Wartet auf seinen Einsatz: Der Tausendfüßler soll die Brücke (hinten im Bild) an ihren Bestimmungsort transportieren. Foto: Marius Venturini

Die Arbeiten an der neuen Bahnbrücke am westlichen Knick der Bahnhofstraße schreiten voran.

Kornwestheim - Seit Ende März ist am westlichen Knick der Bahnhofstraße kein Durchkommen mehr. Der Grund: Die Eisenbahnbrücke wird erneuert, dafür mussten Spezialisten zunächst den Baugrund untersuchen und die Straße verstärken. Nur so können die neuen Brückenbauwerke, die schon komplett fertig bereit stehen, an Ort und Stelle gefahren werden. Das geschieht zwischen dem 22. Mai und 7. Juni mit schwerem Gerät – und in Tag- und Nachtschichten.

Die Zahlen sind beeindruckend: Die beiden neuen Brückenteile brauchen zwar lediglich die Fläche eines Zehntels eines Fußballfeldes, was etwa 705 Quadratmetern entspricht. Sie wiegen insgesamt aber stattliche 3800 Tonnen. Bei dem Vorhaben werden laut der Deutschen Bahn rund 1650 Tonnen Gleisschotter sowie 650 Kubikmeter Stahlbeton verbaut. Die Bahn investiert circa 13 Millionen Euro in die neue Brücke. Sie ist eine von 900 Überführungen, denen der Konzern im Rahmen eines Modernisierungsprogramms eine Frischzellenkur verpasst. „In Baden-Württemberg stehen 2021 mit rund 2,07 Milliarden Euro so viele Mittel wie noch nie für die Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung“, teilt die Bahn mit.

Der Straßenraum wird umgekrempelt

Das Vorhaben im Bereich „Alter Markt“ ist nicht ohne. Im Zuge der Arbeiten krempelt die Stadt Kornwestheim auch gleich den gesamten dortigen Straßenraum um: neue Fahrradspuren, weniger Parkplätze, ein Bereich für Urban Gardening – das Gebiet wird später komplett anders aussehen als zuvor. Diese Arbeiten werden sich bis in den Herbst hinein ziehen.

Das größte Projekt ist aber ganz klar die Brücke. Doch soll die neue demnächst stehen, muss die bisherige erst weichen. So gilt es zunächst, die um 1900 entstandene alte Brücke abzureißen. Die beiden neuen Bauwerke sind 26 beziehungsweise 21 Meter lang. Sie wurden zwischen Januar und Mai direkt vor Ort neben der alten Brücke hergestellt und warten nun darauf, an Ort und Stelle verfrachtet zu werden. Das geschieht nach dem Abriss der alten Überführung, also Ende Mai.

Und nun wird es knifflig. Denn die beiden Schwergewichte werden aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht von oben eingefügt, wie es bei ähnlichen Bauvorhaben häufig geschieht. „Die beiden Bauteile wären dafür viel zu schwer“, informiert eine Bahn-Sprecherin auf Nachfrage unserer Zeitung.

Also muss in Kornwestheim ein Spezialverfahren her. Die Betonteile werden im 90-Grad-Winkel „eingeparkt“. Getragen werden die beiden riesigen Blöcke von einem sogenannten Tausendfüßler, einem Baufahrzeug mit insgesamt 66 Achsen und 132 Rädern. Der englische Fachbegriff lautet SPMT, was für Self-Propelled Modular Transporter steht, also einen selbst-angetriebenen Modulartransporter. Spezialisten haben bereits am Montag damit begonnen, das komplexe Gerät mittels eines Krans zusammenzusetzen und in Position zu bringen. Der Tausendfüßler war zuvor mit mehreren Sattelschleppern angeliefert worden. Er wird von der Firma Riga aus Mainz gestellt. Wenn die Brückenbauteile zusammengefügt sind, beginnt der Schlussspurt: Gleise und Oberleitungen werden verbunden. Am 7. Juni geht die neue Brücke voraussichtlich in Betrieb.

Bahnverbindungen teilweise gekappt

Für die Dauer der Arbeiten wird die Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ludwigsburg teilweise gekappt. Doch nicht nur das: Es wird auch laut. So laut, dass die Bahn den Anwohnern in der Bahnhofstraße, der Holzgrundstraße, der Villeneuvestraße, der Schubartstraße und im Klaraweg Übernachtungen im Hotel angeboten hat. Das sei in bestimmten Fällen üblich, wie der Konzern auf Rückfrage mitteilt. Allerdings ging die schriftliche Info, datiert vom Dienstag, 18. Mai, erst recht kurzfristig bei den Anwohnern ein. Weshalb, darüber machte die Bahn keine Angaben.

Das Schreiben liegt unserer Zeitung vor. Darin listet die Bahn auf: Vom 23. bis 24. Mai sind Ramm- und Bohrarbeiten geplant, die Abbrucharbeiten an der alten Brücke erstrecken sich vom 25. bis 28. Mai. Sogenannte Gleisstopfarbeiten finden vom 3. bis 5. Juni statt.

All das verursacht abseits des unvermeidbaren Baulärms besonders viel Krach, auch nachts. Noch bis zu diesem Donnerstag, 20. Mai, können sich Bürger, die schlaflose Nächte befürchten, in Sachen Hotel bei der Bahn melden.