Wegweisendes Duell: Stuttgart (Schwaab, links) gegen Bremen (Garcia) Foto: Baumann

Hinter dem VfB Stuttgart und Werder Bremen liegen aufregende Tage mit ungewöhnlichen Abläufen und Maßnahmen. Wie sich die beiden Vereine auf die vorentscheidende Partie an diesem Montag vorbereitet haben. Eine Chronologie.

Stuttgart – Hinter dem VfB Stuttgart und Werder Bremen liegen aufregende Tage mit ungewöhnlichen Abläufen und Maßnahmen. Das war das Vorspiel des richtungsweisenden Kellerduells zwischen den beiden Mannschaften, das an diesem Montag im Weserstadion stattfindet. Eine Chronologie. -

Dienstag

Stuttgart: Nachdem Robin Dutt in seiner wöchentlichen Presserunde zunächst erneut erklärt hat, dass er hinter Jürgen Kramny steht und mit dem Trainer auch in die neue Saison startet, verkündet der VfB-Sportvorstand noch Überraschendes. So wird die Mannschaft am Mittwoch zu einem dreitägigen Kurztrainingslager nach Mallorca fliegen. Dutt sagt, dass man raus aus dem Trott und die Köpfe frei bekommen muss, da die Spieler in Stuttgart fast minütlich auf den Kampf gegen den Abstieg angesprochen werden – etwa beim Brötchenholen. Einerseits lautet zwar die Frage, ob die Spieler tatsächlich selber so oft zum Bäcker gehen, und zum anderen ist zu hören, dass sie von dem Trip auf die Ferieninsel nicht gerade begeistert sind. Der VfB setzt jedoch auf den Geist von Mallorca.

Bremen: Nach dem Training erscheint Papy Djilobodji in der Medienrunde. Der vom FC Chelsea ausgeliehene Innenverteidiger taugt ja auch gut zum Sinnbild, weil er all die Wankelmütigkeit verkörpert, die Werder kennzeichnet. Der Senegalese kann elegant Gegenspieler ablaufen, saubere Zweikämpfe führen und feine Pässe spielen – er kann aber auch Luftlöcher treten, schreckliche Stellungsfehler begehen und eine Hals-ab-Geste machen, die ihn in ganz Fußballdeutschland in Verruf bringt. Werder ist eine Wundertüte – und Djilobodji passt da gut rein. Doch die Zuversicht ist ihm geblieben. „Ich kann den Fans sagen: Sie müssen keine Angst haben. Sie können uns vertrauen“, sagt er.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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Mittwoch

Mittwoch

Stuttgart: Kaum angekommen auf Mallorca, findet gleich die erste Trainingseinheit statt. Dabei greift Kramny immer wieder korrigierend ins Geschehen ein. Der Trainer macht sich viele Gedanken – beispielsweise darüber, wer in Bremen im Tor stehen soll. Das hat er auch schon vor der Partie am 9. April gegen den FC Bayern (1:3) überlegt, um dann Przemyslaw Tyton (29) noch einmal das Vertrauen auszusprechen. Doch der Pole machte zuletzt gegen Dortmund (0:3) wieder zwei Fehler – die Chance für Mitchell Langerak (27), der bei seiner Verpflichtung im vergangenen Sommer ohnehin als Nummer eins vorgesehen war? „Alle Entscheidungen werden zum Wohl der Mannschaft getroffen“, sagt Kramny über die Torhüterproblematik.

Bremen: Werder beginnt damit, seine Wagenburg zu errichten. Ab sofort heißt es für die Spieler mal wieder: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Die Profis sollen sich auf den Fußball konzentrieren. Den „Maulkorb“ hatte der Club schon vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg erlassen. Damals half die Politik der Abschottung, um einen 3:2-Erfolg zu erringen. Nun liegt der Fokus auf dem Spiel gegen den VfB. Einige Fans wollen die Partie wegen des ungeliebten Montagstermins boykottieren, aber die meisten werden im Stadion sein. Die Heimbereiche sind ausverkauft.

Donnerstag

Donnerstag

Stuttgart: Trotz der prekären Lage in der Liga laufen hinter den Kulissen die Aktivitäten weiter, die den VfB fit für die Zukunft machen sollen. Das Ziel lautet, die Profiabteilung aus dem Verein auszugliedern, um so Investoren wie den Daimler-Konzern einbinden zu können. In diesem Fall würde der Club mit einer Einnahme von 70 Millionen Euro rechnen, die direkt oder indirekt in den Sport fließen. Dieser Schritt kann jedoch nur von der Mitgliederversammlung am 17. Juli beschlossen werden, wozu eine Dreiviertelmehrheit nötig ist. Dafür hat der VfB auf speziellen Regionalversammlungen geworben, die seit Januar in zwei Runden durchgeführt wurden – die 22. und letzte Veranstaltung findet an diesem Tag in der Soccer Lounge der Stuttgarter Arena statt. Immer vertreten waren der Präsident Bernd Wahler und der Finanzchef Stefan Heim, die dabei aber auch Fragen der Mitglieder zur Entwicklung der Mannschaft beantworten mussten.

Bremen: Die etwas eigenartige Öffentlichkeitsarbeit erfährt eine Fortsetzung. Um 22.04 Uhr verschickt die Werder-Pressestelle eine wichtige Mitteilung. In Großbuchstaben vermeldet der Verein: „Treuebekenntnis: Kapitän Clemens Fritz verschiebt Karriereende!“ Über die Vereinskanäle lässt der 35-Jährige verbreiten: „Ich bin so weit, dass ich sage: Ich kann nach so einer Saison den Verein nicht verlassen.“ Fritz, der im Sommer in sein elftes Werder-Jahr gehen wird, betont, dass dieser Rücktritt vom Rücktritt auch für den Abstiegsfall gilt. Nach dem Augsburg-Spiel, einer fatalen 1:2-Niederlage, sei der Entschluss gereift, die Rolle rückwärts zu vollziehen. „Da habe ich gedacht, das kann es nicht sein.“

Freitag

Freitag

Stuttgart: Auf dem Wasen herrscht so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Schließlich kehren die Spieler erst am Nachmittag aus Mallorca zurück und fahren dann nach Hause. Derweil ist auf der Geschäftsstelle im Clubhaus normaler Betrieb angesagt. Zumindest wird so getan, als ob, denn natürlich ist die Anspannung auch unter den Mitarbeitern groß. Ein Abstieg hätte für die Belegschaft unangenehme Folgen. So wäre die Perspektive vieler Angestellten dann ungewiss, weil sicher ist, dass der VfB in der zweiten Liga abspecken und die Personalkosten reduzieren müsste. Nach Informationen dieser Zeitung gab es vor einem Jahr für diesen Worst Case den Plan, dass die Mitarbeiter freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts – die Rede war von zehn Prozent – verzichten. Das Geld wäre zwar nachträglich noch ausgezahlt worden, doch nur im Falle des sofortigen Wiederaufstiegs. Und welche Konsequenzen hätte es heute?

Bremen: Gewöhnlich findet die obligatorische Pressekonferenz beim SV Werder immer am Donnerstag um 12.30 Uhr statt – das Ritual ist so verwurzelt wie der Roland auf dem Marktplatz. Durch die Ansetzung am Montag müssen die Hanseaten mit der Tradition brechen. Also spricht der Trainer Viktor Skripnik einen Tag später zur Öffentlichkeit. Der Ukrainer, der auch wegen seiner sprachlichen Probleme nicht zum großen Redner taugt, bringt Altbekanntes vor. Die Leistung seiner Mannschaft habe in den letzten Wochen gestimmt, „aber uns fehlen die Ergebnisse“. Es gehe nun um die richtige Balance – das Gleichgewicht, zwischen dem „Mut zu gewinnen“ und der „Angst zu verlieren“. Was Skripnik nicht sagt: dass er es die gesamte Saison nicht geschafft hat, die Balance zwischen Defensive und Offensive zu vermitteln.

Samstag

Samstag

Stuttgart: Es ist 17.10 Uhr, als sich die Ereignisse in der Bundesliga überschlagen. Innerhalb weniger Sekunden erzielen Stefan Aigner das 2:1-Siegtor für Eintracht Frankfurt in Darmstadt und Nadiem Amiri das 2:1-Siegtor für Hoffenheim gegen Ingolstadt. Die VfB-Spieler erfahren das auf dem Weg zum Training, das um 18 Uhr beginnt. Durch diese beiden Ergebnisse wird ihre Situation im Tabellenkeller noch prekärer. Alles spitzt sich zu. Hoffenheim dürfte gerettet sein – und Frankfurt hat punktemäßig zum VfB aufgeschlossen. Ohnehin ist das kein schöner Nachmittag, weil die zweite Stuttgarter Mannschaft durch eine 0:1-Niederlage in Kiel jetzt definitiv aus der dritten Liga absteigt. Es herrscht Alarmstufe eins beim VfB – spätestens seit 17.10 Uhr.

Bremen: Auch Werder bezieht ein Trainingslager. Ganz in der Nähe im nur 40 Kilometer entfernten Verden. Das 27 000-Einwohner-Städtchen liegt an der Aller, einem Weser-Zufluss, und ist bekannt als Reiterstadt, weil Pferde hier höher im Kurs stehen als Fußball. Der Bundesligist quartiert sich mit seinem Tross in den Niedersachsenhof ein und mietet 25 Zimmer an. Vier Suiten sind für den Trainerstab und den Sportchef Thomas Eichin reserviert. Die Bremer bleiben die zwei Nächte bis zum Spieltag. Einen Kurzaufenthalt in Verden gab es in der Werder-Geschichte nur einmal – am 10. Mai 1999. Damals hatte ein gewisser Thomas Schaaf gerade von Felix Magath übernommen, und das wichtige Flutlichtspiel gegen Schalke stand an. Werder gewann das Schlüsselduell mit 1:0.

Sonntag

Sonntag

Stuttgart: Es ist kurz vor zwölf beim VfB. Ehe 1200 Fans den Spielern vor dem Abflug nach Bremen auf dem Vereinsgelände noch Mut zusprechen (persönlich sind sie nicht vor Ort in Bremen, weil sie den Montagstermin boykottieren), klopft Jürgen Kramny in der Presserunde zur Mittagsstunde mit der Faust auf den Tisch. Damit will der Trainer wilde Entschlossenheit demonstrieren, was er auch von seinem Team verlangt. Dazu sagt er Sätze wie: „Nun zählt es, sich voll zu wehren.“ Oder: „Jetzt fahren wir dahin und hauen alles raus.“ Dazwischen ruft er kurz: „Es geht darum, unbedingt gewinnen zu wollen“, bevor er etwas leiser erklärt, „dass alles, was wir machen, aus Überzeugung passiert“ – etwa dass Tyton im Tor bleibt. Drei Spiele sind in dieser Saison noch zu bestreiten. „Neun Punkte sind im Topf – die wollen wir uns holen“, sagt Kramny.Nicht, dass es bald kurz nach zwölf ist beim VfB.

Bremen: Thomas Eichin kommentiert die Bundesliga-Ergebnisse vom Samstag. „Das war zu erwarten“, sagt der Werder-Sportchef. „Wir wissen, wie wichtig das Spiel gegen Stuttgart ist.“ Indirekt geht es aber auch um Eichin: Der angeblich alternativlose Werder-Weg – strikte wirtschaftliche Konsolidierung, ohne sportlich zu sehr an Substanz zu verlieren – kann nur in der ersten Liga gelingen. Immerhin hat der Vorstandschef Klaus Filbry angedeutet, dass nach vier wirtschaftlich fürchterlichen Jahren – mit Verlusten von insgesamt rund 38 Millionen Euro – diese Saison ein ordentliches Plus herausspringt. Werder muss also nicht zuerst Spieler verkaufen, um einkaufen zu können. Alle Planspiele erledigen sich indes, wenn der Verein absteigt. Ein Ausverkauf wäre zwangsläufig. Noch ein Grund, warum der Showdown gegen Stuttgart so wichtig ist.