Mit Gottes Segen kann nun die Torte angeschnitten werden: In der evangelischen Gemeinde sind Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt. Foto: dpa/Ina Fassbender

Evangelische Segnungsgottesdienste gab es bisher eher unter dem Mäntelchen der Verschwiegenheit.

Kornwestheim - Pfarrer Horst Rüb ist sich ganz sicher: „Jesus würde gleichgeschlechtliche Paare niemals ausschließen. Niemals.“ Die evangelische Kirchengemeinde Kornwestheim kommt nun auch nicht mehr in die Verlegenheit, das tun zu müssen. Vom Oberkirchenrat hat sie offiziell die Genehmigung erhalten, Segnungsgottesdienste anzubieten, in denen sich schwule und lesbische Paare das Ja-Wort geben.

Auch in der Vergangenheit haben gleichgeschlechtliche Paare in einer der evangelischen Kirchen in Kornwestheim heiraten können – mit dem Segen der Pfarrerinnen und Pfarrer, aber ohne den Segen der Kirche. Die Gottesdienste wurden offiziell nicht angekündigt und quasi in das Mäntelchen der Verschwiegenheit gehüllt. Noch nicht einmal ein Eintrag ins Kirchenbuch wurde vorgenommen. Viele solcher „Geheimveranstaltungen“ gab’s nicht. „Vielleicht eine Handvoll“, sagt Rüb.

Seit Herbst 2019 in 25 Prozent der Gemeinden

Im Herbst 2019 konnte sich auch die Synode der württembergischen Landeskirche dazu durchringen, Segnungsgottesdienste zu erlauben – allerdings nicht überall, sondern nur in 25 Prozent der Gemeinden, die sich dafür auch noch bewerben mussten. Logisch, dass auch die evangelische Kirchengemeinde Kornwestheim die Hand streckte, war sie doch 2017 der Regenbogen-Initiative beigetreten, die sich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausgesprochen hat. In der Gemeinde selbst war das Engagement für Homosexuelle nie ein großes Problem. Zu einer eigens zu diesem Thema einberufenen Gemeindeversammlung im November des vergangenen Jahres waren gerade einmal elf Personen gekommen. Und dabei handelte es sich zum größten Teil um Kirchengemeinderäte und Beschäftigte der Gemeinde.

Nunmehr dürfen also Segnungsgottesdienste in Kornwestheim hochoffiziell und mit der Zustimmung der Landeskirche gefeiert werden. Sie unterscheiden sich in einigen Punkten zu den Trauungen zwischen Frau und Mann. So darf das Wort „Ehe“ nicht verwendet werden. Für Pfarrer Horst Rüb kein Problem: In der Bibel finde sich der Begriff auch nicht. Er darf auch nicht eine Trau-, sondern nur eine Verpflichtungsfrage stellen. Den Unterschied, sagt Rüb, gebe es nur in der Begrifflichkeit. Und in der Trauagende werden nicht die Bibelzeilen verwendet, die für gewöhnlich gesprochen werden. Aber sie würden auch inhaltlich nicht passen, weil dort von „Mann und Frau“ die Rede sei, so der Seelsorger.

Man dürfe sich keine speziellen Bibelstellen herauspicken und daran festhalten

Natürlich kennt Rüb die Kritiker dieser Segnungsgottesdienste. „Das sind Menschen, die ihren Glauben sehr ernst nehmen“, würdigt er deren Argumentieren. Gleichwohl hat der Theologe eine andere Sicht auf die Dinge. „Wir haben von Martin Luther gelernt: Man muss die Bibel von ihrer Mitte her lesen und sich am Leben Jesu orientieren.“ Man dürfe sich nicht einzelne Bibelstellen herauspicken und daran festhalten, so Rüb. Dr. Klaus Schaldecker, Vorsitzender des Kirchengemeinderates, hofft, dass die Betroffenen mit der Möglichkeit der Segnungsgottesdienste das Gefühl bekommen, in der Gemeinde und in der Kirche willkommen zu sein. Die Genehmigung des Oberkirchenrats sei aber auch ein gutes Zeichen für die Heterosexuellen, so Schaldecker: Ihre Kirche schließe niemanden aus.

Pfarrer Horst Rüb rechnet nicht mit einem großen Andrang von homosexuellen Paaren, die sich vor Gott und der Gemeinde die Treue geloben wollen – derzeit ohnehin nicht, weil wegen der Corona-Einschränkungen das Interesse an einer Trauung in der Kirche gegen Null tendiert. Sind große Feiern erst einmal wieder erlaubt, dann werden sich die Heiratswilligen – ob hetero- oder homosexuell – wohl auch noch gedulden müssen. Die Liste mit Paare, die sich vor Gott und der evangelischen Kirchengemeinde das Ja-Wort geben wollen und aufs Ende der Pandemie warten, ist lang.