Zum Haareraufen: Die Fans verfolgen die DFB-Niederlage im Kornwestheimer Hirschgarten. Foto: Peter Mann

Im Biergarten konnten die Fans sogar ohne Test die EM verfolgen – dank niedriger Corona-Inzidenz.

Kornwestheim - Es ist ein befremdliches Gefühl, abends durch die Innenstadt zu gehen und vor den Lokalen Menschen sitzen zu sehen, während aus allen Richtungen Fußballgeräusche dröhnen. Abseits der Gastronomie sind die Kornwestheimer Straßen nach 21 Uhr wie leergefegt. Früher hätte man gesagt: „Läuft gerade ein wichtiges Deutschlandspiel?“ Heutzutage fragt man sich eher, ob die Ausgangssperre schon wieder greift. Aber im Gegenteil: Pünktlich zum ersten deutschen Spiel dieser EM ist im Kreis Ludwigsburg sogar die Testpflicht für die Außengastronomie weggefallen.

Sogar ein Hund zeigt beim Deutschlandspiel Flagge

Zwei Deutschlandflaggen sind im Hirschgarten aufgestellt. Ein Gast hat noch eine im Miniformat mitgebracht, ansonsten sind die Besucher spärlich ausgerüstet: Nur vereinzelt tragen sie Trikots oder Blumenketten. Am auffälligsten sieht Mina aus. Die neunjährige Hündin will zwar eigentlich ein gemütliches Schläfchen unter dem Tisch machen, ist als Hund im Trikot aber der Hingucker im Biergarten. „Wir haben unsere Trikots nicht gefunden, aber das vom Hund. Deshalb dachten wir, wir zeigen so Flagge“, sagt Minas Frauchen.

Flagge zeigen, auch bei einem starken Gegner mit der deutschen Mannschaft fiebern – das will im Hirschgarten jeder. „Ich bin für Deutschland, aber Frankreich ist schon ultra gut“, sagt Stella Thomas, „ich tippe 2:1.“ Die junge Frau ist mit zwei Freundinnen aus Zuffenhausen nach Kornwestheim gekommen. „Wir wollten spontan irgendwo hin, um das Spiel zu schauen und hier musste man sich nicht testen lassen“, sagt Alexa Janetzko. Zuhause in Stuttgart hätten sie nicht so frei agieren können.

Viele sind froh, wieder gemeinsam Fußball gucken zu können

Viele nutzen den deutschen EM-Auftakt für ein erstes kleines Public Viewing. „Allein, dass man wieder in einen Biergarten gehen darf, ist geil“, sagt Robert Erk, ein Gast aus Kornwestheim. „Eine größere Veranstaltung mit mehr Stimmung wäre schon besser gewesen, aber wir sind froh, dass es jetzt überhaupt so möglich ist“, sagt Eva Becker, die mit Freunden da ist.

Für Wirte sind Sommer, EM und viele Lockerungen freilich die perfekte Kombination, um wieder Kundschaft in die Biergärten zu locken. „Die vergangenen zwei Wochen waren düster“, sagt Mitko Pelovski, der Inhaber des Hirschgartens, „ich hatte vielleicht zehn Mittagstische. Heute waren es 60.“ Das dürfte daran liegen, dass die Gäste nun ohne Coronatest kommen können. Auch am Abend zum Spiel sind alle Plätze im Biergarten belegt – nur im Irish Pub auf der anderen Seite gibt es noch freie Tische. „Ich hätte nicht gedacht, dass diese EM so euphorisch wird“, sagt Pelovski. Der gebürtige Mazedonier läuft den ganzen Abend im Deutschlandtrikot durch den Biergarten. „Ich bin seit 40 Jahren hier, mein Herz schlägt für Deutschland“, sagt er, „ich kriege Kopfschmerzen, wenn wir verlieren.“

Ob der Wirt am Ende Kopfschmerzen hat, ist nicht bekannt

Ob sich die Kopfschmerzen mittlerweile gelegt haben, ist nicht bekannt. Aber sie waren sicherlich da. Bei jedem Tor und jeder verpassten Chance der Deutschen geht ein Raunen oder ein „Oooh“ durch die Reihen. „Das gibt’s doch nicht, ey“, hört man aus einer Ecke. Eigentlich haben die, die auf einen 2:1-Sieg für Frankreich getippt haben, gar nicht so unrecht: Les Bleus haben zweimal getroffen – beide Male knapp Abseits. Und Deutschland hat einen Ball reingekriegt – nur leider ins falsche Tor. Nicht gerade ein Abend zum Feiern. Vielleicht will deshalb keine richtige Public-Viewing-Stimmung aufkommen – oder wegen des Abstands zwischen den einzelnen Tischen. „Es konnte sich auch im Vorfeld keine Stimmung oder Vorfreude entwickeln, weil keiner wusste, dass wir das Spiel hier heute gemeinsam anschauen können“, sagt ein Besucher aus Ludwigsburg.

Am Samstag trifft Deutschland auf den nächsten Vorrundengegner. Mitko Pelovski stellt dann einen zweiten Fernseher im Hirschgarten auf. Vielleicht bringt das die nötige Stimmung – und den nötigen Sieg.