Für die Erweiterung des Gewerbegebiets musste eine Streuobstwiese weichen. Solche Eingriffe muss die Stadt ausgleichen. Foto: Archiv /Christian Kempf)

Die Stadt Marbach hat Probleme, den Natureingriff für Bauvorhaben auf eigener Gemarkung zu kompensieren. Vorschläge gibt es, doch die würden ins Geld gehen.

Marbach - Es kann gut sein, dass sich die Stadträte an diesem Donnerstag die Köpfe heißreden. Denn schon im Vorfeld der Sitzung gab es zwei Meinungen zum geplanten Neubaugebiet in Rielingshausen. Der Ausschuss für Umwelt und Technik hatte sich dafür starkgemacht, einen freiwilligen Naturausgleich für die Versiegelung vorzunehmen, der Ortschaftsrat empfohlen, sich das bloß nicht aufzubürden. Jetzt liegt dazu auch noch ein Antrag der Liste Puls auf dem Tisch, die fordert, bei einem positiven Votum pro ökologische Kompensation diese gefälligst auf eigener Gemarkung vorzunehmen. Doch just hierbei hakt es: Die Möglichkeiten sind begrenzt, sodass die Verwaltung auch davon abgeraten hat, jetzt sogar auf freiwilliger Basis etwas in die Wege zu leiten.

Noch keine Lösung für das Lauerbäumle

So hat Bauamtsleiter Dieter Wanner unlängst darauf hingewiesen, dass in der Hinsicht demnächst Pflichtaufgaben anstehen, zum Beispiel, wenn die Planungen für das Areal Lauerbäumle vorangetrieben werden sollen. Dorthin sollen unter anderem das Hallenbad und der Hermann-Mayer-Sportplatz verlegt werden. „Dafür haben wir noch gar keine Lösung, was den Eingriffsausgleich angeht. Und da müssen wir 100 Prozent Ausgleich schaffen“, sagte Wanner. Im Gegensatz dazu steht der Rielingshäuser Keltergrund, der auf der Basis eines speziellen und befristeten Paragrafen aus dem Baugesetzbuch entwickelt wird, bei dem eine Ökobilanz eigentlich nicht erforderlich wäre. „Die Stadt Marbach verfügt im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl nur über eine kleine Markungsfläche, daher ist es sehr schwer, Maßnahmen zu finden“, fasst Bürgermeister Jan Trost das Dilemma auf Nachfrage zusammen.

Gemeinsame Lösung mit Landwirten

Er macht zugleich deutlich, dass die Stadt an der Sache dran ist. Im Oktober werde eine Sitzung des Beirats für Landschaftspflege stattfinden, bei der unter anderem über das Thema diskutiert werde. Grundsätzlich gebe es mehrere Möglichkeiten, an die so dringend benötigten Ökopunkte zu gelangen, wie das Anlegen von Feuchtwiesen oder das Renaturieren von Bachläufen. „Dabei ist es wichtig, gemeinsame Lösungen mit der Landwirtschaft zu erarbeiten, denn die Landwirtschaft steht ebenfalls unter Druck“, erklärt der Rathauschef.

Terrassierte Weinberge im Blick

Das ist auch Joachim Lösing vom BUND Marbach-Bottwartal bewusst. Die Grundbesitzer seien von ihrem Boden abhängig, das sei ihre wirtschaftliche Basis. Insofern sei es nachvollziehbar, wenn von dieser Seite wenig Bereitschaft komme, der Stadt Areale zur ökologischen Aufwertung zu überlassen. „Andererseits gilt der Grundsatz: Wenn ich etwas kaputt mache, sollte ich es auch wieder ersetzen oder wiederherstellen“, betont Lösing. Folglich müsse das, was man der Natur an Entfaltungsraum entziehe, kompensieren. Und das lasse sich durchaus im Kleinen in Marbach machen. „Wenn man schon keine neuen naturnahen Flächen schaffen kann, weil die Grundstücke dazu fehlen, kann man bestehende Areale aufwerten“, sagt Lösing. Der BUND-Vorsitzende denkt dabei zum Beispiel an die verwilderten, terrassierten Weinberge oberhalb der Landesstraße nach Benningen oder den Bereich um den Sulzbach, dem seiner Ansicht nach eine bessere Pflege gut zu Gesicht stünde.

Schlüssel liegt vielleicht bei höheren Zahlungen

Reinhard Wolf regt an, bei dem Thema vielleicht auch alte Grundsätze über Bord zu werfen. Der Marbacher Geograf, Natur- und Denkmalschützer, der die Gemarkung wie kaum ein Zweiter kennen dürfte, findet, dass man durchaus mal fragen könnte: Ist uns der Ausgleich für den ökologischen Eingriff wirklich weniger wert als baureifes Gelände? Und müsste man eventuell nicht zu der Antwort kommen: Wir als Stadt zahlen einem Landwirt für ein Stück seines Ackers, das wir gerne umnützen würden, künftig so viel wie für einen Bauplatz – oder zumindest deutlich mehr als bislang. Für Wolf wäre das ein Weg, Flächen für eine naturnahe Gestaltung zu gewinnen. Weiterhelfen könne aber auch, wenn man den Landwirten bei deren eigenen Grün-Projekten unter die Arme greift. Die hiesigen Bauern stünden unter Druck, wirtschaftlich und vom Image her, weil sie von einigen wegen des Insektensterbens an den Pranger gestellt würden. Folglich könne ein Landwirt in Erwägung ziehen, seinen Ruf verbessern zu wollen, indem er Fläche für eine ökologische Aufwertung abzwackt. Erleichtert würde das, wenn ihm die Kommune dabei finanziell unter die Arme greift.

Spender an der Hand

Wolf hat auch konkrete Vorschläge in petto, die das Ökokonto der Kommune füllen könnten. Denkbar hielte der Fachmann beispielsweise eine rund 150 Meter lange und zehn Meter breite Baumallee beim Wasserhochbehälter Eck. Er hätte sogar jemanden an der Hand, der 20 Gewächse für einen solchen Zweck spenden würde. Oder man pflanze rechts und links vom Eichgraben Hecken. Wenig hält Wolf allerdings davon, die Sache, wie vom Bürgermeister beabsichtigt, im Beirat für Landschaftspflege zu diskutieren. „Das ist überzogen, hier mit Ehrenamtlichen Grundstücksprobleme zu verhandeln. Dafür ist das nicht das richtige Gremium“, findet er.

Wie der Gemeindetag die Vorgaben bewertet

Grundsatz
 Wie viele Kommunen in einer ähnlichen Zwickmühle wie Marbach bei der Ökobilanz stecken, ist beim Gemeindetag Baden-Württemberg nicht hinterlegt. Der Gemeindetag stehe aber dazu, „dass Eingriffe in die Natur grundsätzlich auszugleichen sind“, sagt Pressesprecher Christopher Heck zu den Vorgaben.

Frage
 Allerdings müsse die Frage erlaubt sein, ob als Kompensation „immer nur ein eins zu eins Flächenausgleich notwendig ist“. Vielmehr gelte es, „die Gesamtheit der Maßnahmen, zum Beispiel Grünflächen, städteplanerische Grünzüge und so weiter zu berücksichtigen“. Zudem könne innerhalb von Wohngebieten beispielsweise „ein In-sich-Ausgleich erfolgen, indem entsprechend ökologisch hochwertige Zonen festgelegt werden“.