Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstagabend in den Stuttgarter Wagenhallen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Außenminister Steinmeier wirbt in Stuttgart für eine echte Willkommenskultur. Dafür ist er am Dienstag eigens angereist, um in den Wagenhallen mit Menschen zu diskutieren, die mitreden können.

Stuttgart - Vor den Stuttgarter Wagenhallen lodern Flammen aus einem riesigen Feuerkorb. Das passende Entrée, denn das Thema des Abends ist die Wärme. „Verantwortung und Offenheit – Wo beginnt Willkommenskultur?“ lautet der Titel der gemeinsamen Veranstaltung von Auswärtigem Amt und dem in Stuttgart angesiedelten Institut für Auslandsbeziehungen (ifa).

Es ist der Versuch, dem großen Wort von der „Willkommenskultur“ Leben einzuhauchen. Dafür ist am Dienstag eigens Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angereist, um mit Menschen zu diskutieren, die mitreden können, weil sie entweder als Migranten nach Deutschland gekommen sind, wie die Kenianerin Njeri Kinyanjui, Geschäftsführerin der Hottpott Saucen-Manufaktur in Reutlingen und der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Daimler AG Ergun Lümali.

Oder weil sie Deutschland schon von außen betrachtet haben, wie Johannes Kärcher, Vorstandschef der Alfred Kärcher GmbH, der lange in Brasilien lebte. Dazu Bilkay Öney (SPD), die Integrationsministerin, die anstellte des erkrankten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) über die Bedeutung der Willkommenskultur spricht. Durchaus engagiert. Sie und die anderen Podiumsgäste finden auch ein großes Publikum; rund 400 Besucher füllen die Halle.

Wie aber kommt es dann, dass am Ende der Veranstaltung, als die Besucher bei Brezel und Wein zusammenstehen, „um gute Gespräche zu führen“, wie es so schön heißt, ein älterer Besucher, dunkelhäutig, weißer Bart, unbeachtet in einer Ecke sitzt? Angesprochen auf seinen Eindruck des Abends, sagt er: „Wissen Sie, ich liebe dieses Land, aber es liebt mich nicht.“ Er stammt aus Nigeria „meines Vaters Land“.

In den achtziger Jahren kam er nach Deutschland, lernte hier, studierte Betriebswirt, arbeitete als Handelsvertreter. Und fühlte sich doch nie dazugehörig. Kürzlich war er in einen Verkehrsunfall verwickelt; ein Polizist fragte ihn nach seinem Ausweis. Als er ihn vorzeigte, fragte der Beamte „nach dem anderen Ausweis“, dem nichtdeutschen. Als gehöre er eigentlich gar nicht hierher. Nächstes Jahr verlässt er „sein“ Deutschland. Vermutlich in Richtung Afrika. Eine Entscheidung gegen den Wohlstand. Aber es fehlt ihm hier etwas. Die innere Wärme! „Ich bin doch ein Mensch.“

An was es nicht fehlt, sind gute Absichten, politischer Wille und wohlgesetzte Worte. Der Außenminister brilliert in seinem kurzen Auftritt mit druckreifen Sätzen, in denen er dafür wirbt, „Deutschland so zu sehen, wie es ist“, nämlich als Einwanderungsland mit 16 Millionen Bürger, die einen Migrationshintergrund haben. Er wirbt für eine „Kultur der Offenheit“, die sich nicht darin erschöpfen dürfe, Türen aufzuhalten; man müsse Offenheit auch leben. „Teilhabe ist kein gönnerhaftes Angebot an vermeintlich hilfsbedürftige Migranten, sondern ein Prinzip des gesellschaftlichen Zusammenlebens, das für alle gilt“, sagt Steinmeier. Und er stellt eine wichtige Frage: „Akzeptieren wir das nur oder fühlen wir das auch?“

Bis dahin scheint es noch ein weiter Weg. Das deutet Johannes Kärcher an: Er lenkt den Blick weg vom Staat hin zu Personen „Willkommen passiert zwischen den Menschen“, sagt er – als würde er die Geschichte des alten Mannes aus Nigeria kennen.