Joachim Krähling und Anna-Lena Kübler: Sie leiten zusammen mit anderen Auszubildenden die Aldi-Filiale am Kimry-Platz. Foto: Eva Tilgner

Bis zum 24. Februar leiten die Auszubildenden im dritten Lehrjahr die Aldi-Süd-Filiale am Kimry-Platz.

Kornwestheim - Habt ihr nur zwei Kassen besetzt?“ Mit dem Headset spricht Anna-Lena Kübler über Funk mit der Kassiererin. Mit wenigen Sätzen gibt die neue Chefin der Aldi-Süd-Filiale am Kimry-Platz ihre Anweisungen der Mitarbeiterin an der Kasse. „Es ist immer alles gleichzeitig“, stöhnt sie. Da hat man am Abend die Frühschicht für den nächsten Tag vorbereitet, schon wird ein Mitarbeiter krank oder ein Techniker kommt und wirft die ganze Planung über den Haufen. ,„Selbst die Verantwortung zu tragen, das ist unsere Herausforderung“, sagt Anna-Lena.

Zwei Wochen darf sie mit 15 weiteren Auszubildenden der Aldi-Süd-Regionalgesellschaft Murr im Discounter am Kimry-Platz die Rolle als Filialleiterin spielen. „Sonst erledigen wir einfach die Aufgaben, die wir gestellt bekommen“, erklärt sie den Unterschied. Bis zum 24. Februar noch heißt es für den Aldi-Nachwuchs im dritten Lehrjahr: „Den Überblick behalten, koordinieren und organisieren.“

Im Schichtwechsel übernimmt jeder von ihnen in diesen zwei Wochen zweimal die Leitung. Ganz allein sind sie bei ihren Entscheidungen nicht: Jürgen Bublick, der „echte“ Filialleiter von Aldi Süd am Kimry- Platz, steht ihnen beratend zur Seite. Im Automaten werden Brezeln gebacken, Ware wartet darauf, dass sie abgepackt wird, der Pfandautomat bimmelt, die Kassiererinnen wollen gleichzeitig in die Pause gehen. „Was machen wir jetzt?“, fragt er seine „Chefs“. Ihm macht der Positionswechsel sichtlich Spaß: „Im dritten Lehrjahr wollen sie etwas erreichen. Es ist einfach schön, den Auszubildenden beim nächsten Schritt zu helfen.“ Jedes Jahr „ernennt“ Aldi Süd zwei Standorte für das ungewöhnliche Ausbildungsprojekt. Schon zum dritten Mal ist dabei die Aldi-Filiale in Kornwestheim in der Hand der Auszubildenden. „Wir bekommen durchweg positives Feedback“, berichtet die Regionalverkaufsleiterin Madeleine Betz. Und zwar nicht nur von denen, die die Zügel für kurze Zeit im Laden in der Hand halten, sondern auch von den Kunden. „Ich finde es gut, dass die Auszubildenden sich in der Praxis bewehren und nicht nur als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden“, sagt eine Kundin aus Kornwestheim. Ohne das große Schild am Eingang „Diese Filiale wird von Azubis geleitet“ hätte sie gar keinen Unterschied zu sonst bemerkt. „Hier fehlt es an nichts“, pflichtet auch ein anderer Kunde anerkennend bei. Das hört der neue Boss auf Zeit, Johannes Krähling, gern. Vor seinem ersten Arbeitstag als Filialleiter am Kimry-Platz hatte der Auszubildende aus der Filiale Forchtenberg nicht so gut geschlafen. „Da überlegst du dir dann, was da alles auf dich zukommen kann“, erinnert er sich. Bevor die ersten Kunden überhaupt einen Fuß in „sein“ Geschäft setzen, ist der junge Leiter schon am Rotieren: Lagert das frische Fleisch in der Kühltheke und das Obst im Obstregal, bevor die ersten Kunden in der Tür stehen? „Ihr müsst mehr delegieren“, rät Jürgen Bublick aus dem Hintergrund. Delegieren heißt, den anderen gleichaltrigen Kollegen sagen, was sie zu machen haben und was nicht. Ist das nicht komisch? „Wir ziehen alle an einem Strang“, sagt Johannes Krähling. Da jeder von ihnen dran sei mit der Leitung der Filiale, wollten alle mitmachen. „Wir haben uns auf die Zeit als Filialleiter gefreut“, sagt Anna-Lena Kübler. Das sei eine gute Vorbereitung auf die Prüfung als Einzelhandelskauffrau, die im Sommer bei ihnen ansteht. Außer dem pädagogischen Aspekt steht für Regionalverkaufsleiterin Madeleine Betz auch noch ein anderer Vorteil im Vordergrund: „Die Aldi-Azubi-Filiale ist super wichtig, um junge Leute für die Ausbildung zu begeistern.“ Die Werbekampagne führen die jungen Chefs selbst: Auf ihrer extra eingerichteten Instagram-Seite posten sie Fotos von ihrer Arbeit als „Aldi-Chefs“. Abgesehen von 100 neu gewonnenen Followern, sind sie auch bei erwachsenen Kollegen beliebt. Eine von ihnen sagt: „Ich hätte das gern in meiner Ausbildung gemacht“