Johannes Gräßle ist gestorben. Foto: Archiv/Susanne Mathes

Der katholische Seelsorger wurde 95 Jahre alt. Von 1966 bis zum Jahr 2000 leitete er die St.-Martinus-Gemeinde.

Kornwestheim - „Die Gabe, die ich mitbekommen habe, wird ausgenützt bis zum Geht-nicht-mehr“, sagte Pfarrer Johannes Gräßle zu seinem Eisernen Priesterjubiläum vor fünf Jahren. Seine Gabe, das war die Verkündigung des Glaubens, das war die Seelsorge, das war das Einstehen für Positionen, die ihm wichtig waren. Jetzt ging’s wirklich nicht mehr. Am Sonntag ist der frühere katholische Gemeindepfarrer im Alter von 95 Jahren gestorben. Die letzten Wochen verbrachte er im Jakob-Sigle-Heim.

Bis vor wenigen Monaten war er noch unermüdlich im Einsatz, ließ sich immer wieder in die Pflicht nehmen und feierte Gottesdienste mit den Gläubigen. 34 Jahre lang, von 1966 bis 2000, war der gebürtige Schnaitheimer Pfarrer in St. Martinus. Der Ausbau der Sozial- und Gruppenangebote, Missionsprojekte in Afrika und Asien, von denen er rund 20 angestoßen hat, das Miteinander der Konfessionen – all das waren ihm im Laufe seines Berufslebens wichtige Anliegen. Die Ökumene lag ihm ganz besonders am Herzen. Gräßle ist es mit zu verdanken, dass Kornwestheim mit dem Thomashaus und der Heiliggeistkirche gleich zwei Gotteshäuser hat, die ökumenisch genutzt werden. Als legendär haben die Kornwestheimer Christen die aus dem liturgischen Rahmen fallenden Gottesdienste in Erinnerung, die Gräßle zusammen mit der evangelischen Pfarrerin Wiebke Wähling im Thomashaus feierte.

Er selbst wuchs in einer protestantischen Gegend auf, besuchte evangelische Gottesdienste, bis er ein Fahrrad geschenkt bekam, mit dem er nach Heidenheim zur katholischen Kirche fahren konnte. Seine Eltern, die in Schnaitheim eine Gaststätte führten, schickten ihn auf Missionsschulen. 1942 wurde Johannes Gräßle als Soldat eingezogen – in die Kaserne nach Kornwestheim, wo er später lange Jahre Pfarrer sein sollte. Ein Jahr später erlitt er eine schwere Kriegsverletzung. Er machte sein Abitur in Rottweil, studierte in Tübingen und wurde vor fast genau 70 Jahren in Rottenburg zum Priester geweiht. An seinen ersten Gottesdienst in der Heidenheimer Marienkirche konnte er sich gut erinnern. Bewegt berichtete er einmal: „Eines hat mich unheimlich beeindruckt damals: Meine Nachbarn und früheren Spielkameraden aus Schnaitheim, die waren alle evangelisch. Und die sind bei der Primiz trotzdem alle da gewesen.“ Bevor er nach Kornwestheim kam, war Gräßle Vikar in Schorndorf und Pfarrer in Besigheim.

Den Priester, der auch als stellvertretender Dekan im Dekanat Ludwigsburg fungiert hat, zeichnete stets eine gehörige Portion Humor und die Fähigkeit aus, sich selbst nicht ganz so wichtig zu nehmen. Vor fünf Jahren danach befragt, welche Bedeutung das Eiserne Priesterjubiläum für ihn hat, antwortete er lapidar: „Das ist halt eine Alterserscheinung.“ Bei der Einweihung des K besprengte er nicht nur das Haus mit seinem „guten Weihwasser“, wie er betonte, sondern auch die Ehrengäste und insbesondere Oberbürgermeisterin Ursula Keck bekamen einen guten Schwung ab. In seiner Freizeit zog es ihn zum Bergsteigen und Skifahren in die Natur, aber auch auf den Tennisplatz und ans Schachbrett.

Für den Verlauf seines Lebens und die Berufswahl zeigte sich Gräßle, der im Jahr 2000 nach dem Ausscheiden aus dem Amt nach Pattonville gezogen war, stets dankbar: „Ich würde sagen: Ich hätte nichts Besseres machen können.“