Der Prozess gegen die 47-Jährige findet vor dem Landgericht Stuttgart statt. Foto: dpa

Im Verfahren gegen eine 47-jährige Kornwestheimerin beantragt die Staatsanwalt über fünf Jahre Haft.

Kornwestheim - Am Ende des gestrigen Prozesstages meldete sich die Angeklagte dann doch noch zu Wort, nachdem sie zuvor in öffentlicher Sitzung fast immer geschwiegen hatte. Es gebe „keine härtere oder schlimmere Strafe“, als mit diesem schlechten Gewissen zu leben, so die 47-jährige Kornwestheimerin, der vorgeworfen wird, in den frühen Morgenstunden des 25. Novembers ihrem schlafenden Sohn ein Cuttermesser an den Hals gehalten und ihn geschnitten zu haben. Der Junge war aufgewacht, hatte sich gewehrt und war schließlich aus dem Haus geflohen. Die Mutter hatte sich in der Folge die Pulsadern aufgeschnitten, überlebte den Suizidversuch aber.

Ursprünglich lautete die Anklage, die vor der 9. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt wird, auf versuchten Mord. Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gelangt, es handelt sich um versuchten Totschlag. Sie beantragte in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.

Der Sachverhalt laut Anklageschrift habe sich zwar bestätigt. Doch die zunächst angenommene und für einen Mordversuchsvorwurf wichtige Heimtücke vermochte der Staatsanwalt nun so nicht mehr festzustellen. „Ich bin überzeugt, ein kurzfristiger Entschluss hat sie zu der Tat veranlasst.“ Der Abschlussbericht des psychiatrischen Sachverständigen am Vormittag habe ihn davon überzeugt.

Der Gutachter hatte unter anderem die Einschätzung abgegeben, dass die Frau vorrangig ihren eigenen Suizid im Blick gehabt habe, nicht den Tod des Kindes. Eine Wahnhaftigkeit – und damit gegebenenfalls eine Schuldunfähigkeit – hatte er nicht festgestellt, aber eine akute Depression in jener Nacht, die sich aufgrund der Lebensumstände angebahnt habe. Die Nebenklage-Vertreterin, die den mittlerweile zwölfjährigen Jungen vertritt, äußerte sich nicht zum Strafmaß. Die Anwältin kritisierte: „Ein paar Sachen sind im Verfahren unglücklich gelaufen.“ Dazu gehöre, dass die Angeklagte nicht ausgesagt habe, obwohl sie dem Jungen damit vielleicht dessen Aussage hätte ersparen können. Die Anwältin ging noch einmal auf die Schnittverletzungen des Jungen an Hals und Hand ein. Auch wenn die Verletzungen am Hals vermutlich keine Spuren hinterlassen werden, so seien „die körperlichen Folgen das eine, die seelische Belastung das andere“, so die Anwältin.

Die beiden Verteidiger der Angeklagten, die kein exaktes Strafmaß für die Angeklagte beantragten, stimmten in ihren Plädoyers nicht mit der Einschätzung der Staatsanwaltschaft überein. „Was wissen wir denn wirklich über die Tat?“, fragte die Anwältin rhetorisch. Klar sei nur, dass mit einem Messer Schnittverletzungen ausgeführt worden seien. „Welche Rückschlüsse gibt es daraus?“ Die Angeklagte, so die Verteidigerin, hätte den Jungen in zwei Situationen – im Bett und später noch im Erdgeschoss – ergreifen können, um „zu töten“. Es habe kein Kampf stattgefunden. Ihr Kollege führte den Gedankengang weiter. Er machte klar, dass die Verteidigung das Delikt als gefährliche Körperverletzung einstufe. Zwar habe es eine Tötungsabsicht gegeben. Aber von dieser sei die Angeklagte „zurückgetreten“, erläuterte der Anwalt. Er erklärte das damit, dass seine Mandantin den Jungen nicht ernsthaft gepackt habe

Der Staatsanwalt indes war davon ausgegangen, dass der Junge findig gewesen sei und sich klug der Situation entzogen habe. Der Verteidiger wiederum argumentierte, es sei „nur“ ein Cuttermesser zum Einsatz gekommen, obwohl gefährlichere Messer im Haushalt vorhanden gewesen seien. Auch auf die Wohnsituation der Angeklagten mit dem Noch-Ehemann ging der Verteidiger ein.

Seine Mandantin sei „als Person zurückhaltend und freundlich“. Sie lebte mit ihrem Mann und dem Jungen im gemeinsamen Haus, ihr Gatte hatte allerdings seit Ende 2017 eine Beziehung zur Haushälterin. „Sie hatte das Gefühl funktionieren zu müssen“, so der Verteidiger über seine Mandantin. Sie habe Sorge gehabt, dass sich die Situation zu ihren Ungunsten entwickele. „Viele Dinge begannen zu gären“, so der Verteidiger. So habe die Frau Ängste entwickelt, der charakterlich dominantere Ehemann könne mit dem gemeinsamen Sohn nach Thailand – die Haushälterin stammt von dort – auswandern. Zu ähnlichen Schlüssen war auch der psychiatrische Gutachter gelangt, der hinzufügte, dass auch die Beziehung zu ihrem eigenen neuen Freund bei der 47-Jährigen Druck aufgebaut habe. Sie habe Angst vor Veränderungen gehabt.

Der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht wird am 11. Juni fortgesetzt, dann wird das Urteil erwartet.