Die Stadt will den Ausbau der Elektromobilität forcieren. Foto: dpa/Jan Woitas

Der Marbacher Gemeinderat hat ein E-Mobilitätskonzept mit ehrgeizigen Zielen verabschiedet. Vor allem in den Ballungsbereichen sollen Elektro-Zapfsäulen entstehen.

Als die Stadt Marbach vor einigen Monaten bei der Netze BW ein E-Mobilitätskonzept in Auftrag gab, waren der Krieg in der Ukraine, horrende Benzinkosten und drohende Engpässe bei fossilen Brennstoffen noch gar nicht absehbar. All diese Themen sind nun aber hochaktuell. Umso wichtiger sei es deshalb, sich unabhängig von Öl und Gas zu machen, betonte Bürgermeister Jan Trost am Donnerstag im Gemeinderat. Und dabei spiele die Elektromobilität eben eine wesentliche Rolle. Folglich wurde das entsprechende Konzept, das in der Sitzung präsentiert wurde, bei zwei Enthaltungen der Gruppe Puls auch verabschiedet – und damit vor allem der Weg geebnet, in den nächsten Jahren im ganz großen Stil das Netz an E-Tankstellen auszubauen.

Ladesäulen mit unterschiedlicher Leistung

Zielrichtung ist, dass Elektroautofahrer ihre Stromer bis 2025 an rund 75 klassischen und fünf extraschnellen Ladepunkten mit Energie vollpumpen können. In den darauffolgenden Jahren sollen ungefähr fünf weitere AC-Säulen mit etwas schwächerer Ladeleistung und eine öffentliche DC-Tankstelle mit höherem Leistungsvermögen hinzukommen. In der Regel verfügt eine Station über zwei Zapfhähne.

Mehrere Zapfmöglichkeiten im Parkhaus geplant

Vorrangig möchte die Kommune dort ein Angebot schaffen, wo viele Menschen auf vergleichsweise wenig Fläche leben. Solche Hotspots sieht Ralph-Lorenzo Türk von der EnBW-Tochter Wave in der Innenstadt, im Bereich der Schwabstraße, an der Schillerhöhe und im Hörnle. „In Rielingshausen haben wir auch zwei Gebiete mit einem erhöhten Ladebedarf, bei der Gemeindehalle und weiter Richtung Zentrum im Bereich der Bushaltestelle an der Volksbank und dem Rathaus“, erklärte Türk. Gebündelt sollen die E-Tankstellen beispielsweise im Parkhaus an der Grabenstraße installiert werden, wo sich die Planer gleich acht Ladepunkte á elf Kilowatt vorstellen können.

Laternen im Hörnle nutzen

So eine Konzentration an Zapfmöglichkeiten wäre im Hörnle schwer umsetzbar, wo Stellplätze rar sind und viele ihre Autos an der Straße parken. Deshalb sieht das Konzept hier auch eine besondere Lösung vor: Entlang der Mainzer Straße und der Stuttgarter Straße soll der Strom über die dortigen Laternen abgeschöpft werden können. Zusätzlich sind Säulen mit hoher Ladeleistung an der Bushaltestelle im Norden und im Süden beim Wiesbadener Platz angedacht.

Knotenpunkt für Mobilität am Bahnhof

Auch das Schulzentrum wurde in den Planungen berücksichtigt. An der Grundschule, bei der Anne-Frank-Realschule und bei der Stadionhalle vor der Friedrich-Schiller-Gymnasium will die Stadt Auftankstellen für Stromer montieren lassen. Ein regelrechter Mobilitätsknotenpunkt soll indes am Bahnhof entstehen, wo E-Lademöglichkeiten, RegioRad-Verleihstation, Taxistände und ÖPNV an einer zentralen Stelle konzentriert werden könnten, regte Ilona Schust von der Netze BW an, die bei der Entwicklung der Studie den Hut auf hatte. Ein Baustein wäre dabei auch, die Carsharing-Plätze zu integrieren. „Die liegen hier momentan ein wenig abgelegen, was problematisch ist, weil sie dann nicht so auffallen“, erklärte Schust.

Umwelt durch Umstieg schonen

Das Carsharing-Angebot soll aber nicht nur sichtbarer werden, sondern ausgebaut werden. Schust könnte sich vorstellen, dass die Stadtverwaltung dabei mit gutem Beispiel vorangeht und ihren eigenen Fuhrpark reduziert und bei Bedarf ein Auto anmietet. Darüber hinaus regte sie an, die städtische Fahrzeugflotte sukzessive und wo möglich auf batteriebetriebene Wagen umzurüsten. Das könne sich in bestimmen Konstellationen finanziell lohnen, helfe aber sicher der Umwelt, weil weniger CO2 in die Luft geblasen werde. Nutze man zum Tanken Strom aus einer Fotovoltaikanlage, könnten pro Fahrzeug auf 100 Kilometer 16 Kilogramm CO2 eingespart werden.

Prioritäten werden nicht verändert

Das Konzept umfasst aber noch weitere Bereiche, die nach und nach angepackt werden sollen. So ist vorgesehen, den ÖPNV attraktiver zu gestalten sowie den Fuß- und Radverkehr zu stärken. Deshalb sollen weitere Lade- und Abstellmöglichkeiten für E-Bikes geschaffen werden. Ferner hat man sich auf die Fahnen geschrieben, langfristig die Innenstadt vom Autoverkehr freizuhalten. Ein Puls-Antrag, dieses Ziel in der Prioritätenliste von der dritten auf die zweite Stufe rutschen zu lassen, wurde abgelehnt. Das gleiche Schicksal erfuhr die Forderung der Gruppe, den Ausbau des Carsharings sowie die Attraktivierung des Fußverkehrs und der Fahrradnutzung mit der höchsten Dringlichkeit anzupacken und nicht in die zweithöchste Kategorie einzuordnen. Ganz oben auf der Liste bleiben damit allein zwei Punkte: Öffentliche Ladestationen zu bauen und den ganzen Umstellungsprozess per intensiver Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten.

Wer soll das bezahlen?

Umstritten
 Laut Netze BW dürften in Marbach bis 2030 rund 90 öffentliche Ladepunkte für E-Autos benötigt werden. Umstritten war im Gemeinderat, wer all die Zapfsäulen betreiben und vor allem finanzieren soll. Die Freien Wähler sahen die Kommune hier nicht in der Pflicht, sie solle den Ausbau nur ermöglichen.

Vorleistung
 Bürgermeister Jan Trost betonte aber, dass in ein so flächendeckendes Projekt kein Unternehmen investieren werde. Das Risiko sei zu groß, da unklar ist, wie die Standorte angenommen werden. Deshalb müsse die Stadt mit Fördermitteln in Vorleistung gehen und sich für den Betrieb einen Dienstleister suchen.

Wirtschaftlichkeit
Wann sich eine Ladesäule lohnenswert betreiben lasse, hänge von vielen Faktoren wie dem Durchgangsverkehr ab und lasse sich nicht pauschal sagen, erklärte Michael Goy von der EnBW. Sicher sei, dass die in Marbach vorhandene DC-Ladesäule den Kipppunkt zur Wirtschaftlichkeit schon erreicht habe, bei der AC-Säule sei es auch nur eine Frage der Zeit.