Dietmar Allgaier bimmelt die Glocke. Foto: factum/Simon Granville

Der neue Landrat meistert die erste Sitzung und zeigt, dass er bereits ein wichtiges Werkzeug beherrscht.

Kornwestheim/Ludwigsburg - Dietmar Allgaier schlängelt sich durch die Gänge zwischen den Stuhlreihen im großen Sitzungssaal des Landratsamtes. Er schüttelt hier eine Hand, wechselt da ein paar Worte. Der neue Landrat versucht, so scheint es, eine lässige Routine auszustrahlen, die er in dieser Arena noch gar nicht haben kann. Wer den Kornwestheimer kennt, weiß indes: Dietmar Allgaier ist eben so, er gilt als kommunikativ und stets freundlich. Und wer ihn drauf anspricht, der bekommt auch eine ehrliche Antwort. „Ein bisschen nervös“, sagt Allgaier zwischen zwei zu schüttelnden Händen, „bin ich schon.“ Und überhaupt werde es noch ein bisschen dauern, alle 105 Kreisräte kennenzulernen.

Um genau 14.36 Uhr steht Allgaier dann am Pult und eröffnet seine erste Kreistagssitzung als neuer Ludwigsburger Landrat. In der Hand hält er dabei ein wichtiges Werkzeug: jene Glocke, die schon sein Vor-Vorgänger Ulrich Hartmann genutzt hat. Allgaier lässt sie erklingen und erläutert sodann lächelnd, dass er mit der Glocke – die eines Nikolauses würdig wäre – nun nicht Weihnachten begehen wolle. Stattdessen wolle er damit die erste Sitzung 2020 eröffnen. Er hofft, sagt Allgaier, dass er sie nicht oft nutzen müsse, um das Gremium zur Ordnung zu rufen. Gelächter in den Sitzreihen.

Wer nun in diese Anekdote hineinlesen will, wie der neue Landrat sein Amt künftig auszufüllen gedenkt, der findet drei Werte: ein gewisses Traditionsbewusstsein, Humor und eine ruhige, meist kompromissbereite Art. Dass er mit seinen Eigenschaften punkten wird, da sind sich zumindest Kornwestheimer Kreisräte sicher. Immerhin haben sie ihn als Ersten Bürgermeister in ihrer Stadt erlebt. „Er wird das gut machen“, sagt Robert Müller. Das Kornwestheimer SPD-Urgestein verbindet eine langjährige Freundschaft mit Allgaier, es ist ein offenes Geheimnis, dass Müller in der sozialdemokratischen Fraktion im Kreistag für die Wahl Allgaiers geworben hat. Der Freie Wähler Julian Göttlicher deutet auf ein großes grünes Kuscheltier, das neben den Verwaltungsplätzen wartet. „Da hat man was hingelegt, damit er seine humorvolle Art zeigen kann“, scherzt er. Auch FDP-Mann Ender Engin – „Ich bin ja selbst ein Neuling“ – zeigt sich von Allgaier überzeugt.

Von den Kreisräten aus anderen Kommunen hört man ebenfalls viel Gutes. Klar ist aber auch: Der neue Landrat muss sich nun beweisen. Die Grüne Swantje Sperling aus Remseck fasst zusammen: „Er hat die Sympathien, auch unsere.“ Aber, fügt sie hinzu, Qualität zeige sich erst so richtig, wenn es zu Konflikten kommt.

So gesehen gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten der Beweisführung für Dietmar Allgaier an diesem Freitagnachmittag. Die Sitzung verläuft im Großen und Ganzen harmonisch. Allgaier darf seinen eigenen Nachfolger vereidigen, der ihm auf den bisherigen Kreistagssitz nachfolgt – den Kornwestheimer Christdemokraten Sven Waldenmaier.

In den großen Tagesordnungspunkten geht es sodann um die Sanierung und den Ausbau der Parkgarage am Kreishaus und die Erweiterung der Erich-Bracher-Berufsschule in Pattonville. Die meisten Kreisräte folgen jeweils den Vorschlägen aus der Verwaltung, man tritt ans Mikrofon und sendet viel Lob durch den Raum.

Nachfragen und Erläuterungen übergibt Allgaier oft an seine Dezernenten und Experten. Und er zeigt auch im Kreistag, dass er Anregungen „mal mitnehmen“ kann, wie er es schon in Kornwestheim häufiger in Sitzungen formulierte – in diesem Fall geht es um eine Frage der SPD nach Car-Sharing-Angeboten im Parkhaus. Problemlos läuft auch die Besetzung von Ausschüssen und Aufsichtsräten. Die Räte stimmen hier im sogenannten „Wege der Einigung“, also en bloque, über vorab ausgehandelte Vorschläge ab und verzichten auf zeitaufwendige Einzelwahlen.

Nach gut einer Stunde ist die Sitzung schon fast zu Ende, als es doch noch unter Verschiedenes ein kleines bisschen Konflikt gibt. Es geht dabei gewissermaßen um das grüne Kuscheltier. Das nämlich ist das Maskottchen einer groß angelegten Kampagne, mit der der Landkreis für Impfungen gegen Masern wirbt. Die Kreisräte Dr. Vassilios Amanatidis (FW) und Dr. Horst Ludewig, beide Ärzte, sind sich so gar nicht einig, ob die Kampagne in dieser Form Sinn ergibt. Nicht so wirklich, äußert sich Amanatidis. Er plädiert dafür, vorrangig Kinderärzte ins Boot zu holen. Ludewig spricht sich dafür aus, über die Kampagne möglichst viele Menschen zu informieren. Dietmar Allgaier übergibt kurz an seinen eigenen Fachmann, den Gesundheitsdezernenten Thomas Schönauer. Um dann zu sagen, „die meisten hier sind Kommunalpolitiker, keine Mediziner“ und die Fachdebatte recht elegant abzukürzen, indem er die Kreisräte einlädt, sie in der Cafeteria bei leckeren Maultaschen weiterzuführen.