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Drei Männer müssen sich vor dem Amtsgericht Ludwigsburg wegen Nötigung und Körperverletzung verantworten.

Kornwestheim - Eigentlich wollte der 25-jährige Altenpfleger an einem Freitagabend im Oktober 2019 nach seiner Spätschicht nur noch nach Hause. Doch seine Fahrt in der S-Bahn-Linie 4 wurde zwischen Ludwigsburg und Stuttgart zu einem Spießrutenlauf.

Verantwortlich dafür waren drei Männer, von denen zwei aus Kornwestheim kommen. Einer von ihnen, 25 Jahre alt, legte seine Füße auf den Sitz neben dem Altenpfleger. Als ihn dieser höflich darauf ansprach, beleidigte ihn der Kornwestheimer und sagte ihm, er solle „das Maul halten“. Der Altenpfleger setzte sich daraufhin auf einen anderen Platz ans Fenster, was den Kornwestheimer offenbar reizte. Er setzte sich neben ihn und drückte ihn mit seinem Rücken gegen die Wand.

Als er dies ein zweites Mal machen wollte, sprang der Altenpfleger auf und flüchtete in den Zugflur. Dann mischten sich zwei andere Männer, 37 und 21 Jahre, ein und versuchten den Altenpfleger zu schlagen. Dieser wich den Schlägen aus und traf seinerseits den 37-Jährigen mit einem Schlag aufs Auge. Der Altenpfleger bat darauf zwei Fahrkartenkontrolleure um Hilfe, die den Zug anhalten ließen und die Polizei verständigten.

Videos entlarven die Täter

Das Verhalten der beiden Kornwestheimer und des 21-Jährigen, der seit Kurzem in Korntal lebt, brachte ihnen eine Anklage wegen gemeinschaftlicher Nötigung und gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Ludwigsburg ein. Der 21-Jährige war zudem noch wegen zweier Kaufhaus-Diebstähle angeklagt, die er ohne Umschweife über seine Anwältin einräumte.

Die drei Angeklagten erklärten übereinstimmend, sie seien an diesem Abend betrunken gewesen. „Ich hatte einige Flaschen Wodka an diesem Tag“, räumte der 37-Jährige ein. Er habe nach dem Vorfall ein blaues Auge gehabt und einen Monat lang nicht gut sehen können. Er habe auch nicht geschlagen, sondern nur helfen wollen, als er auf den Streit zwischen den beiden anderen Männern aufmerksam geworden sei.

„Von uns hat niemand geschlagen“, behauptete der 25-Jährige. „Das ist glatt gelogen, wir schauen uns gleich ein paar Videos aus der S-Bahn an“, meinte Amtsrichter Ulf Hiestermann. Der Altenpfleger bestätigte im Zeugenstand die Anklagevorwürfe in großen Teilen. Er erklärte jedoch, geschlagen hätten nur zwei der drei Männer, der dritte habe ihn nur provoziert und gegen die Wand gedrückt.

„Alle drei waren total besoffen“, beschrieb das Opfer seine Angreifer. Ein Polizist, der zu Hilfe gerufen worden war, meinte jedoch, die Männer seien nur angetrunken gewesen. Der 37-Jährige, der sich das blaue Auge zugezogen habe, sei „emotional aufgeraut“ gewesen, habe aber noch sprechen und stehen können. Wenn er sich nicht eingemischt hätte, wäre die Situation vermutlich nicht eskaliert. Der 21-Jährige sei leicht aggressiv gewesen, er habe auf den Bahnsteig gespuckt und dort entgegen der Vorschrift rauchen wollen. Der 25-Jährige sei völlig ruhig gewesen.

„Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“

Da die drei Angeklagten schuldfähig waren, verurteilte Richter Hiestermann den 37-Jährigen, der bei einer Spedition arbeitet, wegen versuchter gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1800 Euro. Gegen den 25-Jährigen Arbeitslosen verhängte der Richter eine Geldstrafe von 200 Euro wegen Nötigung. Der 21-Jährige, der zur Tatzeit noch Heranwachsender war und nach Jugendstrafrecht beurteilt wurde, muss wegen versuchter gemeinschaftlicher Körperverletzung und zweifachen Diebstahls 40 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Letzterer kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland, bei ihm wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. „Möglicherweise gibt es bei ihm auch traumatische Kriegserfahrungen aus seinem Heimatland“, meinte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe.

„Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“, gab Hiestermann, der mit seinen Urteilen den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprach, den drei Männern, die sich bei dem Altenpfleger für ihre Taten entschuldigt hatten, mit auf den weiteren Lebensweg. Wenn sie weiter Straftaten begehen würden, müssten sie irgendwann mit einer Gefängnisstrafe rechnen.