Die runden Hilfsstüzen stehen bereit um die neue Stahlbrücke aufzunehmen, die eckigen Pylone am Neckarufer werden noch geschalt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bis Anfang 2020 soll die neue Querung der Bahn fertig sein. Der Abriss der alten Brücke wäre nicht minder kompliziert als der Aufbau der neuen.

Stuttgart. - Der tägliche Stau auf der B 10 vor der Wilhelma könnte ab Juli etwas Abwechslung gewinnen. Die Bahn will ab dann ihre neue Stahlbrücke für das Projekt Stuttgart 21 hoch über die Autofahrer und über den Fluss schieben. Das Riesenpuzzle aus 30 000 Teilen wird in einer aufgeständerten Halle an der Bundesstraße verschweißt. Dort erhält es auch den abschließenden Schutzanstrich. Insgesamt zwölf Segmente werden in ebenso vielen Arbeitstakten auf Hilfsgerüsten in Richtung Bad Cannstatt gedrückt werden. Das Trag- und Schutzgerüst über der B 10 misst 40 auf 56 Meter.

Die Baustelle ist, wie viele im Bahnprojekt, extrem beengt und muss hier auch noch auf die gleichzeitigen Arbeiten am städtischen Rosenstein-Autotunnel abgestimmt werden. Auch deshalb wird so viel wie möglich von dem Stahl-Puzzle beim Hersteller Max Bögl in Neumarkt in der Oberpfalz vorgefertigt. Maximal 38 Meter werden die Teile messen, die in der Nacht per Tieflader von der Firmengruppe im bayerischen Neumarkt nach Stuttgart gebracht werden, sagte Sebastian Heer, Teamleiter Brückenbau für die Neckarbrücke, am Donnerstag bei einem Pressetermin.

Viele Pfähle sollen die Last verteilen

Bis zu 80 Tonnen werden dann per Kran auf die überdachte Plattform gehoben. Die Montagehalle soll bis August fertig sein. Die Brücke ist insgesamt 345 Meter lang, wovon 230 Meter im sogenannten Taktschiebeverfahren über den Fluss wandern, und rund 24 Meter breit. Sie wird vier Gleise tragen und einen abgehängten Fuß- und Radweg, der den vor einem Jahr abgerissenen Holzsteg ersetzt. Die vielfach versteiften Längsträger der Brücke werden mit Seitenteilen, die einem Segel ähneln, an den vergleichsweise schlanken Pylonen befestigt, und sind alle drei Meter durch Stahl-Querträger verbunden. Auf dieses Raster wird eine Stahlbeton-Fahrbahnplatte gelegt, darauf kommen Schallschluckmatten, dann Schotter und schließlich die Schienen. Die Neckarquerung wurde Ende der 1990er Jahre vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner konzipiert.

Die Vorbereitungen für die Aufbauarbeiten laufen bereits seit 2015. Im Untergrund entlang des Flusses durfte wegen Mineralwasserströmen nicht sonderlich tief gegründet werden. Auf der Westseite, zum Rosensteinpark hin, sind für die drei viereckigen Brückenpfeiler insgesamt 65 Pfähle gesetzt worden, teils schräg, um die Fläche, die das Brückengewicht in Untergrund aufnehmen muss, zu vergrößern, sagt der 31-jährige Heer. Eben werden auf der Mole im Fluss 80 bis zu zehn Meter lange Löcher für Bohrpfähle gegraben. Sie nehmen drei weitere Stützen auf. Ein Ponton setzt Bauarbeiter und -material über. „20 bis 30 Pfähle wären wirtschaftlicher“, so Heer, aber auch hier muss das Mineralwasser geschützt werden.

Das Schicksal der alten Brücke ist ungewiss

Der Bau der neuen Bahnbrücke, die den Cannstatter Bahnhof mit den beiden Tunnelröhren unter dem Rosensteinpark zum Tiefbahnhof verbindet, bedeutet für Bögl ein Auftragsvolumen von rund 35 Millionen Euro. Der Stahlbau soll Ende 2018 fertig sein, die Brücke insgesamt Anfang 2020. Der Fußgängersteg, sagt Heer, könne voraussichtlich Ende 2019 genutzt werden, die Widerlager sind bereits aufgebaut worden.

Die neue Stahlbrücke ersetzt die 1914 gebaute und nach starken Kriegsschäden bis 1949 wieder viergleisig aufgebaute, flussaufwärts liegende Bogenbrücke. Deren Schicksal ist ungewiss. Im Gemeinderat gibt es Stimmen, die den Erhalt als Fuß- und Radwegeverbindung zwischen dem Park und Bad Cannstatt fordern. Dazu müsste sie die Stadt kaufen und womöglich auch sanieren. Ihr Abriss, sagt der Ingenieur Heer, wäre ähnlich kompliziert wie der Bau der neuen Querung. Womöglich wird also den Autofahrern an dieser Stelle nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 Ende 2023 weiterhin Abwechslung geboten.