Der peinliche Auftritt gegen den FC Bayern zeigt, dass das Team des VfB Stuttgart eine leblose Truppe ist.

Stuttgart - Am Tag danach mussten sich die VfB-Profis das Drama auf DVD anschauen. Länger als sonst dauerte die Spielanalyse, statt 20 Minuten mussten die Herren über eine Stunde dran glauben. Das überraschte nicht nach dem peinlichen Auftritt gegen den FC Bayern im DFB-Pokal (0:2), bei dem die Stuttgarter von einer Verlegenheit in die nächste stürzten. Es gab einiges zu bereden. Aber irgendwie hätte in der Besprechung auch ein Satz von Trainer Bruno Labbadia gereicht: Ihr müsst alles besser machen.

Manager Fredi Bobic hatte das Team schon kurz nach Schlusspfiff in der Kabine zusammengefaltet. Später redete er sich in den Katakomben den Frust von der Seele. Von einer „absoluten Frechheit“ sprach er, vom „kollektiven Versagen“. Und auch davon, dass die international erfahrenen Spieler „null Verantwortung“ übernommen hätten.

Auftritt des VfB überrascht

Namen nannte er keine, aber es war klar, wen Bobic meinte. Serdar Tasci, Cristian Molinaro, Khalid Boulahrouz, William Kvist, Christian Gentner oder Cacau tauchten wie die Kollegen unter. Kein Aufbäumen, kein Kampf, keine Leidenschaft – die Roten fügten sich in ihr Schicksal. Mit einer Niederlage gegen den großen FC Bayern konnte, ja musste man fast rechnen. Mit der Art und Weise nicht. Man könne gegen den FC Bayern verlieren, sagte Bobic. Aber eben nicht so.

Der Auftritt des VfB überraschte, er schockierte – denn nur wenige Tage zuvor hatte es ja so etwas wie einen Schwur in der Mannschaft gegeben. In einer Spielersitzung wurde nach zuvor vier Bundesliga-Niederlagen nacheinander die Rückkehr zur kompakten, aggressiven Spielweise und zur Leidenschaft ausgerufen. Nach dem späten Ausgleich bei Bayer Leverkusen (2:2) wähnten sich die VfB-Profis dann endgültig auf dem richtigen Weg. Sie sahen sich bereit, den großen FC Bayern zu stürzen.

Spieler ohne Erklärung

Jetzt ist klar, dass all das nur ein Strohfeuer war. Die Flamme der Roten erlosch, bevor sie richtig Feuer gefangen hatte. „Wir haben innerhalb von drei Tagen zwei völlig verschiedene Gesichter gezeigt“, sagte Bobic. Warum das so war? „Da muss im Kopf etwas vorgefallen sein. Fragen Sie die Spieler.“

Die hatten keine Erklärungen parat. Sie lieferten stattdessen Allerweltsfloskeln nach ihrem desaströsen Auftritt ab. Dafür traf Bruno Labbadia einen wunden Punkt: „Wir müssen an der Hierarchie arbeiten“, sagte der Trainer, „jeder hat zu sehr mit sich selbst zu tun.“ Auch das überraschte zunächst irgendwie – denn es waren ja die Spieler, die sich vor der Partie in Leverkusen zusammengerauft und das in aller Öffentlichkeit ausbreitetet hatten. Doch gegen den FC Bayern zeigte sich, dass aus einem leblosen Haufen durch eine interne Sitzung eben noch lange keine leidenschaftliche Truppe wird, die eine Partie an sich reißen kann.

Der VfB gerät stattdessen immer tiefer in den Abwärtsstrudel. Und die Gründe dafür liegen in der Mannschaft.

Es fehlt der gute Geist im Team

Kapitän Serdar Tasci wird nie ein Lautsprecher werden, der die Kollegen auf dem Platz wachrüttelt. Für Christian Gentner gilt selbiges. Khalid Boulahrouz und Cristian Molinaro wurden von Franck Ribéry und Thomas Müller schwindelig gespielt, ein klarer Gedanke ist da nicht mehr drin. Stürmer Cacau ist seit Wochen mit sich selbst beschäftigt, Martin Harnik, William Kvist und Tamas Hajnal haben ihre Form irgendwann im vergangenen Herbst verloren. Wer selbst keine Leistung bringt, hat in einem Team kein Recht, den anderen wachzurütteln oder zusammenzufalten. So ist das im Mannschaftssport. So ist das beim VfB.

Und so kommt es, dass da nach wie vor ein verunsicherter Haufen auf dem Platz steht. Es fehlt der gute Geist im Team – und ein Charakterkopf, der voranmarschiert. Der mal aneckt und in prekären Situationen etwas Besonderes macht. Man stelle sich nur mal vor, ein Typ wie Jens Lehmann sei noch in der Mannschaft. Es würde scheppern, es würde krachen. Jetzt ist nichts zu hören.

Druck auf Profis erhöhen

„Wenn der Manager das sagt, wird es schon stimmen“, brummte Kapitän Serdar Tasci nur, als er von der krachenden Spielerschelte von Manager Bobic („Frechheit“) hörte. Leidenschaft hört sich anders an.

Wie man aus dem leblosen Haufen noch eine schlagkräftige Truppe im Kampf gegen den Abstieg machen kann, darüber herrscht auf dem Wasen große Ratlosigkeit. Die Roten müssen die Saison mit den vorhandenen Spielern beenden. Manager Fredi Bobic sprach in seiner rasenden Wut davon, „den Druck auf die Profis zu erhöhen“. Wie das konkret aussehen soll, das sagte er freilich nicht. In ein Kurz-Trainingslager, so viel steht fest, fuhr der VfB vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC (Samstag, 15.30 Uhr/Sky und Liga total) nicht.

Ob Trainer Bruno Labbadia durchgreifen wird und einige der von Bobic so hart kritisierten arrivierten Spieler auf die Bank oder sogar auf die Tribüne verbannt, wird erst die Aufstellung am Samstag zeigen. Einen Jungprofi wie Raphael Holzhauser (18) zu bringen, erfordert Mut. Andererseits hat der Mittelfeldspieler schon Qualitäten angedeutet, die einen längeren Einsatz rechtfertigen. Ansonsten wird es wohl viele Einzelgespräche geben, um der Krise entgegenzusteuern. Wie immer in brenzligen Situationen.

Aggressivität muss her

Dem VfB stehen wegweisende Wochen bevor. Nach der Partie gegen Berlin geht es zu Hannover 96, die nächsten Gegner sind der SC Freiburg, der Hamburger SV und der 1. FC Kaiserslautern. Bis auf Hannover sind das allesamt Teams, die auch gegen den Abstieg kämpfen. Die direkten Duelle werden zeigen, ob der VfB dem Abwärtsstrudel noch entkommen kann.

Mittelfeldspieler William Kvist sagte, dass das Spiel gegen Hertha unglaublich wichtig sei: „Es zeigt, ob es nach oben oder unten geht. Wir müssen uns jetzt einfach voll darauf fokussieren.“ Und dann alles besser machen als gegen den FC Bayern: Aggressivität muss her. Zweikampfverhalten, Mut, Wille, Leidenschaft, Spielfreude.

Und so weiter.