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Wegen einer hohen Gewerbesteuerrückzahlung gerät der Haushalt der Stadt in eine Schieflage. Nun müssen Kredite in achtstelliger Höhe aufgenommen werden.

Kornwestheim - Die Nachricht erreichte Oberbürgermeisterin Ursula Keck in der vergangenen Woche. Die Stadt muss aller Voraussicht nach knapp 17 Millionen Euro Gewerbesteuern an ein Unternehmen zurückzahlen, weil der Gewinn nach Einschätzung der Finanzbehörden zu Unrecht in Kornwestheim versteuert worden ist. Der Betrag muss laut Abgabenordnung mit sechs Prozent jährlich verzinst werden, sodass Kornwestheim im kommenden Jahr 21 Millionen Euro auf einen Schlag zurücküberweisen muss. Beim Unternehmen handelt es sich Recherchen unserer Zeitung zufolge – Keck und der Erste Bürgermeister Dietmar Allgaier nennen keine Namen – um die EnBW. Konzernsprecher Hans-Jörg Groscurth bestätigt das.

Am Samstag informierten Keck und Allgaier den Haushaltsausschuss des Gemeinderats, der sich turnusgemäß zur Beratung des Etatentwurfs 2015 verabredet hatte. Die Stadträte zogen bereits eine erste Konsequenz aus dieser Hiobsbotschaft: Investitionen in Höhe von drei Millionen Euro werden gestrichen, bei den laufenden Kosten muss jeder Fachbereich zehn Prozent einsparen. „Rasenmähermethode nennt man das“, so Allgaier. Damit kommen nochmals 6,7 Millionen Euro zusammen. Gleichwohl: Der Erste Bürgermeister glaubt, dass die Stadt einen Kredit von mindestens zehn Millionen Euro aufnehmen muss, um ihre von heute auf morgen entstandenen Schulden begleichen zu können.

Blick zurück ins Jahr 2007: Um Steuern zu sparen, beteiligte die EnBW Tochterunternehmen am Geschäftsgebaren. Eine dieser Töchter: Salamander in Kornwestheim. In das Schuhhandelsunternehmen war die EnBW in den 1990er-Jahren eingestiegen und hatte es später ganz übernommen. Salamander machte dank des EnBW-Modells gute Gewinne und bescherte der Stadt Kornwestheim satte Gewerbesteuereinnahmen. Gut 30 Millionen Euro verbuchte die Kommune seinerzeit insgesamt – so viel wie zuvor noch nie und später nicht mehr.

Bei einer Betriebsprüfung in diesem Jahr monierte die Finanzverwaltung das EnBW-Steuermodell, von dem der Konzern nach wie vor der Ansicht ist, dass es rechtlich wasserdicht ist. Fürs Unternehmen, sagt EnBW-Sprecher Hans-Jörg Groscurth, gehe es nicht alleine darum, wo die Gewerbesteuer bezahlt werden müsse, sondern insgesamt um das Gefüge zwischen Konzernmutter und -töchtern und um Beträge, die weit über das hinausreichen, was in Kornwestheim Thema ist. Deshalb ist das letzte Wort über das Ergebnis der Betriebsprüfung noch nicht gesprochen: Das Unternehmen will offensichtlich den Rechtsweg beschreiten und für sein Modell vor Gericht kämpfen. Ob sich die Stadt an diesem Rechtsstreit aufseiten der EnBW beteiligt, ist noch offen. „Uns liegen noch nicht alle Informationen vor“, sagt OB Ursula Keck. Es sei aber vorstellbar, auf jeden Fall soll Rücksprache mit Experten gehalten werden. Am heutigen Abend will ein Vertreter des Unternehmens in einer nicht öffentlichen Sondersitzung des Gemeinderats Rede und Antwort stehen und erläutern, was die EnBW seinerzeit gemacht hat und was sie nun zu tun gedenkt.

Hätte die Stadt wissen können, dass eine solche Rückzahlung droht? „Nein“, sagt Dietmar Allgaier, „es hat keinen Grund zum Misstrauen gegeben.“ Im Hintergrund habe ein großes Unternehmen gestanden, weshalb Gewinne in dieser Größenordnung letztlich nichts Ungewöhnliches seien. Ein gewisses Risiko gebe es bei jedem Steuerbescheid, der immer erst vorläufiger Natur sei. Und eine Summe über viele Millionen Euro zurückzulegen und abzuwarten, bis alle Verjährungsfristen verstrichen seien, das mache keine Kommune.

Neue Büromöbel, Ersatz für eine Kehrmaschine, die geplanten Infoterminals am K und auf dem Wetteplatz und die technische Ertüchtigung der Schulen für den Einsatz von neuen Medien – all das ist fürs kommende Jahr gestrichen. Die Hannes-Reiber-Halle findet sich nicht auf der Streichliste, weil Aufträge bereits vergeben sind. „Es würden Schadensersatzansprüche auf uns zukommen“, erläutert die OB. Ihr sei bewusst, „dass wir die Aufgaben nur aufschieben“. Irgendwann müssten Sanierungen vorgenommen und Ausgaben getätigt werden. Aber vor dem Hintergrund der drohenden Rückzahlung sei derzeit kein Geld dafür da. Keck lobt die Stadträte, die im Haushaltsausschuss eine große Solidarität an den Tag gelegt hätten.

In den nächsten Wochen wollen die Stadträte die Streichlisten durchackern und einen möglichst hohen Betrag zusammenbekommen, den sie nicht ausgeben. An Steuererhöhungen ist nicht gedacht. Der Haushalt soll wie geplant Mitte Dezember verabschiedet werden. Dann geht er zum Regierungspräsidium, wo er nun nicht nur geprüft wird, sondern auch genehmigt werden muss.