Baum auf dem Salamander-Gebäude. Foto: Verein für Geschichte und Heimatpflege/privat

Ruth Kappel vom Verein für Geschichte und Heimatpflege hat sich das Brauchtum genauer angeschaut.

Kornwestheim - Was wäre Weihnachten ohne Weihnachtsbaum? Und was wäre Weihnachten in Kornwestheim ohne Weihnachtsbaum auf dem Rathausturm? Ruth Kappel vom Verein für Geschichte und Heimatpflege hat im Vereins- und im Stadtarchiv nach Weihnachtsbäumen geforscht und festgestellt, dass der Baum auf dem Turm nicht der erste war, der in aller Öffentlichkeit gezeigt wurde.

Grün als Lebenssymbol

Der Brauch, Grün als Lebenssymbol zu nutzen, geht in die vorchristliche Zeit zurück. Immergrüne Pflanzen wie Fichte, Tanne, Kiefer, Eibe, Stechpalme, Mistel, Wacholder oder Efeu standen für Lebenskraft. Das Grün gab in hiesigen Breitengraden im dunklen, kalten Winter Hoffnung auf die Wiederkehr des Frühlings. Immergrüne Bäume und Zweige, zu Zeiten der Wintersonnenwende ins Haus gebracht, galten als Sinnbild des Lebens und der Fruchtbarkeit.

Ein christlicher Brauch

Der Weihnachtsbaum ist weder heidnisch noch protestantisch, sondern ein christlicher Brauch, der bereits in das Jahr 724 zurückgeführt werden kann. Bischof Bonifatius hatte damals ein heidnisches Menschenopfer durch das Fällen der Donar-Eiche verhindert und in diesem Zusammenhang die Menschen aufgefordert, einen immergrünen Nadelbaum als Baum des Christuskindes in den Häusern aufzustellen, um sich dort zu versammeln und Gaben der Liebe und der Güte darzubringen. Diese Legende ist in zahlreichen Handschriften belegt.

Der Baum in der Öffentlichkeit

Ein Beleg für einen frühen Weihnachtsbaum im städtischen Umfeld geht auf das Jahr 1419 zurück, als in Freiburg im Breisgau die Zunft der Bäcker dem Heiliggeistspital der Stadt einen Nadelbaum stifteten, aufstellten und schmückten. Der Baum soll damals mit Naschwerk, Früchten und Nüssen verziert gewesen sein. Eine weitere Spurensuche führt ins Elsass. In Schlettstadt fand sich für das Jahr 1521 der erste gesicherte Beleg, dass nicht nur in öffentlichen Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen, sondern auch in Privathäusern die Christbäume aufgestellt wurden.

Nur für Wohlhabende

Zunächst waren Tannenbäume selten und teuer. Nur die reicheren Bevölkerungsschichten konnten sich einen solchen Weihnachtsbaum leisten. Die Beschaffung der Christbäume, damals vor allem Weißtannen, wurde für die Forstleute in Deutschland zu einem Problem. In alten Forstverordnungen findet man einschränkende Vorschriften oder Verbote mit Strafandrohungen. Dass sich die Kornwestheimer für die Zeit nach 1851 in der Weihnachtszeit keiner solchen Waldvergehen zuschulden kommen ließen, belegen die Strafverzeichnisse im Stadtarchiv. Aber heimlich und unerlaubterweise Weihnachtsbäume zu schlagen, das war kaum möglich, denn in Kornwestheim gab es kaum Wald. Das bis 1773 noch in Kornwestheimer Besitz vorhandene Waldstück Lerchenholz war an Ludwigsburg verkauft und in der Folge gerodet worden.

Der Weihnachtsbaum in Kriegszeiten

Eine allgemeine Verbreitung des Weihnachtsbaums als „echt deutsches“ Festsymbol brachte zuerst der deutsch-französische Krieg 1870/71. Am Heiligabend dieses Kriegswinters waren auf Wunsch der aristokratischen Heerführer in den Lazaretten, Quartieren und Unterständen Weihnachtsbäume aufgestellt worden. Die heimgekehrten Soldaten sorgten dann dafür, dass bald in jedem deutschen Haus ebenso ein Weihnachtsbaum erstrahlte. Der Baum wurde zum Symbol für deutsches Wesens, verbunden mit der bürgerlichen Utopie von einer heilen Welt.

Weihnachten in der Familie

In den Lebenserinnerungen des Kornwestheimers Alfred Retter aus dem Jahr 1926/27 findet man eine Beschreibung des Heiligen Abends: „ Der Heilige Abend kam, Vater hatte den Christbaum gerichtet. Er bohrte manchmal noch ein Loch in den Stamm, damit der Baum noch formschöner wurde. . . . Endlich klingelte meine Mutter mit dem Glöckchen am Christbaum, und ich durfte in die gute Stube. Die Kerzen am Baum brannten, und nun sagen wir alle miteinander ,Stille Nacht’, erst dann war die Bescherung.“

Weihnachten und Wirtschaftswunder

Das nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Wirtschaftswunder mit dem sich verändernden Konsumverhalten hat auch den Weihnachtsbaum vereinnahmt. Es kam einiges zusammen, was den Weihnachtsbaum als freundliches Zeichen gemütlicher Familienfeiertage entwertete, vor allem sein vorzeitiges Aufstellen und die Vermarktung. Er blieb nicht mehr beschränkt auf den wundersamen Augenblick am Heiligen Abend, sondern erstrahlte schon vorher allzu häufig als Reklame, besonders aber in voller Funktion auf den Weihnachtsfeiern von Schulen, Vereinen und Betrieben. Jeder sollte seine gemütsstärkende Wirkung spüren.

Der Baum in der Öffentlichkeit

Die Armen, die sich keinen Baum leisten konnten, durften ihn als Baum für alle von der ersten Adventswoche an auf besonderen Plätzen der Städte erleben. Diese Sitte kam nach dem Ersten Weltkrieg aus Amerika, wo eine Frau namens J. B. Herreshof 1912 erstmals auf dem Madison-Square von New York eine solche Lichtertanne mit elektrischen Kerzen errichtet hatte. Nun strahlte der Straßenweihnachtsbaum auch in Deutschland (erstmals 1924 in Weimar) als sentimentales Zeichen für Nächstenliebe und soziales Festverständnis in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit auf den Plätzen der Großstädte.

Salamander, Rathaus und Stotz

In Kornwestheim gab es 1928 den ersten öffentlichen Weihnachtsbaum, der elektrisch beleuchtet war. 1927/28 hatte das Salamandergebäude entlang der Stammheimer Straße die heutige architektonisch geschlossene, einheitliche Front erhalten. Der krönende Abschluss dieser Bauaktivitäten war die Inbetriebnahme der weithin sichtbaren mächtigen Salamander-Leuchtschrift auf dem Dach im März 1928, die bis heute bei Dunkelheit erstrahlt. Ergänzt wurde sie im Dezember 1928 noch durch einen elektrisch beleuchteten Christbaum auf dem Verwaltungsgebäude, der aufgrund seiner Lage weithin sichtbar war. 1934 stand dann im März nicht nur der Richtfestbaum auf dem neu gebauten Wasserturm des Rathauses, sondern zum 1. Advent der erste städtische, elektrisch beleuchtete Weihnachtsbaum. Auch die Firma Stotz stellte sich einen Baum aufs Gebäude. Wann dort der erste Baum leuchtete, konnte noch nicht geklärt werden. Mit Kriegseintritt im September 1939 waren beleuchtete Weihnachtsbäume über den Dächern in Kornwestheim nicht mehr möglich. Nach Recherchen des früheren Stadtarchivars Marco Nimsch leuchtete 1948 zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg wieder ein Baum vom Turm. Bis 1992 sorgten die amerikanischen Soldaten dafür, dass die Tanne auf den Rathausturm kam. Und sie übernahmen auch die Kosten dafür. 1992 beschloss der Gemeinderat, dass Kornwestheim diesen besonderen Weihnachtsbrauch weiterhin pflegen wollte – als Symbol des Lebens und des Friedens und als Alleinstellungsmerkmal für die Stadt.