Kreuzung der Stuttgarter Straße und der Langestraße – Anwohner beschweren sich regelmäßig über Falschparker im Bereich des Praxis-Eckhauses. Foto: Sophia Herzog

Die Stadt nutzt die Anzeigen von Bürgern, die falsch parkende Fahrzeuge ablichten und dem Ordnungsamt melden.

Kornwestheim - Es war nur ein kurzer Augenblick: Ein Kornwestheimer hatte – halb auf dem Gehweg stehend – in der Langestraße im Halteverbot gehalten, um seine Frau aus dem Auto steigen zu lassen, die eine Operation in einer Arztpraxis über sich ergehen lassen musste. Ein paar Tage später flatterte ein Knöllchen ins Haus des Ehepaars. Ein Anwohner hatte das Fehlverhalten in einem Foto festgehalten und an die Stadt Kornwestheim geschickt. Die nahm es dankend entgegen und bat den Verkehrssünder zur Kasse.

„Hat meine Stadt das notwendig?“, fragt die Patientin entrüstet in einem Schreiben an unsere Zeitung. „Was sind das für Methoden? Die Stadt hat keine Hemmungen, dieses Spiel mit ihren Bürgern zu spielen.“ Und die Kornwestheimerin stellt auch die Frage nach dem Datenschutz. Darf ein Anwohner Autos samt Kennzeichen ablichten und an die Stadtverwaltung weiterleiten?

Fotograf versorgt die Stadt regelmäßig mit Fotos und Infos

Der „Fotograf“ aus der Langestraße ist der Stadtverwaltung bestens bekannt. Regelmäßig „versorgt“ er den zuständigen Fachbereich Recht, Sicherheit und Ordnung mit Informationen über Verkehrssünder vor seiner Haustür – nicht ohne übrigens en passant seine Unzufriedenheit mit der Arbeit des Kornwestheimer Vollzugsdienstes kundzutun. Seine Informationen schickt er auch gleich unserer Zeitung. Viel zu selten wird seiner Ansicht nach in der Langestraße kontrolliert. Mitunter greift er in seinen Mails, die er auch an das Landratsamt schickt, Oberbürgermeisterin Ursula Keck persönlich an und wirft ihr vor, sich nicht genügend um die verkehrlichen Missstände vor seiner Haustür zu kümmern.

Die Stadt nutzt die Unterstützung aus den Wohnungen ihrer Bürgerinnen und Bürger gerne. Es handelt sich um sogenannte Privatanzeigen, und von denen würden 60 bis 70 Prozent nachverfolgt, sagt Michael Siegel, der neue Leiter des Fachbereichs Recht, Sicherheit und Ordnung. Bei den übrigen mangle es an Beweismitteln, oder die Sachlage sei unklar.

Nicht wenige Kommunen fördern die Hilfe ihrer Bürgerinnen und Bürger, haben sogar eigene E-Mail-Adressen oder Apps eingerichtet. Die Stadt Köln erhofft sich laut der Zeitschrift „Kommunal“ durch die „Bürgersheriffs“ Mehreinnahmen in Höhe von 400 000 Euro. Der Westdeutsche Rundfunk hat recherchiert, dass sich die Zahl der Meldungen von Privatpersonen in Aachen innerhalb eines Jahres verdreifacht hat. Die Stadt Mönchengladbach hat eigens eine App eingerichtet, über die Bürgerinnen und Bürger Falschparker

melden können.

Privatanzeigen dürfen nicht anonym erfolgen

Damit die Kommunen auf die Unterstützung der „privaten Sheriffs“ zurückgreifen können, dürfen die Anzeigen nicht anonym erfolgen. Denn: Kommt es, weil sich die vermeintlichen Verkehrssünder zu Unrecht ertappt fühlen, zu einem Gerichtsverfahren, dann müssen die Informanten als Zeugen aussagen. Spätestens dann erfährt der Falschparker, wer ihn beim Amt angeschwärzt hat.

Die Situation an der Kreuzung Langestraße/Stuttgarter Straße ist übrigens schwierig – insbesondere deshalb, weil sich im Eckhaus eine Praxisklinik befindet, zu der auch viele Patienten kommen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Wo sollen die Taxifahrer und Angehörigen parken, wenn sie die Patienten zur Behandlung in die Langestraße fahren? Die Stadt sieht sich nicht in der Pflicht. Bei der gepflasterten Fläche vor dem Haus handle es sich um privates Eigentum, auf dessen Ausgestaltung die Stadt keinen Einfluss habe.

„Die Eigentümergemeinschaft kann, wenn gewünscht, eine Veränderung vornehmen“, schreibt die Stadt Kornwestheim auf eine Anfrage unserer Zeitung. Das bedeutet: Dort könnte ein Parkplatz entstehen. Aber: Die Zufahrt zu diesem Stellplatz würde sich extrem schwierig gestalten. Denn sie würde im Bereich des Abbiegestreifens von der Stuttgarter Straße in die Langestraße und der Fußgängerfurt verlaufen.