Noch renommierter als das Tucan-Studio: Ralf Mayer (links) werkelt mit Mark Forster (hinten) in den Londoner Abbey-Road-Studios, wo schon die Beatles aufnahmen. Foto: z

Ralf Mayer hat lange Jahre das renommierte Tucan-Studio in Kornwestheim betrieben. Der renommierte Produzent spricht über Corona.

Kornwestheim - Ralf Mayer hat im Musikbusiness schon einiges erlebt. Das Aufkommen der CD, später dann die mp3-Datei und schließlich den Machtgewinn von Streamingdiensten aller Art. Die Aufnahmetechniken veränderten sich, Bandmaschinen sind fast überall schon lange passé, ohne Computer und die entsprechenden Programme läuft nichts mehr. Und da wären ja auch noch die Künstler an sich. Früher, in den 1980er-Jahren, nahm er im Kornwestheimer Tucan-Studio in der Adlerstraße zahllose Demos für zahllose Bands auf. Heute schreibt er zusammen mit den Megastars der deutschen Poplandschaft Songs und Alben und nennt Gold- und Platin-Schallplatten sein eigen.

Aber das vergangene Jahr war auch für den 58-jährigen Musikproduzenten eines, das er sich in dieser Form nicht hätte vorstellen können. Corona legte den kompletten Konzert- und Auftrittssektor für Kunstschaffende lahm, wann es wieder losgehen kann, weiß niemand. Dabei ist Ralf Mayer im Gegensatz zu vielen anderen in der Musikszene noch in einer komfortablen Position – was er auch weiß und gern zugibt. „Ich bin wie ein alter Baum, der überall seine Wurzeln hat und von überall her Wasser ziehen kann“, plaudert der frischgebackene Vater eines Sohnes über die Freisprechanlage seines Autos drauf los.

Mayer ist auf dem Weg von seiner Wahlheimat Berlin, wo er seit dem Jahr 2015 lebt, nach Stuttgart. Ein bisschen „back to the roots“, zurück zu den Wurzeln also, das kann nicht schaden.

„Es wird ja nach wie vor Musik gehört – sogar mehr, weil die Menschen mehr Zeit haben“, sagt Ralf Mayer. Heißt: Sein Tätigkeitsfeld als etablierter Produzent, der das Erschaffen und das Aufnehmen von Musik in geordnete Bahnen lenkt, ist nicht gefährdet. Allerdings hätten es neue Künstler in dieser Zeit schwerer. „Die Plattenfirmen haben gerade nur wenige Möglichkeiten, um solche Künstler zu promoten. Konzerte gibt es nicht, Live-Sendungen sind auch schwierig.“ So könnten sich potenziell aufstrebende Newcomer nicht etablieren.

Was aber nicht heißt, dass nur noch die „alten Hasen“ Alben aufnehmen. „Produktionen von eher unbekannten Bands oder Solokünstlern werden gerade viele auf Halde gemacht“, berichtet Ralf Mayer. Sprich: Die Künstler stellen mit dem Produzenten eine Platte fertig, die im besten Fall irgendwann erscheint, wenn es der Live-Branche wieder besser geht. Den Begriff „ins Studio gehen“, der früher bei Aufnahmen gang und gäbe war, relativiert Mayer ohnehin: „Heute werden viele Dinge sowieso am Computer gemacht, ein Sänger oder eine Sängerin nimmt dann zuhause den Gesang auf, der anschließend nachbearbeitet werden kann.“

Ab und an muss man aber doch vor Ort sein, trotz Internet und trotz Corona. Wie zum Beispiel ein bekannter Sänger und eine Sängerin, die bald gemeinsam ein Duett veröffentlichen – deren Namen Mayer aber noch nicht verraten darf. „Da waren beide räumlich getrennt im Studio und hatten Masken auf, wenn sie sich abseits des Gesangs über den Weg gelaufen sind.“ An seiner derzeitigen Berliner Wirkungsstätte gebe es außerdem einen kleinen Hof. „Wir hatten auch schon die Idee, draußen aufzunehmen, aber bei den Temperaturen gerade wäre das wohl etwas anstrengend. . .“

Mayers Job hat sich also gar nicht so sehr verändert in Zeiten von Corona. Er arbeitet schließlich mit Größen wie Clueso oder Mark Forster zusammen, die die Corona-Krise überstehen werden. Der Produzent weiß aber auch, dass es für andere nicht so rosig aussieht. „Mittelgroße Bands, die sich schon eine Fanbase erspielt haben, normalerweise in Clubs vor 700, 800 Zuschauern auftreten und mit den Konzerten ihr Geld verdienen: Die haben wirklich ein Problem.“ Diese Gruppen hätten kein Geld für entsprechende Studioaufnahmen – auch, weil die Einnahmen im Merchandise-Bereich wegfielen.

Konzerte ins Internet zu übertragen war vor allem während des ersten Lockdowns im Frühjahr die fast logische Konsequenz und eine Alternative, die einige Künstler ausprobierten. Ralf Mayer kann dem nichts abgewinnen. „Das könnte auch eine Aufzeichnung sein. Bei einem richtigen Konzert spürt man den Bass, die Hitze, der Funke springt über, es gibt Interaktion zwischen Künstler und Publikum und nicht nur Herzchen, die über Instagram hochballern.“ Auch von Songs über Corona hält er wenig: „Das kann wie ein Versuch wirken, sich dem Zeitgeist anzubiedern. Das will in fünf Jahren niemand mehr hören, außerdem haben doch eh alle die Schnauze voll von dem Thema.“

Zuallererst die direkt Betroffenen. Was Mayer natürlich weiß: Am Live-Sektor hängen nicht nur die Existenzen von unzähligen Künstlern. Auch die Bühnen-, Ton und Lichttechniker leiden – die gesamte Branche kämpft ums Überleben. Hierzu berichtet der Wahl-Berliner von einem Gespräch, das er jüngst mit eben jenem Mark Forster geführt hat – und das eine besondere Crux offenbart: „Er hat mir erzählt, dass er den Leuten, die live für ihn arbeiten, einen Vorschuss angeboten hat. Die hätten aber abgelehnt, weil sie sonst keine Hilfe mehr vom Staat bekommen würden. Das ist krass.“

Auch die Einnahmen und damit die Ausschüttung der Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) werden laut Mayer einbrechen. „Auch da haben wir zum Beispiel mit Mark Forster noch Glück, weil von ihm eben viel im Radio gespielt wird.“

Inzwischen hat Ralf Mayer während des Gesprächs einige Kilometer auf den Autobahnen in Richtung Süden abgespult. Ob er bei seinem Trip in die baden-württembergische Landeshauptstadt auch dem mittlerweile untervermieteten Tucan-Studio einen Besuch abstatten wird, lässt er offen. Als durchaus wahrscheinlich kann aber gelten, dass er in wenigen Jahren seine Zelte wieder dauerhaft im Stuttgarter oder Ludwigsburger Umland aufschlagen wird. „Ich möchte meinen Sohn eigentlich nicht in Berlin auf die Schule schicken“, gibt er unumwunden zu. Außerdem stamme seine Freundin auch aus der Ludwigsburger Ecke. „Und der offizielle Geschäftssitz meines Unternehmens ist immer noch in der Kornwestheimer Adlerstraße.“