Bei der Buchpräsentation von „Im Zeichen des Salamander“ las Schauspielerin Christiane Klann aus Lebenserinnerungen von Rudolf Moos und Ernst Sigle. Foto: Susanne Mathes

Im Kleihues-Bau haben die Autoren das Buch „Im Zeichen des Salamander – Firmengeschichte in Selbstzeugnissen“ vorgestellt.

Kornwestheim - Dieses Buch ist mehr als regionale Wirtschaftsgeschichte. Es ist jetzt schon in der ganzen Republik gefragt. Ich freue mich, dass es in unserem Verlag erscheinen durfte.“ Bei dem Werk, das Dr. Daniel Kuhn, Lektor beim Kohlhammer-Verlag, solchermaßen pries, handelt es sich um den jüngst erschienenen rund 400-seitigen Band „Im Zeichen des Salamander – Firmengeschichte in Selbstzeugnissen“ (unsere Zeitung berichtete).

Das Buch wurde am Mittwochabend im Kleihues-Bau der Öffentlichkeit präsentiert – im Beisein von Nachfahren der Sigle-Brüder, von ehemals leitenden Beschäftigten bei Salamander und von am Buch Beteiligten wie Holde Hammelbacher, Natascha Richter, Liane Strauß oder Roland Epstein.

Nicht persönlich, doch in Gedanken sind dieser Tage weitere Menschen mit der Neuerscheinung befasst – die Nachfahren von Rudolf Moos und der Levi-Brüder, ohne die der steile Aufstieg der Firma nicht denkbar gewesen wäre. Sie leben unter anderem in Kanada und in den USA und stellten für die Recherchen Objekte, Dokumente und Fotografien zur Verfügung. „So haben sie zur Sicherung der Daten der jüdischen Gründerlinie verholfen“, betonte Dr. Irmgard Sedler, auf deren Initiative und unter deren Hauptarbeit das Buch entstanden ist.

Nach Erscheinen des Bandes erhielt sie anrührende Reaktionen: „Um drei Uhr heute morgen legte ich das Buch endlich zur Seite“, zitierte Sedler aus einem Brief der betagten Lilian Levi vom 10. April 2014. „Obwohl ich zu den Glanzzeiten der Firma noch ein Kind war , erinnerte mich vieles an die Geschichten, die mir mein Mann Rolf Levi und meine Schwiegermutter Paula erzählten. […] Die Recherchen sind meisterhaft. […] Ich bin nun faktisch die Einzige, die die ,Original Salamander Levis’ noch persönlich kannte.“

Bisher sei der Blick auf Salamander meist von Kornwestheim ausgegangen, betonte die Leiterin der Städtischen Museen. „Auch fehlte bei bisherigen Betrachtungen zur Firmengeschichte oft der kritische Apparat, den die Wissenschaft aber unbedingt einfordert. Und: es fehlten die Perspektiven von Levi und Moos.“ Das habe es geradezurücken gegolten.

Das Buch stellt Lebenserinnerungen und ein Briefkopierbuch, das Ernst Sigles USA-Reise in den Jahren 1896/97 dokumentiert, den Lebensbetrachtungen des ins Exil gezwungenen Rudolf Moos gegenüber. „Bei der Entzifferung von Ernst Sigles Schriften in ihrer bisweilen unorthodoxen Orthografie war Geduld und Beharrlichkeit notwendig“, meinte Co-Autor Dr. Martin Burkhardt vom Wirtschaftsarchiv in Hohenheim, der für das Buch auch eine chronologische Übersicht der Firmengeschichte beigesteuert hat. Quellen wie die im Buch genutzten seien „der Rohstoff der Geschichtswissenschaft“. Doch erst das Verarbeiten dieser Quellen mache den Geschichtsfreund zum Historiker. Auch ohne die „voyeuristischen Potenziale“ des Stoffes breitzutreten sei es jedoch erwähnenswert, dass ein sich anbahnendes, nicht erwünschtes Verhältnis zwischen Ernst Sigle und einer jungen Dame den eigentlichen Ausschlag für den Amerika-Aufenthalt gegeben habe. Wer die Unbekannte war? „Da haben wir noch etwas für künftige Forschungen oder für Romanciers übrig gelassen“, meinte Burkhardt lächelnd.

Die Erinnerungen von Rudolf Moos hingegen breiten ein Panoptikum des Leder- und Schuhhandels in damaliger Zeit vor dem Leser aus – die ausführliche Beschreibung der Szene, in der Moos und sein Vetter Julius in der Berliner Konditorei Schilling auf den Namen „Salamander“ kommen, inklusive. Vorgelesen von der Schauspielerin Christiane Klann, gewannen diese Szenen am Mittwochabend überraschende Unmittelbarkeit und Lebendigkeit. Dann wieder stockte den Zuhörern fast der Atem – etwa bei Moos’ Erinnerungen an die braunen Schmähungen: „Immer wieder fragten wir uns, was sagt denn der oder der zu dem wüsten Geschimpfe über die Nichtarier? Der müsste doch jetzt hervortreten und sich zu uns bekennen, der müsste doch laut und frei erklären, was ihr über die Juden sagt, stimmt nicht, wir haben sie von einer besseren Seite kennengelernt und wissen, dass es in Deutschland keine Menschengruppe gibt, die mehr Vaterlandsliebe besitzt, die sich mehr fürs öffentliche Wohl einsetzt, die opferwilliger wäre. . .“

Das vorliegende Buch – es enthält auch auch Kurzbiografien der damaligen Salamander-Akteure und ein Glossar zur Schuhtechnik – ist erst der Anfang, versprach Irmgard Sedler. Der zweite Band soll in anderthalb Jahren fertig sein, weitere sind in Planung.