Gerichtsprozess Foto: dpa/Arne Dedert

Ein 30 Jahre alter Mann wollte mehrere Tausend Euro erpressen – die Vorgeschichte ist verwirrend.

Kornwestheim - Wahre Liebe führt manchmal dazu, dass Menschen falsche Entscheidungen treffen. Und zwar so richtig. Ein 30 Jahre alter Mann, mazedonischer Herkunft und in Kornwestheim lebend, beschloss sogar wegen einer Liebe, die er für seine große hielt, zwei Drohbriefe an den Vater seiner Angebeteten zu schreiben. Er forderte den 47-Jährigen darin auf, ihm angebliche Schulden zurückzuzahlen. Ansonsten werde er Freunde vorbeischicken. Auch in der Türkei brauche der Ältere sich nicht mehr blicken zu lassen. Zudem warte eine „Pistole“ auf ihn. Am Ende verurteilte das Ludwigsburger Amtsgericht den 30-Jährigen wegen zwei Fällen von räuberischer Erpressung zur neun Monaten Haft zur Bewährung und 2000 Euro Strafzahlung, zu leisten an die Olgälestiftung.

Aber der Reihe nach: Kennengelernt hatte der 30-Jährige damalige Einzelhandelskaufmann die Frau, deren Familie aus der Türkei stammt, auf der Arbeit. Man kam sich anno 2018 näher, verbrachte Zeit miteinander. Der 30-Jährige wollte die Dame sodann heiraten und richtete sogar bereits eine gemeinsame Wohnung ein. Allerdings verstand er sich mit ihrem Vater nicht allzugut. Episodenhaft berichtete der Angeklagte von Streitereien am Telefon und per Messenger, einem Treffen mit dem Vater in der Feuerbacher Moschee, einem angeblichen Faustschlag des 47-Jährigen, der gegen ihn gerichtet war. Der Vater habe ihn wiederholt bedroht, ergänzte er. Der Ältere hätte ihm schon kurz, nachdem er die Tochter näher kennengelernt habe, geschrieben: „Wer bist du, du Hurensohn? Warum schreibst du mit meiner Tochter?“

Zwischenzeitlich kam es wohl zu einer Annäherung zwischen dem 30-Jährigen und dem 47-Jährigen, doch dann ging die Beziehung mit der Tochter ganz in die Brüche. Schuld war nach Ansicht des jungen Mannes natürlich erneut der Vater, der seiner Tochter verboten hätte, ihn zu ehelichen.

Die Erpresserbriefe schrieb er dann, wohl aus Wut und Rache, im April 2019. Eine Summe nannte er in den Schreiben nicht, telefonisch soll aber zunächst von 10 000 Euro, später von 5000 Euro die Rede gewesen sein. Der 30-Jährige begründete sein Anrecht auf das Geld damit, dass er bereits eine gemeinsame Wohnung eingerichtet und eine Kaution hinterlegt habe.

Seine Schuld räumte der Mann vor Gericht schnell ein und entschuldigte sich auch. Die Vorsitzende Richterin Carolin Brenner versuchte indes, den Dingen weiter auf den Grund zu gehen, auch wenn das nicht vollumfänglich gelang. „Ich versuche immer, zu verstehen“, sagte sie. „Aber das hier ergibt für mich keinen Sinn.“

Auch die Aussage des 47-jährigen Vaters im Zeugenstand half nur teilweise. Der Mann, dem eine Übersetzerin zur Seite gestellt werden musste, ließ kein gutes Haar an dem Angeklagten. Er widersprach Aussagen des 30-Jährigen und teilweise auch sich selbst. Als Problem schilderte er, dass seine Tochter noch mit einem Mann in der Türkei verheiratet gewesen sei. Er selbst könne ihr natürlich nicht vorschreiben mit wem sie eine Beziehung zu führen habe, ergänzte der Mann.

Er sagte aber auch aus, dass er sich jenen Mann schon habe genau anschauen wollen, der da um seine Tochter buhlte – ob dieser denn der richtige sei. Auch gab er an, der jungen Frau zwischenzeitlich das Handy weggenommen zu haben, weil darauf delikate Bilder gewesen sein sollen.

Die Rede war außerdem von erfundenen Vergewaltigungsvorwürfen der türkischen Familie gegenüber dem 30-Jährigen, nach denen dieser als Entschädigungsleistung 3000 Euro bekam – die der Vater nun wiederum zurückforderte.

Am Ende konnte das Gericht viele der Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen nicht aufschlüsseln, den Verlauf der Beziehungszerwürfnisse, die zu den Drohbriefen führten, nicht in Gänze nachvollziehen. Allerdings mussten das Staatsanwaltschaft und Gericht auch nicht – dass die angeklagten Taten so stattgefunden hatten, gehörte zu den wenigen Dingen, in denen sich der 30-Jährige und der 47-Jährige einig waren. Und: Dass der junge Mann in emotionaler Ausnahmesituation gehandelt hatte und nicht vorbestraft war, wurde ihm unter anderem zugute gehalten. „Hätte ich gewusst, dass ich wegen dieser Briefe hier lande“, so fasste der Angeklagte es zusammen, „dann hätte ich sie nie geschrieben.“