Die Armierungsarbeiten für den untern Teil der ersten Dachstütze des Tiefbahnhofs laufen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der Zeitplan für den Tiefbahnhof beim Projekt Stuttgart ist extrem angespannt – Die Bahn wartet erneut auf eine wichtige Baugenehmigung.

Stuttgart - In der Baugrube für den Stuttgart-21-Tiefbahnhof im Schlossgarten zeichnen sich in zwei nebeneinander liegenden Abschnitten inzwischen die Bahnsteige ab. Arbeiter formen aus rostrotem Baustahl ein sechs Meter hohes Skelett für den Sockel der ersten Dachstütze. Das Stuttgarter Unternehmen Züblin will im Juni, rund 18 Monate später als ursprünglich vorgesehen, mit dem Betonieren dieses Stützenteils starten. Die Bahn will den Tiefbahnhof spätestens Ende 2023 in Betrieb nehmen.

Fertig geschalt und betoniert werden kann die komplette, oben stark auskragende und einen Ring bildende Kelchstütze erst, wenn das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) die 18. Planänderung der Bahn genehmigt hat. Mit ihr rücken die bisher in der Mitte der Bahnsteige vorgesehenen Fluchttreppenhäuser an die Enden. Darauf muss im oberen Teil der Stützen reagiert werden. Die Eba-Genehmigung war für Mai erwartet worden, nun rechnet S-21-Abschnittsleiter Michael Pradel mit Sommer. Bis zum Jahresende solle die erste Stütze, die laut dem Züblin-Verantwortlichen Ottmar Bögel am Dach 32 Meter Durchmesser hat, gegossen sein. Ab 2018 sollen dann alle fünf Monate bis zu drei Stützen entstehen, so Pradel am Freitag bei einer Pressekonferenz im Bahnhofsturm. Insgesamt sind es 28. Der Rohbau der riesigen Halle könnte im Sommer 2021 vollendet sein – frühestens. In Unterlagen aus 2015 für den S-21-Lenkungskreis waren für den technischen Ausbau im Tiefbahnhof und für den Probebetrieb (zwölf Monate) insgesamt drei Jahre veranschlagt worden. Das würde die Inbetriebnahme auf Ende 2024 schieben.

Bauzeit nicht das zentrale Thema

Die Gesamtbauzeit war am Freitag nicht das zentrale Thema. Züblin und der für die Betongüte mit verantwortliche Experte Professor Bernd Hillemeier erläuterten die enormen technischen Schwierigkeiten, die sich aus dem 1997 siegreichen Bahnhofsentwurf des Architekturbüros Ingenhoven (Düsseldorf) ergeben. So ist keine der Stützen völlig identisch. Die Deckenhöhe reicht von acht bis 12,50 Meter, auch die Form variiert. 84 Schalungsteile sind für die tragenden Pfeiler mit ihren charakteristischen Glasöffnungen auf dem Dach nötig.

Nachdem Formglas als Schalung beim Entkleiden eines Versuchssegments im Schlossgarten brach, wechselte Züblin auf mit Kunststoff bestrichenes Schichtholz. Die Bewehrungsstäbe konnten in der nötigen Länge nicht verzugsfrei geformt werden, berichtete Bögel, nun werden die bis zu 28 Millimeter starken Eisen teils mit Muffen verbunden. Weil die Bewehrung nicht in der Schalung geflochten werden kann, wird zunächst ein Hilfsgerüst aufgestellt, dann abgebaut und erst dann der 1,5 Millionen Euro teure Holzmantel um das Eisen platziert. Blechrutschen und -wendeln in der Bewehrung geben dem Beton die Richtung vor.

Viel Arbeit für „Betonpapst“ und Züblin

Züblin und der als „Betonpapst“ bezeichnete Bernd Hillemeier sehen sich durch den Ingenhoven-Entwurf außerordentlich gefordert. Die Kelchstützen bereiteten viel Kopfzerbrechen. Die Betonmischung soll im Endzustand eine glatte, dauerhaft weiße, porenfrei Oberfläche zeigen und eine Stunde lang einem 1200 Grad heißen Feuer trotzen. Damit der Beton bei dieser Temperatur nicht platzt, mengt der Lieferant Godel zwei Kilo Polypropylenfasern in einen Kubikmeter Masse. Beim Gießen darf die Substanz nicht wärmer als 70 Grad werden, sonst würde die Schalung unverrückbar auf der Stütze kleben. Auf die formgebenden Holzteile drücken beim Ausgießen rund 8000 Kilogramm pro Quadratmeter, so Hillemeier. Für ihn, der als Vorsitzender des S-21-Beirats auch dem Bahn-Aufsichtsrat berichtet, sind die Stützen „ein Meisterwerk aus Technik, Wissenschaft und Management“. Der Beton dazu ist eines „aus Physik, Chemie und Kunst“.

Größere Pannen dürfen dem Meisterwerk nicht widerfahren. „Der Rückbau eines Bauteils wäre tödlich“, sagt Bögel. Im Fall des Falles muss der Architekt also vielleicht doch die eine oder andere Spachtelstelle hinnehmen. Um die Arbeiten für den Bahnhofstrog zu beschleunigen, hat Züblin für die Baufelder 23 bis 25 an der Willy-Brandt-Straße Nachtarbeit angesetzt. Insgesamt, sagte S-21-Sprecher Jörg Hamann, bestehe zeitlich an vielen Stellen „noch Gegensteuerungsbedarf“. Gas gegeben werden könnte beim Bau der Stützen durch den Kauf eines weiteren Schalungssatzes. Die Holzform kostet 1,5 Millionen Euro.