Julia Krauss Foto: z

Die Schauspielerin und Regisseurin Julia Krauss ist nach ihrer Zeit als Au-Pair in Nordamerika geblieben.

Kornwestheim - In Feuerbach geboren, in Kornwestheim aufgewachsen, jetzt im kanadischen Toronto lebend – die 32-jährige Julia Krauss verknüpft mit ihrem Buch über den Auswanderer und Christbaum-Pionier Andreas Wetzel die zwei Welten, die auch ihr vertraut sind. Im Interview erzählt sie von ihrem Lebensweg.

Frau Krauss, was hat Sie aus Kornwestheim hinaus in die weite Welt geführt?

Englisch war mein Lieblingsfach. Dank meiner Mama, die von Beruf Dolmetscherin ist, habe ich ein Händchen für diese Sprache bekommen. So entstand der Traum, in einem englischsprachigen Land zu leben. Außerdem hab ich mich total für die Ureinwohner Nordamerikas interessiert. Ich wollte unheimlich gerne vor Ort mehr von ihnen lernen. Der einfachste Weg ins Ausland war, ein Au-Pair-Jahr in den USA zu machen. Mein erste Familie war in Natick bei Boston in Massachusetts und die zweite in Washington DC. Das war der Anfang.

War es nicht auch Abenteuerlust, durch die Sie eine innere Verwandtschaft zu Andreas Wetzel empfinden?

Das ist interessant, durch diese Frage komme ich erst jetzt auf einen Zusammenhang: Andreas Wetzel ist nach Amerika gezogen, um das Evangelium zu predigen und seinen Glauben zu leben, ich wollte dort andere Religionen kennenlernen. Ich bin christlich aufgewachsen. Doch gegen Ende meiner Schulzeit wuchs die Sehnsucht, mich in andere Religionen hineinzudenken, zu erfahren, welchen Reim diese sich auf das Leben machen, was sie für richtig und falsch halten. Auf meinen Reisen habe ich viele verschieden gläubige Menschen kennengelernt. Das hat mein Leben auf jeden Fall unheimlich bereichert.

Und wie haben Sie sich in der Neuen Welt festgesetzt?

Ich besuchte eine Freundin in Montreal in Kanada und bin von dort einmal quer durchs Land gereist. Ich habe auf Bauernhöfen gearbeitet, in Hostels und Restaurants. Danach ging es an der Ostküste der USA entlang, auch für drei Monate nach Zentralamerika. Anschließend habe ich ein Arbeitsvisum für Kanada bekommen. In Guelph im Bundesstaat Ontario hatte ich ebenfalls Freunde. Un dort habe ich meinen Ex-Mann kennengelernt. Zusammen haben wir sechs Jahre lang ein Jugendtheater geleitet.

Wie wurden Sie Schauspielerin – und warum?

Ich habe als Teenager eine Schulaufführung im damaligen Kulturhaus in Kornwestheim gesehen. Leider wurden die Schauspieler von dem Schüler-publikum furchtbar behandelt. Es gab sogar einen Artikel darüber in der Kornwestheimer Zeitung. Ich jedoch war völlig hin und weg. Danach habe ich ein Musical in Bochum angeschaut, was mir die Sprache verschlug. Und nach einer Theateraufführung, in der ich in der 13. Klasse mitgespielt hatte, wusste ich: Die Schauspielerei und ich, wir sind etwas fest Zusammengehörendes. Ich habe mich dann voller Leidenschaft damit befasst und mit den Jahren in verschiedenen Theatern in Kanada und den USA ein entsprechendes Repertoire erarbeitet. Erst als Schauspielerin, dann auch als Regisseurin.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Wir sollten in diesem Jahr auf Tournee in Ägypten und Syrien gehen, mit dem MT Space Theatre und unserem Stück „Amal“. Das haben wir bereits auf mehreren Festivals in den vergangenen Jahren erfolgreich aufgeführt. Nun sollte es über den großen Teich gehen. Aber dann kam Corona. Das Stück handelt von einer Familie, die Krieg und Flucht schon in mehreren Generationen erleben musste, aus Gründen, die wir auch in der Gegenwart wiederfinden. Diese Verbindung von Geschichte und unserer heutigen Zeit, diese beunruhigende Fortdauer von menschengemachtem Unglück, dem die Opfer nicht entfliehen können, beschäftigt mich zutiefst. Dieses Stück steht ganz oben auf der Liste meiner Engagements. Es ist mir eine Herzenssache, und ich bin stolz darauf, darin mitzuwirken.

Wie lebt es sich denn in Toronto?

Ich liebe diese Stadt, auch wenn es mich mehr und mehr aufs Land zieht. Aber ich liebe einfach, wie multikulturell sie ist, dass verschiedene Religionen und Lebensweisen zivilisiert und friedlich zusammenleben. Und ich kann alle Speisen der Welt jeden Tag und zu jeder Uhrzeit genießen. Das ist einfach genial.

Keine Sehnsucht nach der alten Heimat?

Jetzt, wo ich Tante geworden bin, ist es schon schwerer, so weit weg zu sein. Ich vermisse es, bei den kleinen Dingen dabei zu sein, beim Alltäglichen. Zum Glück gibt es Whatsapp und Zoom. Ich empfinde es aber als ein Glück, dass Heimat für mich auf verschiedenen Kontinenten dieser Welt liegt. Ich fühle mich hier in Kanada echt zuhause. Ich komme einmal jährlich nach Deutschland, um meine Familie in Pattonville zu sehen, Freunde zu treffen, mich von meiner Mama bekochen zu lassen oder mit meinem Vater über einen Flohmarkt zu schlendern. Dann bin ich auch zuhause. Das ist unglaublich schön.

Welche Rolle hat denn Ihr Großvater Helmut Maier aus Weilimdorf, von der mütterlichen Linie her zwei Generationen näher am Christbaum-Pionier Andreas Wetzel, bei der Entstehung des Buches gespielt ?

Dieses Buch ist ein Geschenk an meinen Opa. Von ihm habe ich als Kind gelernt, dass jeder Mensch das Recht auf Würde und auf ein sicheres Zuhause hat. Diese Gespräche mit ihm haben mich sehr geprägt. Ich habe schon immer gerne anderen Menschen zugehört, was sie bewegt, was sie traurig macht und was sie zum Lachen bringt. In meinem Beruf stelle ich mir dauernd diese Fragen, wenn ich an einer neuen Rolle arbeite. Andreas Wetzel war diese Figur in unserer Familiengeschichte, von der ich mehr wissen wollte. Ein bisschen Detektiv spielen und bei der Recherche neue Menschen kennenlernen wie zum Beispiel Jack Henke, den Archivar der Zionskirche in Utica, da sage ich nie Nein.

Wie feiern Sie denn selbst Weihnachten? Möglicherweise mit einem schön geschmückten Christbaum. . .

Da muss ich Sie leider enttäuschen. Ich feiere Weihnachten wenig traditionell: ohne Baum, dafür aber mit umso mehr Gutsle. Ich schaue mir Bäume in all ihrer Pracht lieber in der Natur an. Allerdings stecke ich mir in jedem Jahr einen schönen Adventskranz. Ich liebe den Geruch von Tannennadeln. Ich werde mit meiner Familie an Heiligabend zoomen, ein leckeres Abendessen und einen langen Spaziergang machen. Ich genieße diese Feiertage als eine Einladung, mal langsam zu machen, zu kochen, zu lesen und die volle Tasse Kaffee mal richtig schön langsam leerzutrinken.

Info: Julia Krauss wurde 1988 geboren. Ihre Familie wohnt in Pattonville. Die heute in Toronto lebende Schauspielerin und Regisseurin hat die Theodor-Heuss-Realschule besucht und  dann am Wirtschaftsgymnasium in Bietigheim-Bissingen  Abitur gemacht. An der Städtischen Musikschule Kornwestheim hat sie das Cellospielen erlernt und auch im  Jugendorchester gespielt. Ihr Buch über den Christbaum-Pionier Reverend Andreas Wetzel, ihr 1808 geborenen Urahn, kündet von einer großen Persönlichkeit, die in weihnachtlichem Geist gelebt und gewirkt hat.