Klaus Ivanez mit einem der Kannengewächse aus seiner Sammlung. Foto: KS-Images.de

Fleischfressende Pflanzen sind eine Welt für sich. Klaus Ivanez hat sie vor 40 Jahren für sich entdeckt. Jetzt züchtet der 54-Jährige sie in seinen Gewächshäusern in Marbach.

Marbach - Die Gewächshäuser von Klaus Ivanez liegen etwas versteckt am Ortsausgang von Marbach in Richtung Affalterbach. Es hat etwas von Dornröschenschlaf, Besuch ist nur bei Anmeldung möglich. Nach einer dreijährigen Pause will der 54-jährige Experte für fleischfressende Pflanzen seine große Leidenschaft jetzt weiterverfolgen. „Viele Pflanzen sind noch nicht in dem Zustand, in dem sie sein sollten“, entschuldigt sich der Inhaber der Karnivoren-Zucht, er wolle sie aber wieder ausbauen und habe schon erste Schritte unternommen.

Der Mitarbeiter der Stuttgarter Wasserwirtschaft begann schon im Alter von zwölf Jahren, sich mit den fleischfressenden Pflanzen intensiv zu beschäftigen. Vor etwa zehn Jahren baute er seine Sammlung auf. „Das Interesse beim Publikum ist seitdem stark gestiegen“, sagt er. Besonders in England seien die Fleischfresser beliebt, wahrscheinlich weil Briten das Ausgefallene mögen und als Kolonialmacht schon immer eine weltweite Perspektive hatten. Faszination entsteht laut Ivanez auch durch die paradoxe Situation: „Eine Pflanze wird normalerweise vom Tier gefressen – hier ist es umgekehrt.“ Der Naturforscher Charles Darwin kam den Karnivoren auf die Schliche und machte sie bekannt.

Tatsächlich tut sich dem Gast im Innern der Gewächshäuser eine ganz eigene Welt auf. Tausende von Pflanzen stehen in Behältern auf Tischen. Große Gewächse mit langen Schläuchen, sogenannte Sarracenien stehen neben Pflanzen mit Kannen oder auch kleinere mit Fangarmen, Sonnentauen. Es gibt aber auch kleine Fettkräuter mit extrem klebrigen Blättern. Und nicht zu vergessen die bekannten Venus-Fliegenfallen mit ihren aufgeklappten Blättern, die wie Fangeisen zuschnappen. „Die Artenvielfalt ist riesengroß“, erklärt Klaus Ivanez, „noch heute werden auf dem malayischen Archipel wie auch überall in den Tropen neue Arten entdeckt.“ Deshalb reisten manche Hobby-Forscher auch dorthin. Ivanez selbst hat bei seinen Reisen und Ausstellungsbesuchen schon viel gesehen, er lege Wert auf den Artenschutz und sei gegen Raubbau an der Natur. „Ich möchte hier bei mir in Marbach die Vielfalt der einzelnen Arten erhalten.“ In seinen Gewächshäusern wolle er einen möglichst umfassenden Bestand präsentieren und dabei einzelne Pflanzen auf Anfrage verkaufen. „Ich kann mir auch vorstellen, Führungen für Schulklassen zu geben.“

Immer wieder hält Klaus Ivanez eine Pflanze hoch und erklärt deren Fangmechanismus. So etwa bei einer Schlauchpflanze, einer Sarracenia. Die hat oben einen Deckel, damit kein Regenwasser in den Schlauchschlund läuft. „Im Innern ist eine enzymhaltige Nährlösung – fällt ein Insekt hinein, ertrinkt es und wird zersetzt – Schläuche oder Kannen sind nichts anderes als ein Magen.“ Manche Pflanzen senden Lockstoffe aus, die Insekten finden beim Landen keinen Halt und rutschen am Schlauchrand ab, der für die krabbelnden Tiere glatt wie Bohnerwachs ist. Raffiniert eingebaut sind Fenster im Innern der oberen Kannenkrümmung. „Insekten fliegen ja zum Licht hin – das wird ihnen dort zum Verhängnis.“ Manche Pflanzen arbeiteten mit Haaren, die wie Reusen im Netz den Weg zurück versperren.

Um die Pflanzen in Schuss zu halten, muss Klaus Ivanez sie regelmäßig beschneiden und umtopfen. Und sie natürlich gießen. Er alleine wäre damit überfordert. Freunde helfen ihm dabei, und so schare sich eine Gemeinschaft von Pflanzenfans um ihn. Fachsimpeln gehöre natürlich dazu. Zahlreiche Geschichten und Erkenntnisse ranken sich um die Karnivoren. So wurden auch schon Nagetierskelette in Pflanzen gefunden, während Bienen und Hummeln – im Gegensatz zu Wespen und Fliegen – der Versuchung widerstehen, dort etwas Nahrhaftes zu suchen und nicht in die Falle tappen.

Es ist heiß im Gewächshaus an diesem Sommertag, und die Luft wirkt schwer und feucht. Die Pflanzen atmen, was die Frage aufkommen lässt, wie sie es im Winter bei niedrigen Temperaturen aushalten. Aber auch dieses Problem hat Klaus Ivanez bedacht. „Viele fleischfressende Pflanzen wollen eine luftige Umgebung“, sagt er und warnt vor stickigen Zimmern, in denen die Pflanzen dann ebenso eingehen, wie wenn sie mit kalkhaltigem Leitungs- statt Regenwasser gegossen werden. Im Winter sollten die Karnivoren in Treppenhaus, Garage oder ungeheiztem Zimmer aufbewahrt werden. Sie zeigten sich im Gewächshaus auch bei Minustemperaturen robust. Empfindliche Pflanzen lässt Ivanez bei 18 Grad an einem anderen Standort überwintern.