Bestattung in Corona-Zeiten: Nur mit Maske Foto: dpa/Matt Dunham

Vieles hat sich im Corona-Jahr verändert – auch der Job der Bestatter.

Kornwestheim - Kein Thema war im vergangenen Jahr so präsent wie die Corona-Pandemie – und damit unweigerlich verbunden auch das Thema Tod. Ständig aktualisierte Statistiken der Fall- und Todeszahlen und Bilder aufeinandergestapelter Särge in Sachsen prägten die medialen Berichterstattungen der letzten Monate. Sterben, das hat sich seit letztem Frühjahr verändert, auch für die Angehörigen. Was die Pandemie mit den Hinterbliebenen macht und warum eine würdevolle und einfühlsame Trauerfeier trotz Virus noch bewusst gefeiert werden sollte, erzählt der Kornwestheimer Bestatter Stefan Raible im Interview.

Herr Raible, ist Abschied nehmen seit Corona schwieriger geworden?

Ja, es gibt natürlich Einschränkungen beim Abschiednehmen, gleich ob der Verstorbene an Covid-19 erkrankt war oder nicht. Auf unterschiedlichen Friedhöfen gibt es unterschiedliche Regelungen, manchmal darf man zum Beispiel in die Aussegnungshalle, manchmal nicht. Es gibt Beschränkungen der Personenzahlen, je nach Hallengröße variiert diese. Das ist nicht so einfach, auch für uns als Bestatter.

Wie gehen die Hinterbliebenen mit diesen Einschränkungen um?

Die Maßnahmen sind natürlich eine Belastung für die Angehörigen, ganz klar. Unter normalen Umständen kommen zum Beratungsgespräch bei uns oft mehrere Geschwister, die Kinder oder Enkelkinder dazu, weil jeder seinen Teil beitragen möchte. Das ist momentan nicht möglich, aktuell können nur zwei Angehörige zu uns kommen. Hin und wieder holen wir die anderen Angehörigen noch per Skype dazu, aber das ist nicht dasselbe wie das direkte persönliche Gespräch. Der Handschlag, der vor einem Jahr obligatorisch war und der auch wichtig ist, um unser Beileid zu bekunden, fällt weg. Ich versuche trotzdem, die Angehörigen mit Körpersprache oder einem Lächeln abzuholen.

Mit welchen Verunsicherungen kommen die Angehörigen denn aktuell zu Ihnen?

Wenn neue Maßnahmen beschlossen werden, dann rufen in den Tagen danach oft viele Menschen an, weil sie unsicher sind, ob eine geplante Trauerfeier überhaupt noch so stattfinden kann. Viele befürchten dann, dass nicht mehr so viele Gäste in die Aussegnungshalle oder ans Grab dürfen. Seit April oder Mai des vergangenen Jahres gab es bei den Regelungen für Friedhöfe und Trauerfeiern aber keine große Veränderung mehr. Der Friedhof ist momentan noch ein Bereich, in dem, im Gegensatz zu anderen Orten, relativ wenig eingeschränkt ist.

Einige Menschen schließen einen Bestattungsvorsorgevertrag ab. Wie gehen Sie damit derzeit um?

Mit einem solchen Vertrag werden die Wünsche des Verstorbenen festgehalten. Daran halten wir uns. Wenn der Verstorbene aber Covid-positiv ist, müssen eventuell Abstriche gemacht werden, eine offene Aufbahrung ist dann beispielsweise nicht möglich. Es geht aber viel mehr, als die meisten denken. Eine relativ normale Abschiedsfeier ist auch aktuell möglich. Eine Erdbestattung ist zum Beispiel auch für Covid-positive Verstorbene kein Problem, das wissen viele nicht.

Was beinhaltet denn eine, in Ihren Worten, relativ normale Abschiedsfeier?

Das ist unterschiedlich, je nach Ort und Friedhof. In Stuttgart darf der Sarg eines an Covid-19 Verstorbenen beispielsweise in die Aussegnungshalle, in Kornwestheim und Ludwigsburg nicht. Das kann man aber direkt ans Grab verlegen. Nicht-infektiöse Verstorbene können ganz traditionell aufgebahrt werden. Und wenn der Abstand eingehalten wird, dürfen draußen auf dem Friedhof bis zu 99 Personen Abschied nehmen. Familie, die zusammenwohnt, darf bei der Trauerfeier zusammensitzen. Und die Pfarrer sind kreativ. Weil ja zum Beispiel der Gemeindegesang nicht erlaubt ist, lesen einige Pfarrer die Texte vor, während das ganze instrumental untermalt wird. Vereinzelte Rituale, wie zum Beispiel die Schale mit Weihwasser und Erde am Grab, fallen weg. Aber auch da gibt es andere Lösungen, zum Beispiel Körbchen mit Streublumen.

Was ist der wichtigste Rat, den Sie den Angehörigen in Sachen Trauerfeier gerade geben können?

Es ist mir wichtig, besonders eines klar an die Angehörigen zu kommunizieren: Man kann gerade Abschied nehmen, und das sollte man auch ganz bewusst feiern. Es ist die letzte Chance, sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden, noch einmal Zwiesprache zu halten und ihn, wenn es sich nicht um einen Covid-Toten handelt, noch ein letztes Mal zu berühren. Dafür sollte man sich immer Zeit nehmen und den Moment bewusst erleben. Für die Trauerbewältigung ist das wichtig, Pandemie hin oder her.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Verantwortung als Bestatter seit Corona größer geworden ist?

Ja, in erster Linie natürlich gegenüber den Verstorbenen und Angehörigen, die gerade in diesen Zeiten eine schöne und würdige Abschiedsfeier verdienen, aber auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Ein infektiöser Verstorbener ist erst einmal nichts Neues für uns. Trotzdem war Corona eine Krankheit, die insbesondere am Anfang von viel Unsicherheit und Unwissenheit geprägt und natürlich hinsichtlich der Zahlen eine andere Nummer war. Der Schutz unserer Mitarbeiter wurde vergangenes Jahr, als alleine die ganzen Materialien knapp wurden, schon zur großen Aufgabe. Bodybags waren teilweise schwer aufzutreiben. Bei Masken, Handschuhen und Desinfektionsmittel ist der Preis in die Höhe geschossen.

Hat sich ihr eigener Umgang mit Ihrem Beruf seit Corona verändert?

Natürlich macht man sich Gedanken über die eigene Gesundheit, aber auch über die eigene Firma und wie es weitergehen soll. Wie kann ich meine Mitarbeiter schützen? Bekomme ich genügend Schutzausrüstung? Was machen wir, wenn einer von uns positiv getestet wird und wir alle in Quarantäne müssen? Letzteres versuchen wir mit getrennten Arbeitsbereichen zu vermeiden, damit wir nicht für zwei Wochen zumachen müssen. Und mir fällt auch auf, dass das Thema Tod wesentlich präsenter in der Bevölkerung ist. Das prägt.