Der „Rote Flitzer“ im Maßstab 1:87 aus dem Hause Märklin. Foto: Peter Meuer

Der „Rote Flitzer“ fährt jetzt im Maßstab 1:87. Märklin hat ihn in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Schienenbus nachgebaut.

Kornwestheim - Eric-Michael Peschel beugt sich über den Schreibtisch und hält den Zug dabei lässig in einer Hand. Es ist der „Rote Flitzer“ aus Kornwestheim, den er da auf der Handfläche balanciert. Oder besser gesagt: ein Modell davon, im Maßstab 1:87, Spurbreite H 0. Der „Schienenbus-Motorwagen“ ist zwar von edlem Rotweinrot, er wirbt aber für Bier. „Wir wollen Wulle“ steht auf seiner Seite geschrieben. Das Fahrgestell des Modells? „Aus Druckguss“, sagt Peschel. Das Gehäuse? „Ebenfalls aus Druckguss.“ Fast alles sei aus Druckguss, bis auf einige Kleinteile und das Interieur. Peschel, 52 Jahre alt, leuchtende Augen, ist der Leiter Event-Marketing bei den Modelleisenbahnspezialisten der Firma Märklin in Göppingen. Er ist seit 30 Jahren im Unternehmen. „Man muss Modelleisenbahnen verstehen“ sagt er, „man muss Fantasie haben“. Und: „Die Liebe zum Produkt, die ist wichtig.“ Deswegen lieben sie bei Märklin auch den Druckguss. Das Verfahren lässt es zu, in Serie sehr detailliert zu gießen – auch Kleinteile.

Bis auf die Niete genau ist auch der Rote Flitzer nachgebaut. „Man kann sogar eine kleine Figur auf die Toilette setzen“, sagt Peschel und lächelt. Dann steht er vom Schreibtisch auf und läuft ein paar Meter durch jene Werkstätten, wo sie bei Märklin Gebäude und Landschaften bauen, für Messen und Präsentationen. An einer Teststrecke bleibt er stehen und übergibt den kleinen roten Flitzer an Christoph Rabel, den stellvertretenden Abteilungsleiter Anzeigenbau. Der 25-Jährige setzt das Modell vorsichtig auf eine kerzengerade Teststrecke und gibt Strom. Knatternd setzt sich der Rote Flitzer in Bewegung. Sogar Original-Geräusche kommen aus kleinen Lautsprechern. Es zischt und brummt und rattert. Eine Schaffnerdurchsage warnt: „Vorsicht bei der Abfahrt!“

Das Original fährt wieder seit 2010

Der Rote Flitzer gehört zum Herbstprogramm von Märklin. Im Original ist er ein historischer Schienenbus aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Der Förderverein Schienenbus aus Kornwestheim hält ihn bis heute am Leben und lässt das restaurierte Gefährt seit etwa 2010 in Zusammenarbeit mit der DNV Touristik wieder in der Region rund um Stuttgart und Kornwestheim fahren.

Ohne dieses Know How hätte Märklin das Modell nur schwerlich erstellen und in den Handel bringen können. „Wir haben eng mit dem Verein zusammengearbeitet“, berichtet Peschel. Man habe den „großen“ Flitzer genau geprüft, angeschaut und von allen Seiten fotografiert. Ein ganz neues Zugmodell musste Märklin nicht bauen – was übrigens bis zu einer Million Euro kosten kann –, denn ähnliche Schienenbusse hat der Spielwarenhersteller bereits produziert, die grundlegenden Muster und Formen gibt es. Bei dem Termin 2016 ging es vor allem um „Aufdruck, Maßnehmen und Anpassen“, sagt Peschel. Details, immer sind es die Details. „Die müssen genau stimmen“, bekräftigt Peschel erneut.

Da ist zum Beispiel das große Übersatzfenster. Das habe nur die österreichische Variante des Schienenbusses, wie der Rote Flitzer eine sei, erklärt Edgar Seitz, Schatzmeister des Fördervereins. Die deutsche Variante sei nur mit einem kleineren Klappfenster ausgestattet gewesen. „Märklin arbeitet da sehr genau“, lobt Seitz. „Sie haben auch dieses Detail umgesetzt.“ Dass es den Roten Flitzer nun als Modell gebe, findet der 73-Jährige klasse. „Das steigert ja auch unseren Bekanntheitsgrad“, sagt er erfreut.

Die Fertigung des Spielzeug-Flitzers – der vor allem bei erwachsenen Sammlern unter dem Weihnachtsbaum landen dürfte – findet vollständig in Göppingen statt, obwohl Märklin vor allem große Reihen gerne auch im Werk in Ungarn bauen lässt. Nur in Göppingen gibt es bestimmte Abteilungen, beispielsweise die Galvanik. Besonders detaillierte und komplexe Modelle fertigen die Miniatur-Eisenbahn-Experten daher gerne am Stammsitz.

Der Flitzer ist schon ausgeliefert worden

Die Produktion hier kennt Christoph Rabel wie seine Westentasche. Der junge Eisenbahnexperte mit dem Musketierbart schreitet durch viele Türen und erklärt die Abteilungen in knappen, präzisen Sätzen. Da gibt es die Zink- und Drehgussabteilung, die sie bei Märklin so sehr mögen, die Dreherei, die Gussnachbearbeitung. Da gibt es Spritzguss und natürlich die Endmontage. Überall sitzen Arbeiter an modernen Maschinen, und doch geht hier ohne die Menschen und ihre Hände nichts. Die Produktion des Roten Flitzers ist bereits abgeschlossen, er ist schon vielerorts ausgeliefert. Doch auch die Modelle haben während der Produktion in vielen dieser Abteilungen „Halt gemacht“.

In der Farbgebung sitzt Valentina Raitz und bemalt kleine Rheingold-Waggons. Hier erhielt auch der Rote Flitzer seine dunkelrote Farbe und den Wulle-Aufdruck. „Die Arbeit macht Spaß“, schwärmt sie. Der Tampon-Druck, der sei besonders faszinierend. Hinter ihr rotiert und röhrt die Maschine mit den sogenannten Tampons, kleinen Silikonkautschuk-Kissen, die Schriften und Bilder auch auf schräge und verwinkelte Oberflächen genau aufbringen können. So kam auch die Wulle-Werbung auf den Flitzer. Sie war übrigens nicht auf den ursprünglichen Schienenwagen zu finden, sondern entstand in Zusammenarbeit mit der Dinkelacker-Brauerei, die das Projekt „Roter Flitzer“ des Vereins unterstützt.

Raitz ist seit 21 Jahren im Unternehmen, sie ist jetzt 52 Jahre alt, wie Eric-Michael Peschel. Als die beiden in den 60er Jahren geboren wurden, ratterten die original-roten Schienenwagen gerade auf Deutschlands Straßen. Es gab viele von ihnen und sie prägten das Bild in den Städten und auf dem Land. Der Förderverein Schienenbus will dieses Stück Bahn-Geschichte am Leben erhalten. „Märklin hilft dabei“, sagt Edgar Seitz. „Viele vom Verein haben jetzt auch ein Modell des Roten Flitzers zuhause.“