Der Transporter fuhr durch Kornwestheim. Foto: Horst Dömötör

TransnetBW hat von den Gleisen an der Bogenstraße aus eine gewaltige Spule abholen lassen.

Kornwestheim - Sebastian Schröter hat eigentlich mit den Ereignissen des Abends nur indirekt zu tun. Dennoch hat der 32-Jährige seine gelbe Warnweste übergestreift und ist nach Kornwestheim gefahren, obwohl er doch eigentlich in Tübingen lebt und in Stuttgart arbeitet. Nun steht er im Gießkannenregen und lächelt überaus breit.

„Das wollte ich mir nicht entgehen lassen“, sagt der junge Ingenieur. „Das ist immer wieder beeindruckend.“ Es ist etwa acht Uhr am Abend, und gefühlt auf Länge der halben Bogenstraße gegenüber des Bauhofes steht das, was Schröter sich „nicht entgehen lassen“ will. Ein gewaltiger Schwerlasttransport parkt dort, dutzende Räder tragen ihn, für die zwei Achsen gibt es je ein „Cockpit“ samt eigenem Fahrer. Eingespannt in die Mitte des gut 75 Meter langen Mammutgefährtes ist die Fracht, die den Einsatz des Riesen-Lkw überhaupt erst nötig macht: ein gewaltiger grauer Kasten, ein Trafo, fast 14 Meter lang, vier Meter hoch, 220 Tonnen schwer.

„Der Schwerlasttransport bringt diese Kompensationsdrosselspule heute für uns ins Umspannwerk nach Mühlhausen“, erläutert David Moser von TransnetBW. „Das erledigt ein Spezialunternehmen – es gibt nur wenige Logistikfirmen, die eine solche Ladung transportieren können“, ergänzt Moser. „Die Spule wurde per Zug nach Kornwestheim gebracht, nun geht es die letzten Kilometer nach Mühlhausen.“

Auch Moser, Sebastian Schröters Kollege bei TransnetBW, trägt eine gelbe Warnweste, auch er steht tapfer im Regen. Moser ist Pressesprecher im Unternehmen, Schröter Projektmanager. Die Firma, eine Tochter der EnBW, ist Netzbetreiberin für einen großen Teil der baden-württembergischen Haupt-Stromtrassen. Dazu gehört auch der Betrieb etlicher Umspannwerke. Die gewaltige Spule, gebaut übrigens von Siemens, wird als erste Kompensationsdrosselspule mit „einer dauerhaft zulässigen Systemspannung von 440 Kilovolt direkt mit einem 380-Kilovolt-Höchstspannungsnetz verbunden“, heißt es etwas sperrig von der Firma. Die Spule regele die Systemspannung äußerst präzise, verringere Übertragungsverluste, sorge für stabile Stromübertragung.

Sebastian Schröter hat sie bestellt und sorgt mit dafür, dass sie in Mühlhausen installiert wird und den Betrieb aufnehmen kann. „Es kommt dort noch eine Schallschutzhaube drauf“, sagt er. Wenn der Trafo noch mit Öl gefüllt ist, wiegt er am Ende noch einmal 120 Tonnen mehr.

Plötzlich gehen hinter Sebastian Schröter die Warnleuchten an. „Es geht los“, ruft jemand – das Spektakel hat auch mehrere Schaulustige in die Bebelstraße gelockt. Hilfsfahrzeuge setzen sich in Bewegung. Auch die zwei wartenden Polizeiautos aktivieren ihr Licht, auf der nassen Straße spiegeln sich Lampen in Kobaltblau und flackerndem Orange.

Die Streckenplanung hat das Logistikunternehmen übernommen. Die Beamten fahren aber voraus, um sich beispielsweise um falsch parkende Autos zu kümmern und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Der Konvoi startet langsam, dann etwas schneller, aber wirklich schnell wird er nie – meist fährt er mit Schrittgeschwindigkeit. Für die knapp fünf Kilometer nach Mühlhausen sind zwei Stunden eingeplant. Am Ende wird es halb eins, bis der Trafo seinen Bestimmungsort erreicht.

Einige Probleme lauern des Weges: Gleich an der namensgebenden Kurve der Bogenstraße macht eine Straßenlaterne ein mehrmaliges Hin- und Herrangieren notwendig. An einem Kreisverkehr müssen die Bestandteile des Transporters erst einmal abgekoppelt und neu sortiert werden, damit dieser passiert werden kann. Und ja: Auch einige Falschparker versperren zwischenzeitlich den Weg. „Am Ende hat aber alles gut geklappt“, betont David Moser. Und Sebastian Schröter sagt: „Wir können die Spule nun in Betrieb nehmen – was einige Monate dauern wird.“