger Innenstadt.“ Initiiert hat diese Kampagne der Ludwigsburger Innenstadtverein Luis, der damit die lokalen Händler unterstützen möchte. „Jeder Euro, der in der Innenstadt ausgegeben wird und nicht im Internet, sichert Existenzen, Arbeitsplätze und die Zukunft unserer schönen Innenstadt“, sagt der Citymanager Markus Fischer. All das ist in Gefahr, wie eine aktuelle Umfrage des Luis ergeben hat: 38 Prozent der teilnehmenden Händler sehen ihre Existenz als bedroht an. 15 Prozent mussten inzwischen Mitarbeiter entlassen. Und der bisherige Jahresumsatz fällt im Vergleich zu 2019 um die Hälfte geringer aus.

Erstaunlicherweise hat dieselbe Umfrage auch ergeben, dass die Mehrheit der Luis-Mitglieder keine drei verkaufsoffenen Sonntage in diesem Jahr wünscht, sondern mit einem einzigen zufrieden wäre. Mutmaßlich, erklärt Markus Fischer, erscheint vielen den Aufwand in der aktuellen Situation als zu groß für den Nutzen. Die Aussicht auf Bummeln und Shoppen mit Maske würde wahrscheinlich lange nicht so viele Menschen in die City ziehen wie sonst. Die Ausnahme dieses Jahr soll die sonntägliche Ladenöffnung zum Kastanienbeutelfest im Oktober sein – dem Krösus unter den verkaufsoffenen Sonntagen. Allerdings ist noch gar nicht klar, ob dieses Fest in diesem Jahr gefeiert werden darf. Markus Fischer gibt sich trotzdem zuversichtlich. „Wir werden so kreativ sein wie möglich, damit dieser Tag stattfinden kann.“

Sparen beim Blumenschmuck

Kreativ ist ja bekanntlich der zweite Vorname von Ludwigsburg. Weshalb es kein Widerspruch ist, einerseits am Blumenschmuck in der Stadt zu sparen und sich andererseits auf Blumenschmuck zu freuen. Tatsächlich streicht die Stadt, die sich vor neun Tagen erst eine coronabedingte Haushaltssperre verordnet hat, diesen Sommer das Geld für die Bepflanzung aller Töpfe, Kübel und Beete im gesamten Stadtgebiet. 60 000 Euro müssen so nicht ausgegeben werden. Was vor allem daran liegt, dass sich die Stadt die aufwendige Pflege samt Wässern der Pflanzen sparen kann. Die Pflänzchen selbst sind ja längst bestellt und kultiviert. Sie sollen nun an Bürger- sowie Obst- und Gartenbauvereine ausgegeben werden, die man ersucht hat, Patenschaften für die nunmehr vakanten Flächen zu übernehmen. Sollten sich nicht genügend Paten finden, werden Blühmischungen ausgesät.

Traditionsfest im Internet

Was die Kreativität angeht, könnte Vaihingen auch in Ludwigsburg liegen. Dort ist das nahende Pfingstfest das erste seit Menschengedenken, an dem nicht fünf Tage lang der Maientag gefeiert wird. Verzichten muss auf das Spektakel aber trotzdem niemand. Im Webkanal www.vaihingen.tv der hiesigen Soundlight Company gibt es Maientag rund um die Uhr. Also das Maientagsplatzkonzert, den Maientagsfestzug und den Nachmaientag. Natürlich ist alles anders: Das Platzkonzert wird in Form eines Videos gegeben. Die Show vom Umzug ist eine Aufzeichnung des SWR von 2005, und die Märchenstunde am Nachmaientag wird ebenfalls digital dargeboten. Stimmungsvoll kann das aber allemal sein. Zumal die Veranstalter auch an den Wein gedacht haben: Die stets begehrte Maientags-Weinprobe mit Prinzessin und vormaliger Königin findet zwangsläufig auch nur virtuell statt. Dafür ist die Zahl der Teilnehmer auf diese Weise unbegrenzt – und die müssen sich keine Gedanken machen, wie sie heimkommen. Es gilt: En scheena Maiadag!