Geflüchtete Menschen erreichen in einem Boot die griechische Insel Lesbos. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Gemeinderat vertagt die Entscheidung über den Beitritt zur Initiative Seebrücke erneut.

Kornwestheim - Eigentlich hätten die Stadträte am Donnerstag darüber abstimmen sollen, ob Kornwestheim der „Initiative Seebrücke – schafft sichere Häfen“ beitreten soll oder nicht. SPD und Grüne hätten wahrscheinlich geschlossen dafür gestimmt, immerhin hatten sie das beantragt, FDP und CDU tendenziell dagegen. Die Voten der Freien Wähler-Stadträte hätten das Pendel am Ende mit hauchdünner Mehrheit in die ein oder andere Richtung ausschlagen lassen.

Dann aber kam es anders, als Oberbürgermeisterin Ursula Keck – selbst Befürworterin des Beitritts – das Wort ergriff und einen Kompromissvorschlag in den Raum warf. Keck warb dafür, sich der Initiative anzuschließen, aber explizit einzelne Punkte, für die das Bündnis steht, für Kornwestheim herauszugreifen, andere hingegen für die Stadt nicht zu beschließen. „Wir könnten Punkt 1 und 8 für uns übernehmen“, sagte sie. „Das wäre dann zumindest ein politisches Statement, und wir würden uns solidarisch zeigen“, so die OB. Am Ende wurde die Entscheidung vertagt, damit sich die Fraktionen über den Vorschlag der OB beraten können. Auch die CDU gab an, noch einmal intern sprechen zu wollen. „Prinzipiell ist das ein guter Gedanke, wir müssen uns natürlich beraten“, sagte stellvertretend für seine Fraktion der Christdemokrat Jörg Schaible. Im Verwaltungs- und Finanzausschuss einige Tage zuvor hatte er noch in einer langen Stellungnahme begründet, warum die CDU dem Antrag von SPD und Grünen nicht zustimmen wolle.

Seit 2018 vernetzt die Initiative Seebrücke Städte und Gemeinden in einem Solidaritätsbündnis. Acht Punkte sind die Grundlage für die Kommunen, um beitreten zu dürfen. Damit sie Mitglied und damit zu „sicheren Häfen“ werden, erklären sie sich beispielsweise bereit, sich mit Menschen auf der Flucht zu solidarisieren, sich gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung zu positionieren, bei Bedarf Geflüchtete über den Königsteiner Verteilschlüssel hinweg aufzunehmen. Wobei die Initiative sogar selbst betont, es reiche für eine Stadt, einen einzigen dieser Punkte zu erfüllen. Punkt 1 und 8, wie Ursula Keck nun vorschlägt, beinhalten eine öffentliche Solidaritätserklärung mit Menschen auf der Flucht und das Thema „Transparenz“. Bei diesem eher wenig handfest wirkenden Punkt sollen „Handlungsschritte zur Gestaltung eines sicheren Hafens und der Forderung nach einer menschenrechtskonformen Migrationspolitik für die Bevölkerung transparent dargestellt“ werden.

Auch will die Stadt beim Regierungspräsidium Stuttgart klären, ob Recht und Gesetz dem Beitritt entgegenstehen würden. Die CDU hatte in ihrer Stellungnahme unter anderem Bedenken geäußert, die Positionen der Initiative ließen sich nicht mit der Bundes- und Europapolitik vereinbaren und könnten daher von einem kommunalen Gremium nicht so einfach beschlossen oder gar umgesetzt werden. Unter anderem die Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter über die staatlich definierten Quoten hinweg steht bei derlei Bedenken im Fokus. Die Grünen zeigten sich nicht voll überzeugt von der Kompromissdebatte. Der Fraktionsvorsitzende Thomas Ulmer wies mit Blick auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit darauf hin, es gebe schon viele Städte und Gemeinden, die der Initiative beigetreten seien. Keck stimmte zu, ergänzte aber, dass auch andere Kommunen hierbei nur einzelne Punkte in den Fokus gerückt hätten.

Canan Balaban wies darauf hin, es gehe in der Tat vor allem um ein politische Signal. Wenig Verständnis zeigte die Grüne allerdings dafür, dass sich der Prozess mittlerweile über etliche Monate und Sitzungen hinziehe, was sie als „Hinauszögern“ bezeichnete. Ein Kompromiss sei natürlich „besser als nichts“, aber ob man ihn mittrage, oder er zu dünn sei, müssten die Grünen natürlich erst innerhalb ihrer Fraktion besprechen. Marcel Demirok (FDP) wiederholte seine Forderung, genaue Kostenschätzungen auf den Tisch zu bekommen. Das hingegen sei insofern schwierig, als es von der Anzahl der Aufnahme Geflüchteter abhänge und hier auch die Stadt gefragt sei, sagte Balaban.