Dominik Thewes Foto: mz

Was wollen uns die vermeintlichen Graffiti-Künstler mit der Botschaft „672“ sagen?

Marbach - Grundsätzlich gehöre auch ich zu den Menschen, die denken, eine Gesellschaft, die Graffiti als Problem ansieht, hat keine Probleme. Aber wie es so ist: Das Auge liest bekanntermaßen mit. Also sollten die Schmierereien doch wenigstens geschmackvoll sein. Leider muss ich dieses Urteil den am vergangenen Wochenende an der Marbacher Stadtmauer und an der Bahnhofsunterführung angebrachten „Kunstwerken“ verweigern. Die sehen halt doch eher nach Zerstörungswut statt nach Gestaltungswillen aus.

Irritiert hat mich, dass ja nun unverkennbar eine Zahlenkombination auf die Wand geschmiert wurde, die nicht zum ersten Mal in Marbach auftaucht. „672“ – die letzten drei Ziffern der Postleitzahl – sind offensichtlich für irgendwen ein Erkennungsmal. Die Pressestelle der Polizei sagt, dieses Phänomen trete auch andernorts, dann mit der dortigen Postleitzahl auf. Und im März dieses Jahres haben unbekannte Sprayer diese Zahlen auch an einer Wand des Marbacher Schulzentrums hinterlassen, teils durchgestrichen von Parolen einer offenbar anderen Gruppe – das meiste davon leider aus Rücksicht auf unsere Leser nicht zitierfähig.

Dass es sich dabei allerdings um einen künstlerischen Wettstreit zweier Gruppen gehandelt haben könnte, dafür lagen und liegen der Polizei keine Hinweise vor, wie mir in meiner Recherche bestätigt wurde. Wobei ich mich frage, welchen Beweis es noch gebraucht hat? Schließlich stand es in 30 Zentimeter großen Buchstaben gut leserlich auf der Wand, wenn ich mich recht erinnere. Aber ich bin eben Redakteur und kein Polizist. Meine Berufsgruppe glaubt halt noch daran, dass es etwas bedeutet, wenn es geschrieben steht.

Übrigens denkt nicht nur die Polizei mit – auch die Nutzer unserer Facebookseite entwickeln ihre Theorien. Vielleicht, so wird vermutet, handelt es sich um Kritiker der Eingemeindung von Rielingshausen nach Marbach. Diese soll im Juni 1972 – also 672 – stattgefunden haben. Schöne Theorie, wenn auch vermutlich falsch. Denn offiziell war die Eingemeindung einen Monat später, also 772. Bestechender ist allerdings das Argument, dass die Schmierfinken aller Wahrscheinlichkeit nach noch nie etwas von einer Flurbereinigung gehört haben. Ich vermute, in dem Jahr kamen gerade deren Eltern zur Welt.

Ein anderer Leser ärgert sich darüber, dass oberhalb des Gerberplatzes gleich mehrere Graffiti zu sehen sind, wovon in unserer Zeitung nichts gestanden habe. Nun ja, irgendwie doch. Denn es war von Graffiti die Rede – Plural. Die Einzahl – auch wenn sie ungewohnt klingt, ist das Graffito. Womit ich nun in der Lehrerrolle angekommen bin. Das wäre mein Wunsch an die Schmierfinken: Mögt ihr armen Seelen jemanden finden, der eure kreative Energie sinnvoll auszubilden versteht.