Die Polizei hat die Verkehrsunfallbilanz 2014 für Stuttgart vorgelegt. Der Polizeipräsident plädiert nun für die Null-Promille-Grenze. Foto: dpa

Wer fährt, der trinkt nicht. Dieses klare Motto für Fahranfänger soll künftig für alle Autofahrer gelten. Weil die Stuttgarter Polizei keine Gesetze ändern kann, verschärft sie jetzt die Kontrollen.

Stuttgart - Den Linksabbieger vor der Tankstelle hat er nicht gesehen. Mit voller Wucht fährt ein 49-jähriger Ford-Fahrer auf seinen Vordermann auf. Totalschaden in Untertürkheim. Der Verursacher hat 3,24 Promille. Ein 52-jähriger Taxifahrer rammt in Möhringen eine Gehwegabschrankung und ein geparktes Auto. Er hat 2,8 Promille intus. Zwei Fälle aus den vergangenen Tagen.

Zufall? Gehen Autofahrer wieder leichtfertiger mit Alkohol um? Jahrelang sank die Zahl der Alkoholunfälle auf Stuttgarts Straßen stetig – doch damit ist es vorerst vorbei. Die jüngste Unfallstatistik für die Landeshauptstadt zeigt: 248 Unfälle sind knapp zehn Prozent mehr. Landesweit dagegen waren es zwei Prozent weniger. Die Folgen sind meist gravierend: Bei diesen Unfällen stieg die Zahl der Schwerverletzten deutlich von 19 auf 34. Bei Kontrollen wurden 1119 Promillesünder erwischt – auch hier eine Steigerung, gut fünf Prozent mehr.

Polizeipräsident Franz Lutz will die Daumenschrauben anziehen: „Ich plädiere für eine Null-Promille-Grenze für alle“, sagt er bei der Vorstellung der Stuttgarter Unfallbilanz 2014 am Freitag, „denn Alkohol erhöht die Gefahr, einen Unfall zu verursachen, deutlich.“ Ziel müsse es sein, dass ein Fahrzeugführer bereits vor dem Alkoholkonsum die Entscheidung trifft, das Auto stehen zu lassen. Um den Gedanken an ein Kavaliersdelikt gar nicht aufkommen zu lassen, sei die Null-Promille-Grenze eine klare Ansage.

Lutz hat es natürlich einfach: Er muss ja nicht das entsprechende Gesetz durchboxen. Seine Hausaufgaben will der Polizeipräsident dennoch machen – mit verstärkten Kontrollen.

20 600 Temposünder waren 2014 auf den Straßen

Da ist man schon fleißig dabei. „Wir haben die Geschwindigkeitsüberwachung neu ausgerichtet“, sagt Roland Haider, Chef der Verkehrspolizei. Bei jungen Autofahrern ist Tempo bei jedem zehnten Unfall die Hauptursache, deshalb wird zur Discounfallzeit nachts geblitzt. Erst am Wochenende ging ein Autofahrer auf der B 27 bei Möhringen mit 214 km/h ins Netz. Erlaubt waren dort 80 Kilometer pro Stunde.

Die Ausbeute ist beträchtlich: Im vergangenen Jahr blitzte die Polizei 20 600 Temposünder – viel mehr als im Jahr davor. Da waren es lediglich 8800 Schnellfahrer. „Das ist eine Steigerung von 133 Prozent“, sagt Haider. Freilich hat die Polizei ihre Geräte weitaus länger eingesetzt: Die Betriebszeit 2014 stieg von 780 auf 997 Stunden. Dabei wurden nicht nur leichte Überschreitungen festgestellt: Die Zahl der Fahrverbote in Stuttgart stieg von 720 auf 1120.

Dass es mit 26 292 Unfällen die zweithöchste Zahl an Karambolagen überhaupt gegeben hat, sieht Polizeipräsident Lutz mit Sorge. Ursachen seien die hohe Verkehrsdichte, die stärkere Verteilung auf verschiedene Verkehrsmittel mit höherem Konfliktpotenzial, die größere Anzahl von Baustellen. „Die gestiegenen Zahlen sind aber auch auf die gute Witterung und dadurch auf das erhöhte Verkehrsaufkommen von Radfahrern und Motorradfahrern zurückzuführen“, so Lutz.

Laut Unfallstatistik kamen im vergangenen Jahr fünf Menschen ums Leben – drei Fußgänger, ein Lkw-Fahrer und ein Motorroller-Fahrer. Das waren so wenig wie schon lange nicht mehr. Nur im Jahr 2008 sah es noch besser aus, als es lediglich vier Verkehrstote zu beklagen gab. Zum Vergleich: Im Jahr 1973 waren es noch 123 Opfer.