Durch ein Feuer ist die bekannte Kathedrale Notre-Dame in Paris schwer beschädigt worden. Foto: dpa

Wieso sich das Feuer in Notre-Dame rasch ausbreitete, erklärt der Kornwestheimer Experte Rolf Bürle.

Kornwestheim - Auch am Tag, nachdem das Feuer in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ausgebrochen ist, ist der Brand das beherrschende Thema. Nur 20 Kilometer befindet sich die Sehenswürdigkeit von der Kornwestheimer Partnerstadt Villeneuve-Saint-Georges entfernt. Warum konnte sich der Brand so schnell ausbreiten? Und wie steht es um die Kirchen in Kornwestheim? Das erklärt Rolf Bürle, Fachberater für das Thema Brandschutz und aktives Mitglied der Feuerwehr, im Interview.

Herr Bürle, wie stellt sich die Situation im Fall Notre-Dame aus Ihrer Sicht dar?

Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Feuer dort noch nicht genauer beschäftigen konnte, weil ich gerade im Urlaub bin. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass das Problem bei solchen Gebäuden ist, dass wir riesige Räume und große Flächen haben, die nicht unterteilt sind. Notre-Dame ist meines Wissens nach rund 130 Meter lang. Bei der Landesbauordnung, die den Brandschutz regelt, sind im Inneren von ausgedehnten Gebäuden normalerweise alle 40 Meter Brandwände vorgeschrieben. Kirchen sind davon jedoch aus historischen Gründen explizit ausgenommen. Auch die Zufahrten sind bei Notre-Dame erschwert, wie es scheint. Im Fernsehen habe ich gesehen, dass die Feuerwehr selbst mit ausgefahrener Drehleiter nicht ganz heranreichte und deshalb das Feuer zum Teil von unten bekämpfen musste.

Für die Wehr war es also eine extrem schwierige Aufgabe, das Gebäude zu retten?

Ja, brandschutztechnisch war das Risiko nicht kalkulierbar. Allein schon aus Eigenschutz war es schwierig, das Gebäude zu retten, da ein Innenangriff nur schwer möglich war. Ich habe vor der Pariser Feuerwehr absolute Hochachtung. Hut ab, was diese Männer leisten. Es liegt sicherlich nicht an der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr, dass einiges zerstört wurde.

Wie kommt es, dass ein Brand so schnell gefährlich wird?

Die Zeit ist ein entscheidender Faktor. Je schneller man ein Feuer entdeckt und reagiert, desto geringer ist der Schaden. In den ersten zwei Minuten entwickelt sich das Feuer aus einem kleinen Glimmen. Erst danach breitet es sich aus. Dabei kann es im Gebäude so heiß werden, dass sich auch brennbare Stoffe entzünden, die nicht direkt mit dem Feuer in Berührung kommen. Bestandteil des gefährlichen Brandrauchs ist unter anderem Kohlenmonoxid. Das selbst explosive Gas steigert die Ausbreitung. Das hat man am Montagabend im Fernsehen gesehen. Mich hat gewundert, dass das Baugerüst nicht eingestürzt ist. Bei circa 750 Grad verliert selbst Stahl schlagartig seine Tragfähigkeit.

Es war die Rede davon, dass der Brand vielleicht mit der Renovierung zu tun haben könnte. Was wird bei solchen Arbeiten normalerweise unternommen, damit ein Feuer nicht ausbricht?

In Deutschland ist es üblich, dass es auf größeren Baustellen einen Fachbauleiter Brandschutz gibt, der während der Bauphase sicherstellen soll, dass unter anderem kein Feuer entsteht. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Arbeiten mit dem Schweißbrenner angemeldet werden müssen und es eine entsprechende Unterweisung gibt. Es kann auch sein, dass die Handwerker Löschgeräte dabei haben müssen oder sogar eine Brandsicherheitswache gestellt werden muss.

Die Johanneskirche wird derzeit auch saniert. Wie sähe es da bei einem Brand aus?

In der Johanneskirche wurden Zwischenwände und eine Zwischendecke eingezogen. Durch die neue Nutzung unterliegt das Gebäude der Landesbauordnung.

Und bei den übrigen Kirchen?

Das hängt stark davon ab, wann sie errichtet wurden, ob es reine Holzkonstruktionen sind oder ob sie aus Stein bestehen. Fast alle Dachkonstruktionen in der Region sind aus Holz, also ungeschützt. Die Martinskirche ist massiv, hat dicke Steinmauern und ist nicht ansatzweise von der Ausdehnung her mit Notre-Dame zu vergleichen. Aber die enge Dorfbebauung würde die Löscharbeiten erschweren. Es wäre schwierig, mehrere Drehleitern zu stellen. Das wäre eine Herausforderung für die Feuerwehr. Die katholische Kirche in der Johannesstraße steht frei und ist massiv gebaut. Beim Thomasgemeindehaus mit dem Flachdach erkenne ich auch kein Problem. Ich sehe keine Kirche in Kornwestheim als akut gefährdet an.

Wird der Löscheinsatz in solchen Gebäuden von der Feuerwehr geübt?

Speziell in Gotteshäusern werden keine Übungen durchgeführt, aber wir trainieren das Vorgehen bei ausgedehnten Dachbränden. Es gibt auch andere Gebäude wie Supermärkte und Industriehallen, bei denen diese entstehen können. Wenn es circa zehn Minuten richtig brennt, kann dort ein Dach einstürzen. Oft sind Stahlplattenbinder verbaut, die bei großer Hitze versagen. Reine Holzkonstruktionen sind weniger gefährlich, denn sie sind länger tragfähiger als Stahl.