Rainer Bauer, Willi Kemmler und Angelika Rosenbohm (von links) betreiben die ehrenamtliche Schuldnerbegleitung der Diakonie. Foto: Oliver von Schaewen

Die Corona-Pandemie trifft wirtschaftlich Schwache – ehrenamtliche Beratung soll helfen.

Marbach/Bottwartal - Die Putzfrau der Gaststätte bekam von jetzt auf gleich den Stuhl vor die Türe gesetzt. Der Lockdown lasse ihm keine Wahl, hörte sie vom Chef. Ihr 450-Euro-Job endete abrupt: Miete und andere Kosten liefen weiter – die Schulden erdrückten sie mit der Zeit. Kein Einzelschicksal, sondern traurige Realität in Corona-Zeiten. Wie aber aus dem Schlamassel herauskommen? Rat weiß die Diakonische Bezirksstelle in Marbach.

Weil die Not gerade im Niedriglohn-Sektor derzeit groß ist, weist Rainer Bauer, Leiter der Stelle, auf die ehrenamtliche Schuldnerbegleitung in seinem Haus hin. „Wir rechnen mit mehr überschuldeten Menschen durch die Corona-Pandemie und verstehen uns als Brücke zur offiziellen Schuldnerberatung des Landkreises Ludwigsburg“, sagt Bauer. Dort sei es oft schwierig, schnell einen Termin zu bekommen. Wer aber dringende Probleme hat, könne direkt bei der Diakonischen Bezirksstelle anrufen.

Im Idealfall sitzt ein Schuldner wenig später Willi Kemmler oder Angelika Rosenbohm gegenüber. Beide wollen Überschuldeten helfen, Ordnung in ihre Finanzen zu bringen und eine Perspektive zu entwickeln. „Oft verstehen die Betroffenen nicht die Bescheide von Versicherungen oder Inkassobüros“, weiß der 65-jährige Kemmler, der als Bankkaufmann und Betriebswirt ebenso vom Fach ist wie Angelika Rosenbohm. Die 64-Jährige aus Erdmannhausen kennt sich als Filialberaterin im Bankenwesen gut aus. Jetzt möchte die Rentnerin ihre Erfahrungen zum Wohl anderer einbringen. „Die Scham, überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist hoch“, sagt sie und hat damit vor allem Ältere im Blick. Das Menschliche steht bei der Schuldnerbegleitung im Vordergrund. Kemmler, als Christ in der evangelischen Kirchengemeinde aktiv, berät seit einem Jahr ehrenamtlich Schuldner. „Wir hören zuerst einmal zu“, sagt er, dann könne man im zweiten Schritt klären, wo es am meisten klemmt. „Oft gibt es mehrere Probleme.“ Bei allen Klienten gehe es darum, die Existenz zu sichern. Das Wasser steht den Überschuldeten insbesondere dann bis zum Hals, wenn der Energieversorger den Strom abstellen oder der Vermieter ihnen kündigen will.

Überschuldung muss nicht selbst verschuldet sein, weiß Rainer Bauer. Wer arbeitslos werde, könne leicht zum Empfänger von Sozialleistungen werden. „Der ÖPNV-Satz bei Hartz-IV beträgt 28 Euro im Monat – damit kommt man nicht weit, wenn man damit auch zum Jobcenter oder zu Bewerbungsgesprächen fahren muss.“ Für ihn sei es wichtig, dass die Menschen wieder eine Perspektive gewinnen. Einigen von ihnen hilft er mit Geldzuwendungen aus dem Gröbsten. „Wir stehen in Kontakt mit Stiftungen“, erklärt Bauer. Er unterscheide zwischen Hilfesuchenden mit und ohne eine direkte Perspektive: „Wenn es absehbar ist, dass jemand bald wieder durch einen Job zurecht kommt, mache ich einen Darlehensvertrag und gewähre Überbrückungsgeld.“ Sonst gibt es die Hilfen ohne Darlehen. Klienten sollten aber nicht mit der Erwartung kommen, dass sie einfach nur Geld abholen könnten. „Uns ist die Zusammenarbeit wichtig.“ So übergebe man oft die eigenen vorbereiteten Fälle der Schuldnerberatung des Landkreises, die auch in der Diakonischen Bezirksstelle berate.