Ein Joint gehört für viele zur Lebenserfahrung – die Folgen bleiben oft unbedacht. Foto: dpa

Mal einen Joint rauchen oder an einer Haschischpfeife ziehen – dieser Versuchung erliegen viele Heranwachsende. Dass daraus keine Abhängigkeit entsteht, hat sich der Stuttgarter Verein Release zur Aufgabe gemacht.

Stuttgart - Rote Augen, erweiterte Pupillen, ein gesteigertes Redebedürfnis oder übertriebene Lustigkeit. Wenn Polizisten bei Personenkontrollen solche Merkmale feststellen, haben sie oft jemanden angetroffen, der psychoaktive Substanzen zu sich genommen hat. Beispielsweise Rauschmittel wie Haschisch oder Marihuana, die aus der Cannabis-Pflanze gewonnen werden. Handelt es sich dabei um einen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen bis 21 Jahre, so bekommt dieser häufig eine Einladung von Ulrike Wiesehütter. Die Diplomsozialarbeiterin arbeitet bei Release U21, Teilorganisation von Release, einem Stuttgarter Verein zur Drogen- und Suchtberatung.

Release U21 betreibt zusammen mit dem Klinikum Stuttgart, der Jugendhilfe im Strafverfahren und der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein auch von der Polizei unterstütztes Kooperationsangebot namens FreD. Das Kürzel steht für Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. Bei dem Kurs handelt es sich um ein für die Teilnehmer freiwilliges, kostenfreies Angebot. In acht Gruppenstunden werden gesundheitliche, soziale und rechtliche Auswirkungen der Suchtmittel aufgezeigt. Auch wenn im Kurs daneben noch Motivationsmodelle für den Ausstieg aus dem Drogenkonsum durchgespielt werden, sei FreD „keine Therapie“, wie Wiesehütter betont.

Ein Dauerthema der Suchtberatung

Im vorigen Jahr haben 150 Jugendliche an dem Programm teilgenommen, 90 Prozent waren männlich. Dass die Chancen auf Einstellung eines Strafverfahrens für diejenigen steigen, die den Kurs belegen, dürfte für viele die wesentliche Motivation der Teilnahme sein und weniger die ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Situation. „Ungefähr ein Drittel lässt danach komplett die Finger von den Sachen, ein Drittel reduziert den Konsum, und bei einem Drittel besteht durchaus Suchtgefahr“, schätzen Ulrike Wiesehütter und Stefan Grupp von der Suchtberatung des Klinikums die bisherige Bilanz von FreD ein.

Cannabis nimmt in der Arbeit von Release U 21 einen Themenschwerpunkt ein. Von 276 Veranstaltungen in der Präventionsarbeit im vergangenen Jahr handelten 168 davon. „Cannabiskonsum ist ein Dauerthema in der Suchtberatung, sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenbereich“, sagt Ulrich Binder. Der Geschäftsführer von Release Stuttgart spricht von einer Verdreifachung der Zahl an Menschen, die im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts eine individuelle Beratung durch seinen Verein in Anspruch genommen haben. 2005 waren es 250, zuletzt knapp 700. Neben direkt Betroffenen kommen auch immer mehr Angehörige dazu. „Trotzdem gehen viele nicht freiwillig in die Beratung, sondern erst, wenn sie mal von der Polizei erwischt worden sind“, glaubt Release-Dienststellenleiter Bernd Klenk. Dementsprechend groß wäre die Dunkelziffer. „Denn der typische Gelegenheitskiffer fällt ja auch nicht auf“, sagt Annette Faust-Mackensen, städtische Beauftragte für Suchtprophylaxe.